DHL Freight: Wachstum um jeden Preis?

Herr Diallo, Sie sind seit 2011 CEO von DHL Freight und Mitglied des DHL Global Forwarding, Freight Management Boards. Mit Bernhard Wirth gibt es den dritten DHL-Freight-Deutschland-Chef innerhalb von vier Jahren. Wird in anderen Landesorganisationen der Landeschef auch so häufig ausgewechselt wie in Deutschland? Amadou Diallo: Aufgabe des Managements ist es nicht nur, Organisationsstrukturen festzulegen, sondern diese auch weiterzuentwickeln. Meine Aufgabe als CEO von DHL Freight ist es, unsere Organisation erfolgreich zu machen und unsere Kunden und Mitarbeiter zufriedenzustellen. Dazu kommt, dass der deutsche Markt stärker im Wettbewerb steht als andere europäische Länder. Mit Bernhard Wirth, der seit diesem Februar als CEO das Deutschland-Geschäft von DHL Freight führt, haben wir für diese Herausforderungen nun den richtigen Mann an der richtigen Stelle. Welche Ziele haben Sie ihm in seiner neuen Position gesetzt? Diallo: Der Beitrag von Bernhard Wirth und mir ist es, dafür zu sorgen, dass unsere Kunden den besten Service bekommen. Dafür benötigen wir gute und zufriedene Mitarbeiter - angefangen bei den Reinigungskräften über die Stapler- und Lkw-Fahrer bis hin zum Management - alle sind wichtig für eine reibungslos funktionierende Organisation. Und wie sehen Sie Ihre neue Rolle als Deutschland-Chef von DHL-Freight? Bernhard Wirth: Das lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Wir wollen der beste Dienstleister für Straßentransporte in Deutschland und Europa sein. Das ist der Rahmen - mit allen dazugehörenden Wachstums- und Ergebniszielen. Wie unabhängig können Sie als Deutschland-Chef von DHL Freight überhaupt entscheiden? Über Ihnen sitzt ja mit Amadou Diallo ein CEO für DHL Freight, der wiederum an den Vorstand von DHL Global Forwarding, Freight berichten muss. Wirth: Bei DHL Freight haben wir das notwendige Maß an unternehmerischer Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit. In einer Mittelstandsfirma setzen oft die Banken den Rahmen, im Konzern ist es der Vorstand. Welche Vorteile hat DHL Freight durch die Nähe zu Deutsche Post DHL? Welche Synergien haben Sie dadurch, die ein mittelständischer Transportbetrieb nicht hat? Diallo: DHL Freight ist ein Bestandteil des Konzerns und ein Bestandteil der Marke DHL. Diese Marke ist durch ihre internationalen Standorte weltweit präsent. Von Vorteil für uns ist dabei, dass Deutschland bekanntlich eine der führenden Exportnationen ist. Die Produkte, die hier hergestellt werden, müssen weltweit verteilt werden und diese vertraut man gerne einer weltbekannten Marke an. Dafür bietet DHL Freight eine gute Plattform - im Zusammenspiel mit den Aktivitäten unserer Express-, Paket- und Supply Chain-Organisationen. Gemeinsam können wir unseren Kunden bei Bedarf sogar eine Komplettlösung bieten. Aber mal ehrlich: So richtig gut passt DHL Freight nicht zum Post-Konzern. Vom Mitarbeiter-Verständnis sehen sich die meisten Ihrer Kollegen doch eher als Nedlloydoder Danzas-Mitarbeiter. Wäre es da nicht sinnvoller, den Bereich ganz auszulagern und selbstständig zu positionieren? Wirth: Diese Sichtweise gab es vielleicht ganz zu Anfang der Integration. Heute ist das nicht mehr so. Auch deshalb, weil unsere Mitarbeiter immer stärker mit unseren Schwester-Gesellschaften im Konzern operativ zusammenarbeiten. So betreibt DHL Freight das Line-Haul-Netz von DHL Paket. Um wie viel Prozent sind der Umsatz und die Tonnage von DHL Freight in Deutschland im ersten Halbjahr 2015 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen? Und wie viel Umsatz hat DHL Freight in Deutschland gemacht? Diallo: DHL Freight und DHL Global Forwarding (in der das See- und Luftfrachtgeschäft des Konzerns gebündelt sind; Anmerkung der Redaktion) werden als ein gemeinsamer Unternehmensbereich bilanziert. Für DHL Freight Deutschland weisen wir öffentlich keine Umsatzzahlen aus. Was ich sagen kann: Die Tonnage wächst in diesem Jahr im ganzen Freight-Geschäft. Das liegt nicht nur an unserer Markenstärke, sondern daran, dass wir mit unserem Active-Tracing-Tool und unserem Eurapid-Produkt eine Qualität und einen Service erbringen, die unsere Wettbewerber nicht bieten. Klingt gut, aber schlägt sich dieser Erfolg auch in den Ebit-Zahlen nieder? DHL Global Forwarding, Freight hat in diesem Halbjahr zwar 5,7 Prozent mehr Umsatz als im Vorjahreszeitraum gemacht, gleichzeitig sind Ihr operativer Gewinn und Ihre Ebit-Marge dramatisch gesunken. Diallo: Dies geht vor allem auf ein schwaches Marktumfeld, laufende Transformationskosten bei DHL Global Forwarding und den branchenweit anhaltenden Margendruck zurück. Schreibt DHL Freight in Deutschland rote Zahlen? Und wie sieht es mit DHL Freight gesamt aus? Diallo: DHL Freight schreibt sowohl in Deutschland als auch in Europa schwarze Zahlen. Woran liegt es, dass sich die großen Speditionskonzerne mit dem Landverkehr so schwer tun und in diesem Segment so niedrige Ebit-Margen erwirtschaften? Diallo: Die großen Speditionskonzerne sind durchaus in der Lage, im Stückgutgeschäft in Deutschland Geld zu verdienen. Es gibt aber verschiedene Kennzahlen, an denen man Erfolg messen kann, wie Ebit, Cashflow oder Gesamtkapital-Rentabilität. Wenn man rein Ebit-orientiert ist, kann man das Ebit steigern, indem man alles als Fixkosten ansetzt. Dann hat man zwar ein hohes Ebit, aber keine gute Gesamtkapital-Rentabilität. Wir sind hingegen eine "Asset-light"-Organisation. Für uns ist es daher wichtiger, mehr Cashflow und eine entsprechende Gesamtkapital-Rentabilität zu erzielen. Wir messen unseren Erfolg nach diesen Kennzahlen und daraus ergibt sich für uns ein gutes Bild. Wie wirkt sich der deutsche Mindestlohn auf Ihr Ergebnis aus? DHL Freight setzt ja stark auf ausländische Frachtführer, die dürften damit deutlich teurer sein. Wirth: Wir arbeiten in Deutschland mit 4000 Frachtführern. Davon sind rund die Hälfte internationale Betriebe. Der deutsche Mindestlohn hat sich insbesondere im Nahverkehr in bestimmten Regionen ausgewirkt. Natürlich haben wir in Deutschland alle Vorgaben gesetzkonform umgesetzt. Die Frage, die noch offen ist, lautet: Wie steht es um das Thema Mindestlohn im internationalen Güterverkehr? Hier ist der Gesetzgeber gegebenenfalls nochmals gefragt. Besonders in Kombination mit dem administrativen Aufwand ist der Mindestlohn eine Herausforderung für unsere Industrie. Das spiegelt sich in unseren Kosten wider. Gemeinsam mit der Mautausweitung zum 1. Oktober 2015 wird sich das in einer vernünftigen Preiserhöhung niederschlagen. Was heißt "vernünftig"? Wirth: In der Gesamterhöhung sind es in Deutschland über sechs Prozent. Werden Sie diese Preiserhöhung an Ihre Frachtführer durchreichen? Wirth: Wie gesagt, wir reagieren wir mit dieser Preiserhöhung auf unsere steigenden Netzwerkkosten, in denen auch die Aufwendungen für unsere Frachtführer enthalten sind. Wie wollen Sie die Profitabilität von DHL Freight weiter steigern? Diallo: DHL Freight hat, wie Sie wissen, vor zwei Jahren das Stückgut-Produkt Eurapid eingeführt. Um dieses Produkt umzusetzen, mussten wir die Prozesse an unseren Standorten standardisieren, die Eurapid anbieten. Außerdem haben wir an diesen Standorten ein Monitoring-System eingeführt, damit wir die Qualität unserer Leistung täglich bis um zehn Uhr nachvollziehen können. In der Startphase lief Eurapid zunächst über 25 Hauptknotenpunkte, mittlerweile sind es über 100. Dadurch haben wir nicht nur unsere Leistungsqualität gesteigert, sondern auch die Produktivität in unseren Prozessen. Eine weitere Maßnahme ist, dass wir im Teilund Komplettladungssegment im Nahverkehr unseren Lieferscan bis Ende nächsten Jahres europaweit vereinheitlichen werden. Das hilft uns unsere Prozesse weiter zu optimieren, zum anderen bieten wir damit europaweit wohl als einziger Anbieter ein einheitliches Tracking & Tracing im Teil- und Komplettladungssegment. Und in welchen Bereichen sehen Sie in Deutschland noch Optimierungspotenzial? Wirth: Als Deutschland-Organisation sind wir in das übergeordnete DHL-Freight-Programm eingebunden und werden daher die gleichen Ziele umsetzen wie unsere Kollegen in anderen Ländern. Deutschland ist aber der umsatzstärkste Markt und das Drehkreuz von DHL Freight. Unsere Organisation lebt also davon, dass Deutschland unternehmensweite Lösungen mitentwickelt und als Taktgeber einführt. Unabhängig davon überprüfen wir kontinuierlich unsere eigene Netzstruktur in Deutschland, was zum Beispiel die Zahl und Auswahl unserer Standorte betrifft. Ein weiterer Fokus besteht darauf, von Deutschland aus das Wachstum im internationalen Teil- und Komplettladungsmarkt zu treiben. Auf welchen Relationen suchen Sie dafür noch Frachtführer? Wirth: Da wir wachsen, sind wir generell immer auf der Suche nach qualifizierten Transportpartnern. Internationale Schwerpunkte dabei sind, neben den Kernmärkten Frankreich und Großbritannien, die wachsenden Märkte in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Wie leicht ist es überhaupt derzeit, qualifizierte Frachtführer zu finden? Wirth: Das ist in der Tat nicht trivial. Unser Ansatz ist es, dass wir auf das Thema "Transportpartner" den gleichen Fokus legen wie auf die "Kundenbindung". Unser Ziel ist es, unsere Frachtführer wie unsere Mitarbeiter zu behandeln. Die Arbeitsbedingungen der Fahrer unserer Nahverkehrsunternehmer haben für uns den gleichen Stellenwert wie die unserer eigenen Mitarbeiter. Sie setzen, wie Sie sagen, 4000 Frachtführer ein. Das dürfte Ihre Komplexität und Ihre Kosten deutlich treiben. Für wie sinnvoll erachten Sie es vor diesem Hintergrund, die Zahl Ihrer Partner zu reduzieren? Wirth: Wir streben eine überschaubare Anzahl von Transportpartnern an, ohne dies an einer konkreten Zahl festzumachen. Unser Ziel ist es, Partner zu haben, die eine sinnvolle Größe haben. Wir suchen weniger die Selbstfahrer, sondern im Nahverkehr Betriebe mit über zehn Fahrzeugen. Und im Fernverkehr gibt es zwei Größenordnungen, die aus unserer Sicht effizient funktionieren. Das sind einerseits die Betriebe mit bis zu 50 Fahrzeugen, weil diese mit relativ wenig Overhead-Aufwand agieren können, und andererseits die Firmen mit über 500 Fahrzeugen, da diese aufgrund ihrer Größe Kostenvorteile erzielen. Die Größenordnungen, die sich dazwischen bewegen, haben Wettbewerbsnachteile, weil diese Betriebe eine eigene Infrastruktur wie einen eigenen Vertriebs- und Werkstattleiter benötigen. Das drückt auf deren Kosten und macht es uns schwer, sie in unser System zu integrieren. Welches Umsatz-Wachstumsziel hat sich DHL Freight für 2015 gesetzt? Diallo: Wir gehen davon aus, dass wir unsere Ziele erreichen. Das prozentuale Umsatzwachstum ist für uns aber nicht die maßgebliche Kennziffer. Diese Größe hängt davon ab, wie viel wir verkaufen, wie viele Kunden wir behalten, wie sich der Markt entwickelt und wie sich die Währungseffekte entwickeln. Entscheidend ist vielmehr, wie viele Kunden wir gewinnen. In dieser Hinsicht haben wir intern klare Ziele definiert. Wir haben uns zudem das Ziel gesetzt, durch innovative Lösungen in bestimmten Branchen zu wachsen, etwa in der Automobilindustrie. Da sehen wir gerade mit chinesischen Firmen, die in Deutschland und/oder Europa investieren wollen, noch Potenzial. Wachstumspotenziale sehen wir in Europa zudem in Griechenland und in Großbritannien. Ein interessanter Markt ist für uns auch die Pharmabranche, für die wir soeben ein neues Stückgutprodukt aufgelegt haben. Hält das Wirtschaftswachstum in 2016 an oder stellen Sie sich auf eine Abkühlung der Konjunktur ein? Diallo: Für eine Einschätzung in 2016 ist es zu früh. Für die zweite Jahreshälfte 2015 gehen wir aber davon aus, dass sich die Entwicklung unseres Geschäfts der ersten sechs Monate fortsetzen wird. Im ersten Halbjahr sind wir gerade in eher "schwierigen" Ländern wie Italien, Spanien und Griechenland stark gewachsen. Wachstumspotenzial sehen wir aber auch in Frankreich, Deutschland und Schweden, in denen wir sportliche Ambitionen haben. Gerade weil wir Kunden im Zusammenspiel mit anderen DHL- Einheiten innovative Lösungen offerieren können. Wirth: In Deutschland gehen wir ebenfalls von einem regen Herbstgeschäft aus. Wir erleben jetzt schon, dass der Laderaum knapp wird. Deshalb werden wir im Herbst eine Transportmarktzulage erheben, die in diesem Jahr substanziell über dem Vorjahr liegen wird. Konkret wird sie bei 1,50 Euro für Stückgüter, 2,50 Euro für Teilladungen und 5,00 Euro für Komplettladungen liegen. Ihre Wettbewerber wie Geodis und XPO rüsten sich momentan massiv für den US-Logistikmarkt und kaufen kräftig zu. Was plant DHL Freight? Diallo: Zukäufe sind für uns aktuell kein Thema. Unser Ziel ist es, organisch zu wachsen. Fast alle Stückgutnetze und -verbünde bieten inzwischen im Stückgut ein B2C-Produkt. Nur DHL Freight zögert noch ... Diallo: Das stimmt so nicht. Aktuell haben wir in Schweden die zwei neuen Produkte "Home Delivery" und "Home Delivery Plus" eingeführt, für die wir standardisierte Prozesse in unserem Stückgutnetz definiert haben, um Waren zu definierten Zeitfenstern, unter anderem auch nach Feierabend, zuzustellen. Das sind zwei Produkte, die wir europaweit ausrollen werden, auch in Deutschland. Das wird aber nicht mehr in diesem Jahr sein. Vita Amadou DialloAmadou Diallo ist seit 2011 Chief Executive Officer (CEO) von DHL Freight und Mitglied des DHL Global Forwarding, Freight Management Boards. Diallo arbeitet in Bonn und ist für die Ergebnisse und langfristige strategische Entwicklung des Geschäftsbereichs verantwortlich. Zuvor war er Chief Executive Officer Africa and South Asia Pacific für DHL Global Forwarding sowie jahrelang in der Tourismus- und Bankenbranche tätig. ehBernhard WirthBernhard Wirth ist seit Februar 2015 CEO von DHL Freight Deutschland. Wirth startete seine Karriere in der internationalen Verkehrsentwicklung und Dispositionsleitung in internationalen Speditionen. Danach war er unter anderem Niederlassungsleiter von TNT Logistik, Geschäftsleiter Operations bei Deutsche Post Transport, Geschäftsführer von TX Logistik sowie zuletzt Operationschef von DHL Freight. eh DHL Freight Im Landverkehr in 40 Ländern unterwegs DHL Freight umfasst die Landverkehrsaktivitäten von Deutsche Post DHL. Das Netzwerk umfasst nach Angaben des Bonner Logistikkonzerns 208 Terminal in über 40 Ländern und Territorien in Europa, GUS, dem Nahen Osten, Nordafrika und den USA. DHL Freight beförderte 2014 nach eigenen Angaben über 43 Millionen Sendungen und mehr als 44 Millionen Tonnen. 2014 erwirtschafteten 13.000 Mitarbeiter insgesamt einen Umsatz von 4,18 Milliarden Euro. eh

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