Hamburg. Das Minus der Fluggesellschaften wächst stündlich um Millionen Euro, Entscheider stellen die unbedingte Sicherheit ins Zentrum - der Streit zwischen Unternehmen und Politik um Flugverbote wegen der Vulkanasche spitzt sich zu. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) entschied am Montag, die Flughäfen bis mindestens 2 Uhr in der Nacht zum Dienstag geschlossen zu halten. Vulkanasche hatte zuvor einen NATO-Kampfjet bei einem Testflug über Europa beschädigt. Die Maschine landete am Wochenende mit Glas im Triebwerk, sagte ein hoher US-Beamter am Montag in Brüssel. Unterdessen hingen noch rund 100.000 deutsche Pauschaltouristen im Ausland fest, teilte das Außenministerium mit. Mit Spannung wird der erste deutsche wissenschaftliche Messflug erwartet: Am Nachmittag gegen 16:00 Uhr soll das Spezialflugzeug in Oberpfaffenhofen bei München Richtung Aschewolke starten. Der Flug soll Daten etwa zum Ausmaß der Wolke und zur Dichte der Partikel liefern. „Wir hoffen, dass wir dann eine bessere Basis haben, auf der wir Entscheidungen treffen können“, sagte DFS- Sprecher Axel Raab im „Morgenmagazin“ des ZDF. Gefährliche Vulkanaerosole bestätigt Forscher der Eigenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich bestätigten nach Messungen mit Wetterballons, Lasern und Messflugzeugen, dass die Aschewolke über Europa tatsächlich die für Flugzeuge gefährlichen Vulkanaerosole enthält. „Wir konnten in einer Höhe zwischen vier und fünf Kilometern eine besonders hohen Anteil an Vulkanaerosolen feststellen“, sagte ETH-Professor Thomas Peter. Sie gelten als gefährlich für Flugzeuge, da sie in der Hitze der Triebwerke schmelzen und zu Glasablagerungen führen können. In den vergangenen Tagen hatten Fluggesellschaften wie Lufthansa und Air Berlin kritisiert, die Flugverbote basierten lediglich auf Daten eines Computermodells der Vulkan-Zentrale in Großbritannien, es fehle an Messungen. Er könne die Kritik nachvollziehen, sagte Raab. Es habe aber einfach an den nötigen Messgeräten gemangelt. Eine solche Situation habe es in Deutschland ja noch nie gegeben. Die Testflüge der Unternehmen nützten der Flugsicherung nichts, meinte der DFS-Sprecher. Die Beurteilung der Sicherheit sei Aufgabe der DSF - „und das kann uns keiner abnehmen“. Im französischen Toulouse sollte am Nachmittag ein mit Messgeräten ausgestatteter Airbus A380 zu einem rund vierstündigen Testflug abheben. Mit den Ergebnissen wurde für Dienstag gerechnet. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestages, Winfried Hermann (Bündnis 90/Grüne), kritisierte das Verhalten der Konzerne: „Ich bin entsetzt über die Art und Weise, wie die Fluggesellschaften im Moment agieren.“ Auch sie müssten ein Interesse daran haben, dass die Sicherheitsfrage geklärt ist. Da reiche es nicht, einen Piloten hochfliegen zu lassen und sich nachher seinen Bericht anzuhören. Wirtschaftliche Lage „schlechter Ratgeber“ Die wirtschaftlich schwierige Lage der Gesellschaften sei „ein schlechter Ratgeber“ für Sicherheitsentscheidungen, betonte Hermann. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte im Deutschlandfunk: „Es wäre beinahe zynisch und mit mir politisch nicht machbar, Umsatzeinbrüche gegenzurechnen mit irgendeinem nicht vertretbaren Risiko für Leib und Leben von Passagieren.“ Rund 150 Millionen Euro verlieren die Fluggesellschaften derzeit nach Angaben der Internationalen Luftfahrtvereinigung IATA wegen der Flugverbote täglich. Hinzu kämen Ausgaben etwa für die Entschädigung von Passagieren und für die Verlegung leerer Flugzeuge. Die Zahl der Flugverbote ging in der Nacht zum Montag zeitweise zurück. Nach Angaben der europäischen Luftsicherheitsbehörde Eurocontrol in Brüssel war der Luftraum vor allem im Süden am Mittelmeer und in großen Teilen Skandinaviens zumindest zeitweise wieder frei. Am Sonntag hatte sich die Sperrung teils von Mallorca bis Nordnorwegen und von Irland bis zur Türkei erstreckt. Dennoch rechnete Eurocontrol für Montag nur mit einer leichten Entspannung. Etwa 70 Prozent der sonst gut 28.000 Flüge sollten ausfallen - am Sonntag waren es noch knapp 80 Prozent. Die EU-Kommission kündigte an, staatliche Hilfen für notleidende Fluggesellschaften erleichtern zu wollen. Staatliche Finanzspritzen für die Unternehmen sollten erleichtert werden. „Wir sind bereit, ähnlich zu reagieren wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001“, sagte EU- Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Gute Nachrichten aus Island Gute Nachrichten kamen aus Island: Der Vulkan am Eyjafjalla-Gletscher stoße zunehmend mehr Lava als Asche aus, sagte ein Sprecher des Meteorologischen Institutes in Reykjavik. „Das sind gute Nachrichten für Flugreisende in Europa.“ Auch die viel geringere Höhe der Rauchsäule mit Vulkanasche zeige eine Veränderung des Ausbruchs an. „Dadurch kann nur sehr viel weniger Asche auf den europäischen Kontinent gelangen.“ Zuvor war die Säule bis zu elf Kilometern hoch gelangt. Eine stabile Nordwestströmung lässt nach Prognose des Deutschen Wetterdienstes (DWD) allerdings auch in den kommenden Tagen Luft aus Island Richtung Zentraleuropa strömen.
Deutsche Flugsicherung verlängert Luftraumsperrung
Flughäfen bis Dienstag, 2:00 Uhr geschlossen / Wirtschaftlicher Schaden wächst stündlich um Millionen / EU will Wirtschaft helfen