Ein großer Name kehrt zurück

Ausgerechnet zum 100-jährigen Geburtstag 1993 geriet Kässbohrer in Turbulenzen: Die stolzen Ulmer hatten sich in den Produktsparten Pistenraupen, Bussen und Trailern zwar überall einen guten Namen gemacht, letztendlich aber doch verzettelt. Das führte zur stückweisen Filetierung des Unternehmens: Das Anhänger-Werk in Burtenbach wurde an Kögel verkauft, 1994 wurden die Pistenraupen in eine eigenständige Gesellschaft, die Kässbohrer Geländefahrzeug GmbH, ausgelagert und die Busse wurden 1995 an Daimler verkauft. Mit dem Inkrafttreten der Übernahme konnten die Brüder Heinrich, Ulrich und Otfried Kässbohrer das österreichische Werk zurückkaufen und gründeten am 1. März 1995 die Kässbohrer Transport Technik GmbH mit Sitz in Eugendorf bei Salzburg, die sich auf die Herstellung von Autotransportern fokussierte. Während diese sich, ebenso wie die Omnibusse und Pistenraupen, schnell wieder etabliert hatten, dümpelte die Anhängersparte vor sich hin. 2002 kaufte dann die türkische Tirsan-Gruppe die Markenrechte und machte Kässbohrer unter dem Inhaber Çetin Nuhoglu wieder zum Familienunternehmen, auch wenn die Zentrale jetzt in Istanbul statt in Ulm sitzt. Um den europäischen Markt besser bedienen zu können, errichtete Tirsan bereits 1998 eine Zweigniederlassung in Goch, die bis 2008 zur kompletten Fahrzeugfertigung ausgebaut wurde. Bis die Krise 2009 Tirsan zur vorübergehenden Stilllegung zwang. Restrukturierung geschickt genutzt Doch die Krise nutzte Çetin Nuhoglu zur Restrukturierung. Fortan wurde der Name Kässbohrer nicht nur bei Tank- und Silofahrzeugen verwendet, sondern prangte auch auf den neu entwickelten Tiefladern und sämtlichen Exportfahrzeugen. Damit war auch eine stringente Markenstrategie geboren: Während die Curtainsider und Koffer im Heimatland weiter unter Tirsan-Label laufen, firmieren alle sonstigen Produkte unter Kässbohrer. In dem Zusammenhang richtete man auch die Produktion komplett neu aus und rüstete sie samt der Entwicklung analog zu den großen Serienherstellern mit eigenem Hydropulser und KTL-Anlage aus. Wie einst entstehen Kässbohrer-Sattel jetzt wieder in Fließfertigung und werden mehr denn je auf mitteleuropäische Kunden zugeschnitten. Außerdem ging neben einer Montage in Russland auch das Werk Goch wieder ans Netz, von dem aus Deutschland und die angrenzenden Märkte beliefert werden. Das trägt Früchte: So stieg der Absatz von Kässbohrer-Sattelaufliegern in Deutschland für das Jahr 2014 laut Kässbohrer um 96,4 Prozent, wobei man das niedrige Startniveau berücksichtigen muss. Die Tankund Silosattelauflieger sollen gar um 135 Prozent zugelegt haben. Rund 100 Prozent Zuwachs nennt Kässbohrer für den Absatz der Tieflader. Also investiert man weiter: Die Produktionskapazität für Tank- und Silosattelauflieger wurde im Vergleich zu 2013 um 40 Prozent erhöht. Auch Goch wurde wieder verstärkt: Die Belegschaft wurde laut Iffet Türken, Vorstandsmitglied der Kässbohrer Fahrzeugwerke, um 58 Prozent aufgestockt. Aktuell werden in Goch vier bis fünf Fahrzeuge täglich montiert, Tendenz steigend. Für das erste Quartal 2015 meldet Kässbohrer in den Kernmärkten weitere 32,5 Prozent Wachstum - hier aber auf höherer Ausgangsbasis. Auch technisch legte man nach: Eigene Lenksysteme für die Tieflader oder ein neuer, extrem stabiler und sicherer Unterfahrschutz für die Maxima-Curtainsider gehören zu den letzten Neuentwicklungen. Damit sollten endlich auch Kässbohrers Schiebeplanen, Tank- und Silosattel sowie die Tieflader wieder an die großen alten Zeiten anknüpfen. Kässbohrer-Geschichte - 1893: Karl Heinrich Kässbohrer gründet die Kässbohrer Fahrzeugwerke als Wagner-Geschäft in Ulm- 1907: Bau des ersten Busses- 1922: Die Söhne Karl und Otto Kässbohrer übernehmen das Unternehmen- 1924: Bau von Nutzfahrzeuganhängern, Produktionsstart von Pistenpflegegeräten- 1930: Start der Tanktrailerfertigung- 1934: Start der Tiefladerproduktion- 1950: Serienfertigung von geschlossenen Autotransportern- 1950: Produktion des ersten Kippsilos mit hydraulischer Kippvorrichtung- 1951: Bau des ersten selbsttragenden Setra-Busses- 1969: Präsentation des ersten Pistenbullys- 1983: Neue Sattelgeneration mit ABS- 1991: Kässbohrer stellt den Beach Tech zur Strandreinigung vor- 1994: Abspaltung der Geländefahrzeuge- 1995: Verkauf der Busse an Daimler, Gründung der Transporttechnik in Österreich- 2002: Tirsan übernimmt die Tank- und Silosparte- 2011: Neues F&E-Zentrum in Adapazari

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