Die letzte Meile wird smart

Per Drohne, Zustellroboter oder Lastenrad gelangen online bestellte Waren künftig zum "Point of Interest" (POI). Das muss nicht zwingend eine Adresse sein. Beim Georeferenzierungssystem What3Words etwa lässt sich der Zielpunkt einfach mit drei Worten beschreiben. Und auch für die vertikale Navigation erfasst der Online-Geodatendienst Here.com bereits die dritte Dimension: In Dubai sollen so bald autonome Drohnen zwischen Wolkenkratzern geleitet werden. Alternativ lassen sich Päckchen weiter auch an Paketstationen oder -shops liefern - per Elektrovan oder in Kooperation mit dem Handel. Seit Kurzem kollaboriert beispielsweise der Fiege-Service "Angel Last Mile" mit dem Zeitungsgroßhandel. "Ein exzellentes Knowhow der Region macht ihn zum perfekten Partner für die B2C-Paketzustellung. Teils haben die Fahrer Schlüssel für die Hauseingänge. Zudem laufen die riesigen Flotten nur nachts, tagsüber stehen die Sortierzentren leer", berichtete Angel-COO Doreen Brodersen bei der internationalen VDI-Konferenz "Smart Last Mile Delivery" des VDI Wissensforums Anfang Dezember in Hamburg. Weil der Kostendruck in der Zeitungsbranche hoch sei, profitierten beide Seiten. Ein ähnliches Konzept, nur lokal begrenzt, plant Professor Stephan Seeck von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Sein "Kiezbote" soll in Kürze mit einem Piloten starten. Lokale Dienstleister stellen dann per Lastenrad oder Handkarren Pakete in ihrem Viertel zu, die von KEP-Diensten an einem Sammelplatz, einem Ladenlokal etwa, hinterlegt wurden. Bündelung von B2C- und B2B-Strömen Das erinnert an das Schweizer "Kartoffeltaxi", bei dem Privatleute, die aus den Bergen nach Zürich pendeln, Biokartoffeln an die Städter ausliefern und sich so einen "Zustupf" verdienen. Ähnlich wie beim Taxiservice Uber fahren die Erdäpfel hier im privaten Pkw mit. Doch zurück nach Deutschland und zu einer weiteren Innovation für die letzte Meile: Mit in Unternehmen aufgestellten Paketschließfächern will Pakadoo, Teil des Kontraktlogistikunternehmens LGI Logistics Group, B2B- und B2C-Lieferungen bündeln. Das soll die Zustellkosten um 20 bis 25 Prozent senken und die Umwelt entlasten. Sogar Unternehmensprozesse, etwa der Austausch eines Laptops, lassen sich über die Paketschließfächer steuern. Auch die lokale Wirtschaft lässt sich anbinden. Im Logistikprojekt "Louise" in Bottrop, das im Oktober gestartet ist, ist das beispielsweise der Schuster von nebenan. Multimodale Ansätze für den Vorlauf Die Strecke vor der letzten Meile legen KEP-Sendungen in Amsterdam, im Projekt "DenCity" in Göteborg und bald vielleicht auch in Hamburg, auf der Wasserstraße oder, wie im Projekt "Logistiktram" in Frankfurt am Main, in der Straßenbahn zurück. Einen ähnlichen multimodalen Ansatz verfolgt das Vorhaben "Sulpiter" im italienischen Bologna, bei dem urbane Verteilzentren über die Schiene versorgt werden. In Zukunft könnte auch das Lkw-Platooning - das "Koppeln" mehrerer Fahrzeuge in Gruppen, die autonom dem Führungsfahrzeug folgen - für einen effizienteren Transport sorgen. Für die anschließende Konsolidierung und Verteilung der Sendungsmengen werden vielerorts bereits Mikrodepots in Park- und leerstehenden Kaufhäusern geplant. Ein solcher Wandel zwingt alle Beteiligten zum intensiven Austausch jenseits gewohnter Denkmuster: von Immobilienentwicklern über die Stadtverwaltung und die Politik bis hin zu Industrie, Handel und Logistik. Dabei immer im Mittelpunkt: der Bürger. Er darf die Citylogistik von morgen sogar mitgestalten: Im nordspanischen Santander werden im Projekt "Smart City Santander" dazu "Experimentation-as-a-Service"-Tools (kurz: EaaS-Tools) bereitgestellt. Natürlich geht es hier auch um das Sammeln von Daten - denn die sind pures Gold im Zeitalter der Digitalisierung. Schon heute arbeiten die Spanier daran, sie über einen Online-Datenmarktplatz zu monetarisieren. Auch wenn noch unklar ist, was die einzelnen Datensätze dort einmal kosten sollen - das Projekt gibt einen Vorgeschmack auf das, was künftig geht. "Das Smartphone ist ein Schlüsselelement, um Daten zu sammeln und Ereignisse wie Schlaglöcher oder Umleitungen zu erfassen, die dann in das Transportmanagement einfließen", berichtete Projektleiter Luis Muñoz, Professor der Universität von Kantabrien, in Hamburg. Dort skizzierte Gerhard Nowak, Partner bei PwC Strategy& Germany, was mit den gesammelten Daten noch denkbar ist: Nämlich ein völlig autonomes Fahrzeug-Ökosystem. Die dafür nötige Echtzeitkommunikation zwischen den Fahrzeugen und mit der Infrastruktur ermöglicht laut Nowaks Studie "Trucking 4.0" der neue Mobilfunkstandard 5G, der ab 2020 die Datenkapazität für solche Anwendungen deutlich erhöhen soll. Das macht dann auch eine automatisierte Frachtvermittlung möglich - ein Ansatz, den die Plattform Cargonexx schon heute verfolgt. Selbstlernende Algorithmen bestimmen hier Spotmarkt-Preise für Touren, die automatisch auf freie Frachtführerkapazitäten verteilt werden. Mindestens ein Drittel der Leerfahrten soll sich so verhindern lassen. Digitalisierte Lieferketten schon 2030 Operative Logistikaufgaben übernehmen in Zukunft Robotik und Automation, gesteuert vom Internet der Dinge, gespeist mit "Big Data" und bezahlt via Blockchain oder "Microbilling" - dem kumulierten Begleichen von Kleinstbeträgen. "In der Zukunft benötigen die meisten Logistikprozesse keine oder nur wenig menschliche Interaktion. Bis 2030 haben wir digitalisierte Lieferketten mit fahrerlosen, kabellosen Lkw und mit Robotern besetzte Auslieferungszentren", ist sich Nowak von PwC sicher. Günstigere Sensoren und künstliche Intelligenz werden die "Cloud Logistics" ihm zufolge zusätzlich befeuern. Auch eine Konsolidierung über die verschiedenen KEP-Dienstleister hinweg werde in den kommenden Jahren unumgänglich. Pilotprojekte gibt es bereits, bekanntestes Beispiel ist wohl "KoMoDo" in Berlin. Seit Oktober gibt es auch Deutschlands ersten Multi-Label-Paketshop im Hamburger "City-Center Bergedorf" (CCB). Monatlich gehen bereits 1500 Sendungen von DPD, GLS, Hermes und UPS über den Tresen. Ende 2019 soll hier auch eine Multi-Label-Lieferung mit E-Fahrzeugen von Linde Electronics starten, die über 700 Kilogramm Ladekapazität verfügen, berichtete Jona Miller von der Logistikberatungsfirma MRU in Hamburg. Gemeinsame Zustellung unumgänglich Bislang lehnen die KEP-Anbieter eine gemeinsame Zustellung aus Wettbewerbs- und Kostengründen ab. Allerdings haben Hermes und DPD jetzt angekündigt, die Paketzustellung an der Haustür zu verteuern. Vorerst preisstabil bleiben soll sie beim Marktführer DHL. Doch auch Postchef Frank Appel hält steigende Preise für unverzichtbar. "Wir brauchen ein höheres Porto, weil unsere Personalkosten jedes Jahr um drei Prozent steigen und gleichzeitig die Briefmengen um einen ähnlichen Wert sinken", so der Manager. "Faktisch sind die letzten 50 Meter bis zur Haustür der teuerste Teil unserer Dienstleistung. Genau dort lässt sich aber die Effizienz kaum mehr steigern." Ob das so bleibt, wird die Zukunft zeigen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier KEP-Dienste www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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