Die Attacken nehmen zu

Drogenhändler dringen mithilfe von Hackern in die Computersysteme von zwei Unternehmen im Hafen von Antwerpen ein und stehlen Container, in denen sie Kokain schmuggeln, bevor die Eigentümer ihre legale Fracht abholen können. Andere Tastentäter manipulieren Sensoren, die dem Kontrollsystem einer Firma vortäuschen, alles sei in Ordnung, während Banden deren Lagerhallen ausräumen. Die Fälle von Cyberkriminalität nehmen ständig zu - egal, ob es um gezielte Angriffe auf ein Netzwerk oder die massenhafte Verbreitung von Schadsoftware geht. Das berichtete Jewgeni Kaspersky, Chef der gleichnamigen IT-Sicherheitsfirma, Ende Januar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Finden Computerkriminelle eine Schwachstelle im IT-System, können sie ganze Unternehmen lahmlegen und sensible Kundendaten oder Geschäftsgeheimnisse stehlen. Oft klickt ein Mitarbeiter auf eine infizierte E-Mail und öffnet so dem Angreifer die Tür zum Firmennetzwerk. Jedes zweite deutsche Unternehmen ist bereits Opfer von digitaler Wirtschaftsspionage, Sabotage oder Datendiebstahl geworden, ermittelte der Digitalverband Bitkom vergangenes Jahr. 75 Prozent der Befragten berichteten von regelmäßigen Attacken auf ihre IT-Systeme. Den Gesamtschaden für unsere Wirtschaft schätzt Bitkom auf 51 Milliarden Euro im Jahr - Tendenz steigend. Auch Spediteure sind bedroht Auch die Transport- und Logistikbranche eigne sich als Einfallstor, sagt Marc Fliehe, Bereichsleiter Sicherheit bei Bitkom. Spediteure stehen im permanenten Datenaustausch mit Dritten. Zu den Auftraggebern zählen oft große Unternehmen, die sie zur Geheimhaltung verpflichten. "Mit einem Angriff auf ihre Systeme können Kriminelle Waren- oder Zahlungsströme umleiten und gezielt Wirtschaftsspionage betreiben", erklärt Michael Dutz, Leiter des Competence Centers IT/Cyber des Versicherungsmaklers Schunck. Der IT-Schutz der Betriebe halte aber nicht mit dem Tempo der Digitalisierung Schritt. Kein Wunder: Die Methoden der Angreifer werden immer gewiefter. "Viele Attacken bleiben sogar lange Zeit unbemerkt, was hohe Kosten für die Unternehmen zur Folge hat", sagt Sicherheitsexperte Fliehe. Etwa, wenn die Kunden Schadensersatz fordern wegen Umsatzverlusten, Vertraulichkeits- und Datenschutzverletzungen. Zum Teil drohen Vertragsstrafen und Bußgelder. Zudem steht das eigene Unternehmen durch den IT-Crash still, vom Imageschaden ganz zu schweigen. Daten müssen dann wiederhergestellt, Dritte über den Angriff auf die IT und das Ausmaß der Panne informiert werden. Betroffene brauchen IT-Forensiker, die den Vorfall aufklären, das System von Viren und anderen Schädlingen befreien und die Sicherheitslücke schließen. Versicherung übernimmt Folgekosten Die gute Nachricht: Diese Folgekosten lassen sich versichern. Industrielösungen genügen dafür in der Regel aber nicht. Die Betriebsunterbrechungsversicherung zahlt nicht, wenn Lkw stillstehen, weil das Dispositionssystem durch einen Virus lahmgelegt worden ist und der Spediteur nicht mehr auf Touren- und Lieferdaten zugreifen kann. Macht ein Verlader Produktionsausfälle geltend, weil Teile nicht rechtzeitig ankommen, bleibt der Transport- und Logistikdienstleister ebenfalls auf den Kosten sitzen. Cyber-Policen decken solche Schäden ab, die sich aus einer Verletzung der Informationssicherheit ergeben, sei es durch einen fahrlässig herbeigeführten Datenverlust durch Mitarbeiter oder einen gezielten Hackerangriff. Alle Assekuranzen bieten zwei Bausteine an: eine Eigenschadenversicherung und eine Haftpflichtversicherung, die Schäden von Kunden und Geschäftspartnern abdeckt. Zahlreiche Angebote am Markt Über 15 Gesellschaften werben in dem noch jungen Markt um Kunden, darunter neben dem Pionier Hiscox bekannte Namen wie AIG, Allianz, AXA, HDI, Talanx, XL und Zurich. Auch der Makler Schunck bietet in Kooperation mit zwei Versicherern eine Cyber-Produktfamilie an. Die Deckungssummen beginnen in der Light- und Komfort-Version bei einer halben Million und gehen bis zu fünf Millionen Euro und mehr in der Premium-Variante. Entsprechend weit ist die Prämienspanne. Je nach Umsatzgröße, Deckungskonzept, individuellem Risiko und Höhe des Selbstbehalts kostet der Schutz zwischen 600 bei Kleinbetrieben und rund 10.000 Euro im Jahr bei Unternehmen bis 100 Millionen Euro Umsatz. "Ein Basisschutz mit ein paar Hunderttausend Euro Deckung ist für drei- bis fünftausend Euro im Jahr zu haben, höhere Deckungssummen von zehn bis 15 Millionen Euro liegen schnell im fünfstelligen Bereich", weiß Peter Skalicky, Leiter der Sparten Sachund Haftpflichtversicherung beim Makler Aktiv Assekuranz. "Bei den Prämien gibt es noch riesige Unterschiede, weil die Schadenserfahrung fehlt." Die Allianz bietet mit 100 Millionen Euro derzeit die höchste Deckung, allerdings nur für Großunternehmen ab 100 Millionen Umsatz. "Oft sind neben dem Basisschutz für Eigen- und Fremdschäden auch die Kosten für die IT-Forensik mitversichert", erklärt Skalicky. Die Anbieter arbeiten mit IT-Experten zusammen, die mitunter schon im Verdachtsfall die Systeme prüfen. Bestätigt sich die Cyber-Attacke, stellen sie fest, welche Sicherheitslücken genutzt und welche Daten ausgespäht oder manipuliert wurden. Sie bringen die EDV wieder in Gang, retten und sichern Daten. Einige Policen, wie die von Hiscox oder Schunck, decken auch die Kosten ab, um die IT-Systeme zu bereinigen und in puncto Sicherheit auf den neuesten Stand zu bringen. Darüber hinaus lassen sich Leistungen einschließen, die Unternehmen helfen, im Krisenfall schnell zu reagieren und Reputationsschäden zu begrenzen: Dazu gehört die Unterstützung durch Rechtsanwälte, PR-Fachleute und IT-Berater. Vertragsstrafen wegen der Verletzung von Geheimhaltungspflichten müssen oft zusätzlich abgesichert werden. Bei manchen Versicherern ist der Ertragsausfall infolge einer Betriebsstörung im Standardschutz enthalten, bei anderen ist dies ein separater Leistungsbaustein. Vergleich ist für Laien schwierig Ein Versicherungsvergleich ist für den Laien nahezu unmöglich. Die Assekuranzen verwenden bisweilen verschiedene Begriffe für denselben Service und definieren sehr unterschiedlich, was ein Versicherungsfall ist. "Manche erstatten nur Schäden, die auf einen zielgerichteten Angriff Dritter zurückzuführen sind, nicht aber Massenangriffe durch Viren oder Schadsoftware, die jeden treffen können", weiß Dutz. Unternehmer sollten deshalb einen Fachmann an Bord holen. Versicherungsmakler prüfen das jeweilige IT-Risiko und helfen, den Schutz individuell anzupassen. Standarddeckungen kommen lediglich für kleinere Betriebe infrage, deren Prozesse und Gefährdung überschaubar sind. Für Mittelständler, die viele Kunden haben und mit wertvollen Gütern hantieren, ist es oft heute schon sinnvoll, die IT zu schützen. Dabei gilt die Binsenweisheit: Wer mit fünf Lkw normales Stückgut fährt, braucht eine solche Police weniger als ein Dienstleister, der regelmäßig Pharmaprodukte fährt oder für die Automobilbranche arbeitet. Dutz von Schunck ist sich sicher: Künftig fordern mehr Auftraggeber vertraglich die Absicherung gegen Cyberkriminalität. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Versicherungen www.verkehrsrundschau.de/dossiers Risikoanalyse Diese Fragen sollten Sie sich beim Schutz der IT stellen - Welche Abläufe werden IT- oder internetgestützt abgewickelt (Lkw-Disposition, Lagerhaltung, Online-Services, Zahlungsverkehr)?- Welche Bereiche sind besonders sensibel und müssen geschützt werden?- Verwaltet Ihr Betrieb sensible Daten (Kunden- und Zahlungsdaten, Geschäftsgeheimnisse, geistiges Eigentum)?- Sind Sie an das Warenwirtschaftssystem Ihres Kunden angebunden oder haben Geschäftspartner Zugriff von außen auf Ihr IT-System?- Verfügen Sie über ein IT-Sicherheitskonzept, das auch Mobilgeräte einschließt?- Haben Sie Ihre Mitarbeiter im sicheren Umgang mit der IT geschult und auf Online-Gefahren aufmerksam gemacht?- Welche Folgen hätte ein IT-Ausfall, Datenverlust oder eine -manipulation für den Betrieb?- Wie hoch wären die Ertragsausfälle durch eine Betriebsunterbrechung und mögliche Schadensersatzforderungen von Kunden - etwa bei Lieferproblemen? sah

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