Der Weg zur pünktlichen Bahn

Die Steigerung des Modal Splits von derzeit 18 auf 25 Prozent ist das Ziel der neuen Bahn-Strategie. Angesichts des Modal Splits seit 2010 zwischen 17 und 19 Prozent sagen die einen: mutig, die anderen: vollkommen illusorisch. Was sagen Sie? Das Ziel ist ehrgeizig, aber so müssen Ziele sein. Wann soll das Ziel "25 Prozent" erreicht werden? Da wir von Themen abhängig sind, die der gesamte Sektor lösen muss, lege ich mich auf keinen konkreten Zeitpunkt fest. Wie wollen Sie das Ziel erreichen? Wenn alle relevanten Parteien, also die Güterverkehrsunternehmen, die Infrastrukturbetreiber und die Politik zusammenarbeiten, ist es erreichbar. Dabei müssen alle davon überzeugt sein, dass mehr Güterverkehr auf der Schiene die beste Möglichkeit ist, die europäischen Ziele für die Reduktion der CO2-Emissionen zu erreichen. Für uns heißt es zunächst, dass wir unsere Hausaufgaben machen müssen: die Prozesse im eigenen Haus verbessern, die Digitalisierung konsequent einsetzen und damit letztlich verlässliche und pünktliche Transporte ermöglichen. Wie ist das Jahr bei DB Cargo angelaufen? Die Nachfrage nach Güterverkehren steigt. Das hat auch einen Grund, denn wie uns von mehreren Seiten bestätigt wird, hat sich die Qualität der Leistungen im Schienengüterverkehr seit Beginn des Jahres verbessert. Damit hätten Sie ja zumindest den Abwärtstrend aus dem Jahr 2018 mit einem Umsatzrückgang von 1,5 Prozent gestoppt. Die Rückmeldungen der Kunden interpretieren wir so, dass das Produkt besser wird. Es ist noch lange nicht perfekt, aber wir steigern uns. Jetzt streben wir ein Umsatzwachstum an. Da gibt es allerdings branchenspezifisch Unterschiede: Automobil, Stahl und Erz sind konjunkturell bedingt schwierige Branchen. In der Konsumgüterindustrie und im Handel läuft es hingegen besser. Davon profitieren die Intermodalverkehre. Zudem spüren wir, dass mehr und mehr das CO2-Thema an Relevanz gewinnt. Ein Dauerthema im Schienengüterverkehr ist die Pünktlichkeit. Bei der Pünktlichkeit sind wir in Deutschland in diesem Jahr in etwa auf Vorjahresniveau: im Kombinierten Verkehr etwas besser, in einigen Segmenten etwas schlechter. Europäisch konnten wir uns bei der Pünktlichkeit um 1 bis 1,5 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr steigern. Auf einigen Strecken, gerade bei den Ost-West-Verkehren, stehen wir bei den Pünktlichkeitswerten um 50 Prozent besser da als im Vorjahr. Aus der Branche gibt es die Bestätigung, dass die Züge pünktlicher unterwegs sind, aber noch lange nicht in der Qualität, wie sie notwendig wäre. Keine Frage, wir sind noch nicht gut genug. Aber ich möchte gerne zwei Dinge festhalten: Gibt es eine positive Veränderung? Ja, die ist zu beobachten. Ist das Niveau ausreichend? Nein, ist es nicht. Was wäre ein ausreichendes Niveau, eine Pünktlichkeit, mit der Sie leben könnten? Das ist für mich nicht die richtige Frage. Es kommt vielmehr darauf an, dass unsere Kunden zufrieden sind. Wir messen seit zwei Jahren jeden Monat in einer Stichprobe die Zufriedenheit unserer großen Kunden, bezogen auf die Relationen. Daraus können wir dann auch ablesen, wie verlässlich wir zum Beispiel hinsichtlich Zugausfällen sind, wie gut sich die Kunden informiert fühlen. Wir sind mit Stand Anfang Juni auf dem höchsten Niveau, seit wir diese Statistik erheben. Jetzt wollen wir mit unseren Kunden ihre spezifischen Probleme ansehen und mit ihnen Zielwerte und Leistungsversprechen vereinbaren. Ist es vorstellbar, dass DB Cargo wie im Personenverkehr entsprechende Abschläge zahlt, wenn die Züge ein gewisses Maß an Verspätung überschreiten? Einer solchen Regelung sind wir im Prinzip nicht abgeneigt. Aber: Wir möchten Pönalen nur für die Verspätungen zahlen, für die wir auch verantwortlich sind. Wenn zum Beispiel Züge die Trasse blockieren, die DB Cargo gebucht hat, können wir dafür nichts. Eine weitere Bedingung: Wenn so eine Regelung kommt, muss sie für alle auf dem Schienennetz gelten, auch für alle anderen Güterbahnen, die laut der Statistik deutlich unpünktlicher unterwegs sind. Aber: Wir stellen uns dem Thema Qualität aus voller Überzeugung. Ich kenne kein Unternehmen, das auf Dauer mit einem schlechten Produkt erfolgreich und profitabel ist. Was muss sich ändern, damit die Leistung besser wird? Wir können besser werden, wenn wir durch Europa mit einer durchgehenden Traktion fahren. Wir investieren daher in neue Vectron-Mehrsystem-Lokomotiven. 80 dieser Loks haben wir schon, 20 weitere sind unterwegs. Insgesamt verfügen wir heute schon über 350 interoperable Loks. Wenn wir früher zwei oder drei Lokwechsel vornehmen mussten, sind wir künftig mit einer einzigen Lok unterwegs. Das ist noch nicht alles, oder? Keineswegs. Wir wollen lange Fahrabschnitte fahren, denn jeder Halt birgt das Risiko von Verzögerungen. Dann wollen wir für mehr Rückfalloptionen sorgen. Das kann eine Lokreserve sein, das kann auch der Einsatz eines anderen Verkehrsmittels sein. Und ja, wir brauchen auch neue Mitarbeiter. Deshalb läuft die größte Rekrutierungsoffensive bei DB Cargo, die wir je hatten. Allein 2018 haben wir 1800 neue Mitarbeiter eingestellt, davon etwa die Hälfte Lokführer. Züge, die auf der Strecke stehen, weil kein Lokführer vorhanden ist: Gibt es das also nicht mehr? Wir fahren am Tag 3000 Züge. Da wird es immer einen geben, der mal steht, weil kurzfristig ein Lokführer krank geworden ist und wir auf die Schnelle keinen Ersatz gefunden haben. Aber viel wichtiger: 2017 haben wir pro Tag durchschnittlich über 100 stehende Züge gezählt. Im letzten Jahr waren es 80. Und per Mai stehen 2019 bei 60. Das ist eine deutliche Verbesserung. Haben Sie damit an den wichtigsten Stellschrauben gedreht? Nein, dazu gehören sicher auch die Engpässe auf dem Schienennetz, zum Beispiel aufgrund von Baustellen. Daran arbeiten die Kollegen bei DB Netz. Die haben aber angesichts des größten Bauprogramms, das es in Deutschland je gab, keinen einfachen Job. Und es ist gut, dass die Strecken modernisiert werden. Haben Sie Verständnis, wenn ein Regionalzug besetzt mit einer Handvoll Passagieren Vorzug erhält auf der Trasse vor einem voll ausgelasteten Güterzug? Das Thema Zugfolge ist eine der größten Verspätungsursachen überhaupt. Davon betroffen ist der Güterverkehr genauso wie der Personenverkehr. Dagegen hilft nur der Kapazitätsausbau, das ist erkannt. Die Politik investiert viel Geld in den Netzausbau. Was wir jedoch gerade angesichts des Booms des Nahverkehrs in den Metropolen zusätzlich benötigen, sind reservierte Kapazitäten für den Schienengüterverkehr, wie es die Schweiz macht. Sonst wird die Verlagerung von mehr Verkehr auf die Schiene erschwert. Sehen Sie eine Chance, dass Deutschland diese Praxis übernimmt? Ja. Wie lange müssen wir darauf warten? Ich bin weder Prophet noch Politiker. Aber das politische Wohlwollen für die Eisenbahn sowohl im Personen- wie auch im Güterverkehr nimmt aufgrund der CO2-Problematik deutlich zu. Deshalb bin ich in dieser Sache optimistisch. Wann können Sie Kunden eine Verbesserung der Pünktlichkeit auf deutlich mehr als 80, 85 Prozent in Aussicht stellen? Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Ich finde die Betrachtung einzelner Relationen aussagekräftiger. Da gibt es welche, auf denen wir solche Pünktlichkeitswerte bereits erreichen. Und dann gibt es andere Strecken, da haben wir mit Verspätungen zu kämpfen, versuchen aber alles in unserer Macht Stehende, um eine Verbesserung zu erzielen. Dazu gehören technische Verbesserungen an Fahrzeugen, die Optimierung der Disposition, die Ausstattung von Waggons mit intelligenter Sensorik und die Beseitigung von Prozessmängeln. Mehr zum Thema im Dossier "Schienengüterverkehr" www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Der Schienengüterverkehr gilt als ein wichtiges Instrument, um die CO2-Emissionen im Güterverkehr zu senken. Doch dazu muss auch die Leistung stimmen. DB Cargo-Chef Roland Bosch erklärt im Interview, was die richtigen Stellhebel sind, und nimmt auch zur umstrittenen Regelung Stellung, dass der Personenverkehr auf dem Schienennetz Vorrang genießt vor dem Güterverkehr. Roland Bosch Das Thema Pünktlichkeit durchzieht das Interview wie ein roter Faden. Roland Bosch selbst ist schon da, als wir ihn auf der Messe Transport Logistic treffen, wo ein Termin den nächsten jagt. Nach Ablauf der vereinbarten Zeit drängt er unbarmherzig auf ein Ende des Interviews. Er lebt vor, was er von seinem Unternehmen erwartet: pünktlich sein.Seit Ende 2017 Chef von DB CargoBosch (48) studierte Physik und Betriebswirtschaftslehre. Er war danach für die Boston Consulting Group und DaimlerChrysler tätig. 2010 erfolgte sein Wechsel zur DB Netz AG als Finanzvorstand. Seit Dezember 2017 ist er Vorstandsvorsitzender von DB Cargo. cd

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