Die goldene Mitte?

Auch Scania-Kunden müssen bekanntlich wirtschaftlich arbeiten. Weshalb der schwedische Hersteller den Großteil seiner Scania R- und S-Modelle nicht mit dem großvolumigen V8, sondern mit dem günstigeren, leichteren und nachweislich sparsameren DC13-Reihensechszylinder ausliefert. Wie diese in "Spicyrot" lackierte Testzugmaschine. Mit 450 PS und R-Highline-Kabine verkörpert sie einen Scania der Vernunft, zu dem vor allem größere Flotten gerne greifen. Die Platzverhältnisse im R-Highline genügen auch für mehrtägige Touren und die mittlere Leistungseinstellung des DC13 reicht selbst bei voller Beladung jederzeit zum problemlosen Mitschwimmen im Verkehr. Der R 450 ist kein Leichtgewicht Mit gewisser Vorsicht ist beim Schweden aber das Thema Gewicht zu genießen. Natürlich ist die Testzugmaschine deutlich leichter als ein vergleichbares R-Modell mit V8. Ein Fliegengewicht ist sie aber keinesfalls. Exakt 7321 Kilogramm bringt unser R 450 inklusive 400 Liter Diesel und 60 Liter AdBlue auf die Waage, das kann beispielsweise der Volvo FH deutlich leichter. Ein Manko, welches der Vernunft-Greif mit auf unsere standardisierte und wie immer per unserem Referenz-Actros abgeglichene Supertest-Runde mitnimmt. Wie jeder Proband mit weniger als 500 PS stellt unser auf 24 Tonnen ausgeladener Krone-Testtrailer die Transportaufgabe. Nicht nur mit diesem eher leichten Gewicht am Königszapfen ist die Wahl einer möglichst langen Hinterachsübersetzung goldrichtig für einen niedrigen Spritverbrauch. Der Hersteller gibt dem Testfahrzeug deshalb die mit i=2,35 längstmögliche Achse seines Programms mit. Exakt 1077 Touren liegen so bei Reisetempo 85 an, womit der Scania-Motor noch deutlich höher dreht als manche Konkurrenz-Aggregate, die in diesem Geschwindigkeitsfeld problemlos bei 1000/min werkeln. Trotzdem agiert die Steuerungs-Elektronik des Scania-GPS-Tempomaten "CCAP" vorsichtig. Selbst mit "nur" 31 Tonnen Gesamtgewicht schaltet sie schon am Beginn von anspruchsvollen Steigungen in den elften Gang zurück, anstatt - wie sonst üblich - die höchste Fahrstufe möglichst lange zu halten. Ein Grund offenbart sich beim Blick auf die Drehmomentkurve des 450ers. Denn der Sechszylinder bringt es zwar auf das klassenhöchste Drehmoment von 2350 Newtonmetern, die liegen aber "erst" ab 1000 Touren voll an und damit deutlich später als bei den meisten Wettbewerbern. Immerhin setzt der R 450 sein höheres Drehzahlniveau in Tempo um. Am Kindinger Berg auf der A 9, anspruchsvollste und längste Steigung unserer Testrunde, zeigt der R 450 vielen vergleichbaren Konkurrenten deutlich die Rücklichter. Tempo und Verbrauch gleichermaßen kommt die Anpowerfunktion des GPS-Tempomaten zugute. Diese nutzt das System aber nur, wenn es errechnet hat, dass die folgende Steigung ohne Rückschaltung zu schaffen ist. In solchen Fällen ist das System übrigens durchaus bereit, dem DC13 auch den Drehzahlkeller von 950 Touren zuzumuten, was der Motor passabel, sprich ohne nennenswerte Vibrationen oder Brummgeräusche pariert. Allerdings erlauben wir uns die Frage, warum Scania das Anpowern am Fuße der Steigung nicht bis zum Tempobegrenzer durchzieht, sondern die Reisegeschwindigkeit um höchstens drei km/h überschreitet. Mit zu viel Schwung kann man schließlich nicht in einen Berg starten. Zusätzlich offenbart CCAP beim Testfahrzeug Regelungenauigkeiten, die wir von dem sonst überaus souverän agierenden System bislang nicht kannten: Mehrmals interpretierte die Elektronik Topografie und Windverhältnisse auf der Teststrecke fehl. In der Folge fiel das Tempo unter die eingestellte Hysterese, was einen zusätzlichen Zwischengasstoß zu Folge hat. Der Vernunfts-Scania bietet Fahrspaß Typisch Scania ist die niedrige Geräuschkulisse, die hohe Materialgüte samt perfekter Verarbeitung, wovon der R 450 keine Ausnahme bildet. Auch das Fahrwerk, hier mit blattgefederter Vorderachse, die sich unserer Meinung nach verbindlicher gibt als die optionale, luftgefederte Version, bleibt ohne Tadel. Gut dazu passt die traditionell gute Lenkung, die beim R 450 sogar noch fahraktiver ausfällt als bei den Achtzylindern, der er hier eben nicht schwer auf der Vorderachse lastet. Der Fahrer dürfte am R 450 Highline also durchaus seine Freude haben. Ebenso das Controlling, denn das Testfahrzeug überwand unsere Testrunde im Schnitt mit sehr sparsamen 24,2 l/100 km und gehört mit 80,4 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit trotzdem zu den Schnellsten. Nur der AdBlue-Konsum fällt mit neun Prozent bezogen zum Dieselverbrauch höher aus - ein verschmerzbarer Tribut an die abgasrückführungsfreie Schadstoffreduktion (Only-SCR) auf das gängige Euro-6-Niveau. Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau-plus.de Der Scania im TÜV-Urteil Wie bei jedem Profi-Test begutachtete der TÜV SÜD auch den Scania R 450 Highline in Sachen Service und Wartung. Mit bis zu150.000 Kilometer Wartungsintervall spielt der Schwede in der oberen Liga mit. Allerdings erfordern solche Distanzen ein teures Motoröl. Den Ölstand überwacht der Bordcomputer; wer manuell prüfen möchte, muss das Fahrerhaus kippen. Oder investiert in den optional lieferbaren Peilstab hinter der Frontklappe. Hinter der lassen sich auch Motoröl und Kühlwasser ergänzen. Ebenfalls leicht von der Hand geht das Auffüllen von Lenköl und Scheibenwaschwasser, schwieriger gestaltet sich der Wechsel des Luftfilters, an den man nur bei gekippter Kabine herankommt.Eher minimalistisch fällt das Bordwerkzeug aus, das Scania mitliefert. Das wird beispielsweise benötigt, um die seitlichen Rahmenverkleidungen zu demontieren. Die müssen auch entfernt werden, um die Batterien zu prüfen. Eine praxisgerechte Lösung ist das einfache Einstellen des Dachspoilers per Drehkurbel. Die Rücklichter strahlen serienmäßig in LED-Technik und sollten ein Lasterleben lang halten. Wer viel in der Nacht fährt, sollte zudem in das exzellente Abblend- und Fernlicht in LED-Technik investieren. bj Kommentar Ein guter KompromissMal ehrlich, mehr als einen R 450 Highline braucht eigentlich niemand. Selbst auf dem kleinen Motortunnel bietet die Kabine noch 1,91 Meter Stehhöhe und Stauraum ist ebenfalls genügend vorhanden. Zudem erweist sich die 450-PS-Einstellung als überaus sparsam, erreicht aber trotzdem eine hohe Transportgeschwindigkeit.jan.burgdorf@springernature.comJan Burgdorf VR-Testredakteur

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