Die Digitalisierung aktiv mitgestalten

Ob saisonale Schwankungen, Wachstum, veränderte Artikel- oder Auftragsstrukturen - Logistikprozesse müssen sich den Anforderungen des Marktes anpassen, um effizient zu sein. In Zeiten des E-Commerce-Booms stehen Unternehmen dabei vor gewaltigen Herausforderungen: Immer kleinere Einheiten müssen mit höherer Dynamik und Komplexität an die Kunden geliefert werden. "Gefragt sind flexible, skalierbare, mitwachsende und nachhaltige Systeme, die perfekt aufeinander abgestimmt sind", weiß Michael Mohr, Executive Vice President Sales von SSI Schäfer. Dabei kommt der Intralogistik eine zunehmend wichtige Rolle zu: Längst hat sie sich von der reinen Ver- und Entsorgungsfunktion zum Wachstumstreiber und entscheidenden Wettbewerbsvorteil für Unternehmen entwickelt. Denn Logistiksysteme, -strategien und -prozesse müssen heute den hohen Ansprüchen an Flexibilität, Verfügbarkeit, Transparenz, Schnelligkeit, Prozesssicherheit und Effizienz genügen. Die Toptrends bei Flurförderzeugen Bei der Weiterentwicklung von Flurförderzeugen etwa widmen sich die Hersteller drei wesentlichen Zukunftsthemen: Energiesysteme, Ergonomie und Digitalisierung. Das Angebot an Lithium-Ionen-Geräten umfasst inzwischen ganze Flotten inklusive Stapler mit Tragfähigkeiten von bis zu acht Tonnen. Spannend ist die Entwicklung rundum neu gedachter Fahrzeugkonzepte im Lagertechnikbereich durch fest verbaute Lithium-Ionen-Batterien, wie bei Jungheinrich (siehe Artikel auf Seite 17). Das ermöglicht kompaktere Fahrzeugdesigns, was die Geräte wendiger macht. Zudem spielen Lithium-Ionen-Batterien ihre Vorteile im Mehrschichtbetrieb und in anspruchsvollen Kühlhausanwendungen aus. Aber auch die Brennstoffzellentechnologie kann mittlerweile als "marktreif" betrachtet werden (siehe Artikel auf Seite 14). Auf der Fachmesse LogiMAT 2019 in Stuttgart (Details auf Seite 7) zeigen die Anwender ganze Brennstoffzellenlösungen, die sich im Logistikalltag bereits bewähren. Ein großes Thema bei den Premiumanbietern sind darüber hinaus die Vernetzung von Fahrzeugen einer Flotte sowie das standortübergreifende Management von Flotten. Ausgestattet mit Telematikboxen, können sie Fahrzeugdaten sowie Schock- und Fehlermeldungen absenden, die über ein Webportal in Echtzeit analysiert werden. Das verbessert nicht nur den Kundenservice und minimiert Stillstandszeiten, sondern kann auch helfen, die Flotte optimal auszulasten, die Sicherheit zu erhöhen und Schäden zu vermeiden. Assistenzsysteme für Staplerfahrer Neue digitale Lösungen gibt es auch im Bereich der Assistenzsysteme in Stuttgart zu sehen. Durch den Einsatz von Kameras und Sensoren erkennen die Fahrzeuge Gefahrensituationen automatisch und reagieren darauf. Visuell oder auch akustisch unterstützen sie den Fahrer in unübersichtlichen oder gefährlichen Situationen. Dazu regeln Assistenzsysteme die Geschwindigkeit automatisch, stoppen Mast- und Hubgerüstschwingungen, überwachen die Hubhöhe in Abhängigkeit von der gehobenen Last oder gleichen Bodenunebenheiten automatisch aus. Darüber hinaus unterstützen sie den Fahrer bei der Anfahrt der Zielposition im Regal. Eine hohe Nachfrage verzeichnen die Hersteller Fahrerloser Transportsysteme (FTS). Mit ihnen lassen sich horizontale Materialtransporte oder auch Ein- und Auslagerungen automatisieren. Die Vorteile liegen im Wesentlichen in der Kostenersparnis mit einem kurzem Return on Invest, einer höheren Sicherheit im Betrieb und in den Prozessen. Demografischer Wandel als Treiber Geringere Energieverbräuche oder die Vermeidung von Fehlern steigern zusätzlich die Effizienz. Dazu wird das Thema zunehmend durch den demografischen Wandel und den Mangel an Arbeitskräften fürs Lager vorangetrieben. Auf der LogiMAT werden Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) in sämtlichen Größen angeboten: für den Transport von Behältern und Kleinladungsträgern bis hin zu Großladungsträgern oder Teilen für die Produktion. Dabei erfolgt die Steuerung solcher Systeme derzeit fast ausschließlich über zentrale Systeme. Der Schritt hin zu intelligenten und autonomen Systemen ist für die Intralogistik mit hohen Durchsätzen derzeit kaum ein Thema. Vielversprechend sind jedoch die ersten bereits einsatzfähigen Cobots, also kollaborative Roboter, zum Beispiel für die Kommissionierung. Die durch Künstliche Intelligenz (KI) gesteuerte Lösung unterstützt Kommissionierer dabei, schneller und genauer zu arbeiten, indem sie Aufträge intelligent zusammenfasst, unnötige Wege vermeidet und den Mitarbeiter durch sämtliche Aufgaben wie Einlagern, Kommissionieren, Zählen, Nachschub und Sortieren führt sowie einzelne Stationen automatisch anfährt. Im Vergleich zu manuell bedienten Kommissionierwagen sollen Cobots die Kommissionierraten um 200 bis 300 Prozent steigern können. Vermehrt Shuttles für Kleinteile Einen guten Einstieg in die Automatisierung bieten Lagerlifte, die auch autonom als platzsparendes Lager und Ware-zur-Person-Arbeitsplatz für Kleinteile genutzt werden können. Für höhere Behältergewichte, Artikelvolumina und Durchsatzanforderungen bieten sich verschiedene automatische Lager-, Transport- und Kommissioniersysteme an - von klassischen Lösungen mit Regalbediengeräten bis hin zum flexibel erweiterbaren "Cube Storage"-System, das ohne Gassen auskommt und von kleinen Robotern bedient wird. Seit Jahren erweitern die Anbieter automatischer Kleinteilelager ihre Bandbreite an Shuttlelösungen mit hochdynamischen Arbeitsplätzen: Sie erstreckt sich von der Einebenen- bis hin zur Mehrebenen-Lösung für das Handling von Tablaren, Kartons oder Behältern. Sie können teils sogar verschieden große und bis zu 50 Kilogramm schwere Ladungsträger handhaben und in Tiefkühlumgebungen oder bei bis zu 45 Grad Celsius Hitze arbeiten. Durch den variablen Einsatz integrierter Heber und Shuttles lässt sich die Systemleistung nachträglich anpassen. Auch ein Highlight der LogiMAT: Neuheiten im Bereich der Hängefördertechnik für E-Commerce-Händler sind bei mehreren Anbietern zu sehen, etwa Dematic, SSI Schäfer und TGW. Die Systeme fördern, puffern, sortieren und sequenzieren bis zu fünf Kilogramm schwere Artikel als Hängeware oder in Taschen. So lassen sich unterschiedlichste Güter und Prozesse, wie die Auftrags- und Retourenabwicklung oder die Kommissionierung, in einem System abwickeln. Robotik in der Kommissionierung Dabei haben die Hersteller jetzt auch die automatische Taschenbe- und -entladung realisiert und damit bestehende Automatisierungslücken geschlossen. Ein Gebiet, in dem der Einsatz von Robotik zunehmend forciert wird, ist die Kommissionierung. Die Gründe dafür liegen in Markttrends wie der Omnichannel-Distribution, Losgröße 1, immer kürzeren Auftragsdurchlaufzeiten und Lieferzyklen sowie der Handhabung einer ständig größer werdenden Sortimentsvielfalt. Für die Kommissionierung bedeutet das eine Veränderung vom case-basierten Picking hin zur Einzelstückkommissionierung. Auf der LogiMAT zeigen mehrere Hersteller bereits hochleistungsfähige Piece-Pick-Roboter, die nahtlos in logistische Gesamtsysteme integrierbar sind. Denn die Kunst liegt darin, die verschiedenen Lagersysteme so miteinander zu verbinden, dass sie perfekt aufeinander abgestimmt sind. Dabei spielt das übergeordnete Materialflusssystem mit einem integrierten Warehouse-Management-System (WMS) eine entscheidende Rolle. Ein intelligentes WMS hilft dabei, nicht nur das tagtägliche Auftragsvolumen abzuarbeiten, sondern auch Daten über längere Zeiträume zu analysieren. So lassen sich Trends oder Engpässe erkennen und Maßnahmen erarbeiten. Flexible WMS und schlaue Dashboards Moderne WMS decken das gesamte Spektrum des Lagerbetriebs ab - von manuellen über halbautomatisierte bis hin zu voll automatisierten Anlagen. Lagerbetreiber sollten bei der Auswahl darauf achten, dass auch Subsysteme, wie Roboter, angebunden werden können. Sogenannte Asset Performance Management (APM)-Lösungen vernetzen Daten mit Auftragsabwicklung, Lagerbetrieb, -wartung und -analyse miteinander und stellen verwertbare Informationen in Echtzeit-Analysen und -Visualisierungen oder gegebenenfalls auch Warnungen über ein Dashboard bereit. So können Anwender datengesteuert Entscheidungen treffen, Störungen vermeiden sowie die Effizienz der gesamten Lagerlogistik heben. Damit zeigt die LogiMAT nicht nur neue Systeme, sondern auch Instrumente, um bestehende Anlagen für die Zukunft zu rüsten.