Deutsche Entzweitheit

Wer aus Ostdeutschland kommt und sechzig Jahre alt ist, der hat etwa zu gleichen Teilen in der DDR und im vereinten Deutschland gelebt. Und obwohl die deutsche Einheit jetzt schon 28 Jahre her ist, sind die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den neuen und den alten Bundesländern weiterhin spürbar. Wie groß die Diskrepanzen im vergangenen Jahr waren, stellte die Bundesregierung kürzlich im Jahresbericht zur deutschen Einheit vor. Das Fazit des Beauftragten für die neuen Bundesländer Christian Hirte (CDU): "Wir haben mehr Grund zum Stolz als zum Verdruss." Lohnniveau "Niedrigere Produktivität und fehlende Spitzengehälter" im Osten schlagen sich weiterhin auf das Lohnniveau nieder. 2017 betrug der durchschnittliche Bruttoverdienst eines ostdeutschen Vollzeitbeschäftigten mit 2690 Euro rund 81 Prozent des durchschnittlichen Bruttoverdienstes eines westdeutschen Vollzeitbeschäftigten. Das liege vor allem an der Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft und am Mangel an Konzernzentralen. So sei kein einziges ostdeutsches Unternehmen im Börsenleitindex DAX-30 notiert, heißt es in dem Bericht. Besser verhalten sich die Tariflöhne. Diese liegen im Osten mittlerweile bei 98 Prozent des Westniveaus. Etwa 70 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten erhalten eine Bezahlung nach Tarifvertrag oder eine daran orientierte Entlohnung. Vorreiter sind die Ostdeutschen, was die Gleichheit der Löhne zwischen Frauen und Männern angeht: In Westdeutschland betrug der allgemeine Verdienstunterschied im Jahr 2017 22 Prozent, während er in Ostdeutschland bei nur 7 Prozent lag. Dieser Unterschied von 15 Prozentpunkten sei auf das unterschiedliche Erwerbsund Berufswahlverhalten von Frauen in den neuen Ländern sowie in unterschiedlichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktstrukturen zurückzuführen, heißt es. Arbeitsmarkt Im zwölften Jahr in Folge ist die Arbeitslosenquote im Osten gesunken. Betrug die Differenz der Arbeitslosenquote zum Westen Anfang der 2000er-Jahre noch mehr als 10 Prozentpunkte, sind es 2017 nur noch 2,3 Prozentpunkte. Schlechter sieht es bei der Suche nach passenden Arbeitskräften aus. Die Zunahme an Fachkräfteengpässen sei dem Bericht zufolge im Osten am größten. Besonders Thüringen sei mit einer Engpassquote von 81 Prozent im Jahr 2017 stark betroffen. Wirtschaftskraft "Die wirtschaftliche Lage ist besser als je zuvor", lobte Hirte. Die Wirtschaftsleistung habe sich seit der Wiedervereinigung mehr als verdoppelt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg 2017 real um 1,9 Prozent - das ist etwas schwächer als in Westdeutschland (+ 2,3 Prozent). Damit haben die ostdeutschen Länder eine Wirtschaftskraft, die mit vielen französischen und britischen Regionen vergleichbar sei. Mit Westdeutschland kann das BIP im Osten dennoch nicht mithalten, es erreicht nur 73,2 Prozent des westdeutschen Niveaus. Verkehrsinfrastruktur Der Bericht zur deutschen Einheit befasst sich nur in einem kurzen Teil mit den Verkehrsprojekten in den neuen Ländern. Das Kernstück der Investitionen seien die Verkehrsprojekte der deutschen Einheit (VDE). Dieses Programm umfasst neun Schienen- und sieben Autobahnprojekte sowie ein Projekt der Wasserstraße und hat ein Gesamtvolumen von knapp 42 Milliarden Euro. In die VDE sind dem Bericht zufolge bis Ende 2017 insgesamt 36,8 Milliarden Euro investiert worden. Neue Verkehrsprojekte BundesverkehrswegeplanIm August 2016 hat das Kabinett den Bundesverkehrswegeplan 2030 beschlossen. Er bildet die Basis für die Entwicklung und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur des Bundes und umfasst 270 Milliarden Euro Investitionsgelder. Die Mittel sollen sowohl in Straßen und Schienen als auch in Wasserwege fließen. Zwölf Prozent der Bundesfernstraßen-Projekte des vordringlichen Bedarfs sollen dem Deutsche-Einheits-Bericht zufolge in den neuen Bundesländern umgesetzt werden. So soll die Bundesautobahn A 10 vom AD Havelland bis zum AD Pankow fertiggestellt und die A 14 beziehungseise A 72 gebaut werden. Im Bereich Schiene sei die Umsetzung des Ostkorridors Nord (Uelzen-Stendal-Magdeburg-Halle) geplant. stm

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