Diesel-Alternativen aus Gas

Zukunftsträchtig und umweltfreundlich oder der falsche Weg? An Lkw mit Erdgasantrieb scheiden sich die Geister. Den Trend zum verflüssigten Erdgas (LNG) gehen beispielsweise bislang nur drei der sieben europäischen Lkw-Hersteller mit. Dabei ist das Liquified Natural Gas (LNG) derzeit die einzige Diesel-Alternative für den Fernverkehr. Damit Erdgas seinen Aggregatzustand in flüssig ändert, wird es in der Raffinerie auf minus 161 Grad Celsius gekühlt. In dieser Form schrumpft das Volumen auf ein Sechshundertstel ab, wodurch sich entsprechend mehr Energie in einer Tankfüllung speichern lässt. Führend in dieser Technologie ist klar Iveco. Die Italiener waren die Ersten, die LNG-Fahrzeuge auf die Reise schickten. Gab es zunächst lediglich einen 400 PS starken Ableger des neun Liter kleinen Cursor 9, der vielen Kunden zu schwach und nur mit einem manuellen Getriebe zu haben war, hat der Hersteller sein LNG-Programm mittlerweile deutlich ausgebaut. Auf kraftvolle 460 PS und 2000 Newtonmeter bringt es die stärkste, vom 12,8 Liter großen Cursor-13-Sechszylinder abgeleitete Leistungseinstellung des neuen S-Way NP (Natural Power). Und selbstredend arbeitet hier mit der Traxon-Zwölfgangbox von ZF das gleiche automatisierte Schaltgetriebe wie in den Diesel-Modellen. Mittlerweile ebenso selbstverständlich sind ein GPS-Tempomat sowie eine ausgeklügelte Eco-Roll-Strategie. Ebenfalls auf den LNG-Zug aufgesprungen ist Scania mit seinem vom DC13-Diesel abgeleiteten Gasmotor mit 410 PS. Der Sechszylinder bringt es aber ebenfalls auf 2000 Newtonmeter Drehmoment, weshalb der Gas-Schwede die VR-Profi-Testrunde nicht langsamer überwand als der Iveco. Ebenfalls ähnlich: der LNG-Verbrauch, der sich lediglich um 0,2 kg/100 km vom Iveco unterschied. Was dem Scania aber fehlt, ist Ecoroll, und die kurzen Wartungsintervalle von 45.000 Kilometern übertrifft sogar manches Transporter-Modell. Iveco bietet da mit 90.000 Kilometern deutlich mehr. Der dritte Hersteller im Bunde schafft mit 100.000 Kilometern die gleichen Wartungsintervalle wie bei seinen Dieselmodellen. Überhaupt geht Volvo Trucks beim Thema LNG einen anderen Weg als der Wettbewerb. Nutzen die bei Ihren Motoren das Otto-Prinzip, bei dem das Gas-Luft-Gemisch per Zündkerze zur Verbrennung gebracht wird, übernimmt diesen Job bei Volvo eine kleine Menge Diesel. Diese wird Millisekunden vor dem Erdgas in den Brennraum gespritzt. Beim Verdichten zündet der Diesel und entflammt das Gas mit. Vorteil dieses Verfahrens: Eine bessere Leistungsentfaltung, die vom vergleichbaren Diesel lediglich von versierten Fahrern zu unterscheiden ist. 420 oder 460 Erdgas-PS bietet Volvo für die FM- respektive FH-Baureihe an. Das maximale Drehmoment von 2100 beziehungsweise 2300 Newtonmetern ist mit den Diesel-Varianten identisch und liegt lediglich 140 beziehungsweise 150 Touren später an. Zudem ist das Verbrennungsgeräusch zu den Volvo-Dieseln absolut identisch, wohingegen sich bei Iveco und Scania ein - keinesfalls unangenehmes - Benziner-Säuseln in die Klangkulisse mischt. Weiterer Vorteil des Volvo-Systems: Es lässt sich eine wirkungsvolle Motorbremse darstellen. 375 Kilowatt liefert die VEB+-Motorbremse, die vielen Kunden bereits genügen dürften. Bei Scania und Iveco ist der zwar souverän verzögernde, aber eben auch gewichtsträchtige Retarder obligatorisch. Neben genannten Vorteilen birgt das Volvo-System auch Nachteile. Nicht jeder Transporteur dürfte begeistert sein mit LNG, Diesel und AdBlue gleich drei Betriebsstoffe zutanken zu müssen. Zudem bindet der SCR-Kat Platz am Rahmen, weshalb Volvo nicht ganz so große LNG-Tanks realisieren kann wie Iveco und Scania, denen ein einfacher Dreiwege-Katalysator zur Abgasreinigung genügt. Im VR-Test schlugen die Kosten für Diesel und AdBlue dafür nicht negativ zu Buche. Grund dafür: Mit 17,7 kg LNG/100 km lag der Gasverbrauch des Volvo im Test deutlich niedriger als bei Iveco und Scania. Doch auch im kilometerärmeren Verteilerverkehr kann Erdgas eine Alternative sein, hier allerdings im gasförmigen Zustand. Iveco hat beispielsweise den Eurocargo mit CNG-Antrieb (Compressed Natural Gas) im Angebot. Abgeleitet vom Tector-7-Dieselmotor bringt es der Verteiler-Lkw auf 204 PS und 740 Newtonmeter Drehmoment. Ebenso vertreten in diesem Segment sind Scania mit der CNG-Variante seines neun Liter großen Fünfzylinders (280 oder 340 PS, 1350 oder 1600 Newtonmeter Drehmoment) und Volvo Trucks mit dem FE CNG, dessen 9-l-Reihensechszylinder 320 PS und 1356 Newtonmeter leistet. Den gleichen Antriebsstrang bietet zugleich die Konzerntochter Renault Trucks für ihre D-Verteiler an. Dem Thema Erdgas nicht komplett verschließen kann sich auch Mercedes-Benz. Vor allem beim meist im urbanen Umfeld eingesetzten Econic fordern die Daimler-Kunden Diesel-Alternativen, die der Hersteller mit dem NGT-Motor befriedigen kann. Basis ist der 7,7 Liter große Erdgasmotor M 936 G mit 302 PS. Gleicher Motor ist seit der letztjährigen IAA übrigens auch für die Verteiler-Modelle des neuen Actros lieferbar. Die Kraftverteilung übernimmt beim Daimler-Gaser stets eine Allison-Wanderautomatik. Mehr zum Thema im Dossier Alternative Antriebe www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Im Fernverkehr in verflüssigter Form, im weniger kilometerintensiven Nahverkehr als gasförmige Variante. Erdgas mausert sich mehr und mehr zur Antriebsalternative für Lastwagen. Vorteil: Die Technik ist so unkompliziert wie ausgereift und die Anschaffung von Gas-Lkw wird vom Staat gefördert.

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