Die neuen Gratis-Reifen

Das Reifenlabel hat erwartungsgemäß zahlreiche Neuentwicklungen der Reifenhersteller nach sich gezogen. Jüngster Neuzugang im Kampf um bestmögliche Labels ist Continentals sogenannte "Dreier-Serie". Und wie so manche Marktbegleiter nutzen auch die Niedersachsen das zur Umstellung ihrer Nomenklaturen: Die neuen Fernverkehrsreifen heißen jetzt "Eco Plus 3", während die Pneus für den Verteilerverkehr ihrem wechselnden Einsatz entsprechend künftig "Hybrid" heißen werden. Dazu kommen die Reifen für den gemischten Baustellenverkehr (künftig Cross Trac) und den reinen Geländeeinsatz (künftig Terra Plus). Dabei hat Conti auch gleich die Seitenwände neu gestaltet, die jetzt auch Runderneuerungsempfehlungen enthalten. Für die Eco-Plus-3-Serie waren den Kunden laut einer Conti-eigenen Umfrage 2013 vor allem Laufleistung, Verbrauchsoptimierung und Sicherheit wichtig. Eine Umbereifung von der L-Linie der zweiten Generation auf die neue Dreier-Serie soll laut Conti bis zu 1,9 Liter Kraftstoff sparen. Den Bremsweg aus 80 km/h will man gegenüber dem Standard-Referenzreifen, den alle Hersteller zum Abgleich nutzen, von rund 62 auf etwa 56 Meter reduziert haben. Dabei nutzte der Reifenhersteller laut Frank Walloch, dem Leiter der Entwicklung Nutzfahrzeugreifen für Europa, den Mittleren Osten und Afrika (EMEA), teils schon vorhandene Konzepte der Vorgängerserie wie den Dreiecksgürtel, den Stahlcordwulstverstärker oder den Air-Keep-Innerliner, der der Luft das Entweichen möglichst schwer machen soll. Bei der Dreier-Generation änderten Walloch und seine Mannen die Seitenwand-Rollwiderstandsmischung. Die neuen Polymere bieten mehr Flexibilität zwischen den Polymerketten, was die Reibung und damit den Rollwiderstand reduzieren soll. Ebenfalls für mehr Flexibilität soll die Silica-Beimischung sorgen, was wiederum den Grip erhöhen soll. Außerdem baut Conti die Lauffläche zweilagig mit einer Kappe und einer Basis auf. Der steifere Unterteil reduziert den Rollwiderstand maximal, während der flexiblere Oberteil des Laufstreifenprofils die Führungsaufgaben übernimmt und für hohe Kilometerzahlen sorgen soll. Das "dunkle" Geheimnis der Mischung Prozentual gesehen will Continental beim Antriebsachsreifen Eco Plus HS 3 gemessen am Vorgänger in je 315/70 R 22,5 den Rollwiderstand um acht und das Fahrverhalten bei Nässe um fünf Prozent verbessert haben. Beim Antriebsachsreifen Eco Plus HD 3 konnte Conti den Rollwiderstand gegenüber dem 315/70 R22,5er-Vorgänger gleich um 16 Prozent reduzieren und optimierte hier die Geräuschentwicklung um vier Prozent. Dazu schrägten die Entwickler die Kanten am Rand ab. Das verbessert den Rollwiderstand ebenso wie eine neue Laufflächenmischung. Hier kommt ein neuer Füllstoff zum Einsatz, der die Reibung in der Mischung reduziert. Dabei änderte Conti den Rußtyp. Die Verteilung der Rußpartikelgröße ist jetzt besser, was weniger innere Reibung erzeugen soll. Das Profil wirkt optisch viel geschlossener und weist dafür mehr Lamellen auf, was laut Walloch optisch für manche gewöhnungsbedürftig wirkt, da dem Neuling die grob verzahnte "Grip-Optik" fehlt. Der Trailerreifen Eco Plus HT 3 verbesserte sich gegenüber dem Vorgänger in 385/55 R 22,5 in Sachen Rollwiderstand gleich um 26 Prozent. Außerdem legte er bei der Laufleistung um zehn Prozent und bei der Geräuschminderung um sechs Prozent zu. Aber auch die Runderneuerungsfähigkeit und das Nassfahrverhalten konnte Conti verbessern. Auch hier verlagerte Conti das Material zur Mitte. Dass hier große Fortschritte erzielt wurden, liegt laut Walloch auch an der Tatsache, dass die Vorgänger-Einen großen Schritt ging Conti auch beim Hybrid HS 3, der allerdings erst zur IAA in Hannover Premiere feiern wird. Beim Hybrid HS3 in 315/80 R 22,5 verbesserte man den Rollwiderstand um zwei, das Nassfahrverhalten um fünf und die Laufleistung um 17 Prozent. Dazu fügte Conti in den Breichen mit niedriger Verformung Laufflächenmaterial hinzu. Auch hier versuchte man durch eine optimale Positionierung von Polymeren die Reibung und damit die Wärmeentwicklung zu reduzieren. Das Nassfahrverhalten will man unter anderem durch tiefere Lamellen verbessert haben. Wie bei anderen Reifenherstellern auch, gibt es außerdem einen Verschleissindikator, an dessen verschieden tiefen Einkerbungen man die Abnutzung des Pneus ablesen und feststellen kann, ob in Spur oder Sturz Fehler auftreten. Dieser Hinweis kam von den Transportunternehmen, die beklagten, dass es gerade an engen Kreiseln oder innerörtlichen Verkehren oft zu Kollisionen mit dem Bordstein kommt, was sich nicht selten auf die Fahrwerksgeometrie durchschlägt. Der Verschleissindikator zeigt jetzt Vorspur (aufeinander zulaufende Reifen), Nachspur (auseinanderdriftende Lenkachsräder) oder einen Schräglauf an. Eine gute Idee wäre es, den VAI genannten Verschleissindikator auch bei den Trailerreifen einzuführen, denn auch hier verstellt sich an Bordsteinen gern unbemerkt die Spur. Technisch geht vieles, juristisch nicht Weiter Thema bleibt die Luftdrucküberwachung. Laut einer Pannenauswertung, die der ADAC-Truckservice im September 2013 durchführte, verursachen die schwarzen Rundlinge immer noch 35,9 Prozent aller Pannen. Erst dann folgt mit 25,5 Prozent die Elektrik und mit 23,7 Prozent der Motor. "Leider ist das Rad-Reifensystem immer noch nicht wartungsfrei", kommentiert Walloch diese Auswertung und merkt an, das 90 Prozent der Reifenpannen auf schleichenden Druckverlust zurückzuführen sind. Interessant ist auch Wallochs Beobachtung, dass man am Reifenzustand oft den Zustand der Transportbranche ablesen kann: "Wenn es schlechter läuft, steigen die Reifendefekte, weil dann auf "letzter Rille" gefahren wird. Geht es der Branche wieder besser, sinkt die Pannenhäufigkeit", fasst Walloch die Beobachtungen zusammen. Einige Dimensionen stehen noch aus Entsprechend entwickelt Conti auch die Reifendruckkontrollsysteme weiter, die zur NFZ-Messe IAA dann mit automatischer Trailer-Erkennung verfügbar sein sollen. Bisher "vergisst" die Control-Unit beim Umsatteln den Trailer, was bei größeren Fuhrparks mit häufigeren Anhängerwechseln ein Thema ist. Generell wäre technisch noch vieles denk- und machbar: "Die Technik ist da", argumentiert Walloch. Die Herausforderung liegt in der Vernetzung und Kommunikation der einzelnen Systeme, denn nicht jeder kann und möchte alle gesammelten Daten allen zugänglich machen. Außerdem muss man die Preise berücksichtigen. "Ein einfacher Reifendrucksensor liegt kostenseitig im Cent-Bereich. Kommt dann die erweiterte Identifikations- und Kommunikations-Fähigkeit hinzu, liegen wir hier sofort im Euro-bereich. Das ist dann sofort eine andere Hausnummer", gibt Walloch zu bedenken. Dazu kommt noch das Thema der Datendarstellung und Verwaltung, das ebenfalls möglichst einheitlich erfolgen sollte. Aber auch hier dürfte sich im Laufe der Zeit etwas tun, wenngleich das im Vergleich zur reinen Reifenentwicklung deutlich komplexer zu sein scheint - zumal man hier auch auf zahlreiche juristische Feinheiten achten muss. Aber auch die anderen Reifenhersteller "geben weiter Gummi": Michelin schiebt neue Dimensionen der X(R) Line Energy Z für die Lenkachse und Rundumbereifung sowie X(R) Line Energy D für die Antriebsachse nach. Sie sind ab sofort auch in 315/80 R 22.5 verfügbar. Hinzu kommt ab September 2014 der Energy X(R) Line T für den Trailer in 385/65 R 22.5. Auch die Franzosen reklamieren gegenüber den Vorgängern Verbrauchsvorteile von bis zu einem Liter auf 100 Kilometer, sofern der komplette Zug von der alten Energy-Savergreen-Reihe auf die neue Reifengeneration umgerüstet wird. Durch das Nachschneiden und die Nutzung der Reifen bis zur zulässigen Abfahrgrenze lässt sich laut Michelin sogar eine Kraftstoffersparnis von weiteren 1,5 Litern pro 100 Kilometer im Vergleich zum Neureifen erzielen. Gleichzeitig sollen diese Größen eine höhere Laufleistung als ihre Vorgänger bieten: Beim Trailerreifen will Michelin diese um bis zu zehn Prozent erhöht haben. Auch Michelin setzt auf neue Gummimischungen in Lauffläche und Flanke. Wie bei Continental soll der robuste Reifenaufbau die Erwärmung und damit den Rollwiderstand reduzieren. Dazu kommt eine komplett neue Karkasse. Ähnlichkeiten zu Conti gibt es auch bei der Breite der Lauffläche: Beim Antriebsachsreifen "Energy D" verbreiterte Michelin die Bodenaufstandsfläche im Vergleich zum Vorgänger um sieben Millimeter, was Laufleistung und Traktion zugute kommt. Das Profil kombiniert Stab- und Delta-Lamellen: Die Stab-Lamellen ermöglichen hohe Haftung und Widerstandsfähigkeit gegen Verletzungen und sollen zusammen mit den Delta-Lamellen den Bremsweg verkürzen helfen. Außerdem erhöhen die Delta-Lamellen die Kurvenstabilität, auch auf rutschigem Untergrund. Und natürlich hat auch Michelin bei den Fernverkehrsreifen auf ein niedriges Abrollgeräusch geachtet. Energy D und Z sollen ein externes Rollgeräusch von 69 Dezibel (in 315/80 R 22.5) aufweisen, während der Energy T mit 70 Dezibel noch etwas lauter "singt". Ab Ende des Jahres produziert Michelin ein Modell der LKW-Reifen auch am deutschen Standort Homburg. Wo Reibung gewünscht ist und wo nicht Ebenfalls eine Schaufel draufgelegt hat Bridgestone mit dem neuen R249II Evo Ecopia für die Lenkachse. Auch Bridgestone optimierte dabei die Kilometerleistung und reduzierte den Rollwiderstand merklich, wie interne Vergleichsfahrten in Spanien, Frankreich und den Niederlanden ergaben, die bereits 2012 durchgeführt wurden. Der R249II EVO Ecopia wird in der Größe 315/60 R 22,5 verfügbar sein. Auch Bridgestone ging Mischung und Profilierung an: Auf die Art sollen die auf den Reifen einwirkenden Beschleunigungs- und Bremskräfte gleichmäßig verteilt werden, wodurch man den unregelmäßigen Abrieb verringern möchte. Dank der Optimierungen bei der Karkassenlinie und der Spannungsverteilung im Gürtel-Paket reduziert sich der an der Schulterrippe erzeugte Abrieb, was zur höheren Laufleistung beitragen soll. Auch bei Bridgestone gibt es Parallelen zu Conti: Die Japaner nennen ihre Mischung "NanoPro-Tech". Auch hier wird die Reibung zwischen den verschiedenen Gummischichten reduziert, sodass bei der Rotation des Reifens weniger Energie in der Reifendecke verloren geht. Und da auch Bridgestone sich wegen Euro 6 und künftiger Gesetzesänderungen für höhere Traglasten an der Lenkachse wappnen muss, stattete man den R249II EVO Ecopia mit der sogenannten Turn-in-Ply-Technologie aus. Heißt: Ein stärkerer und robusterer Wulst erhöht die Langlebigkeit des Reifens und verkraftet höhere Lasten, die 7,5 und 8,0 statt 7,1 und 7,5 Tonnen wie beim Standard-Ecopia betragen. Für die rollwiderstandreduzierte Ecopia-Reihe proklamiert auch Bridgestone eine Rollwiderstandsverbesserung gegenüber den vergleichbar dimensionierten Vorgängerserien von zwölf Prozent. Dabei holt Bridgestone bei der Lenkachse 7,7, an der Triebachse 5,3 und am Trailer 18 Prozent. Einen großen Schritt nach vorn ging auch Goodyear mit der Fuelmax-Reihe: In der Dimension 385/55 R 22,5 erreicht sie ein A im Rollwiderstand und ein C in der Nasshaftung, womit man der erste Hersteller ist, der ein Rollwiderstandslabel A auf Lenk- und Trailerachse schafft. Die populäreren Dimensionen 315/70 und 315/80 R22,5 liegen wie bei Conti oder Michelin bei einem B. Auch Goodyear optimierte bei seiner im Herbst 2013 präsentierten Fuelmax-Reihe den kompletten Reifen, wozu unter anderem ein hoher Positivanteil des Profils kommt, um den Rollwiderstand zu reduzieren. Zusammen mit den Fuelmax-D und Fuelmax T-Reifen proklamiert auch Goodyear einen Verbrauchsvorteil gegenüber den Vorgängern um zehn bis 15 Prozent. Gegenüber einem Vergleichszug, der auf den Lenkachsreifen ein Rollwiderstands-Label D trug, ein E-Label auf den Antriebsachsreifen und ein C-Label auf den Trailrreifen, sparte der Zug rund 1,9 Liter Diesel pro 100 Kilometer. Damit wurde bewiesen, dass sich die neueste Reifengeneration der jeweiligen Hersteller prinzipiell allein über den Spritverbrauch amortisieren kann - auch wenn die neuen Reifen etwas teurer als die Pneus der Vorgängergeneration werden.

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