Der Reiz der Großstadt

Hamburg ist bei den deutschen Verladern in Sachen Logistik klar die Nummer eins. Die Hafenstadt hat im aktuellen Imageranking der Verkehrs-Rundschau von den Entscheidern der Industrie- und Handelsunternehmen die meisten Punkte erzielt. Die Praktiker lobten vor allem die kurzen Transportwege, die gut ausgebaute Infrastruktur und das Angebot an logistischen Dienstleistungen. In keiner anderen Stadt wird das Leben so von der Logistik bestimmt. Der Hafen ist omnipräsent und die Lebensader für die logistischen Dienstleistungen, die um ihn herum angeboten werden. Geht es dem Hafen gut, sind auch die Logistikunternehmen zufrieden. So ist es kein Wunder, dass die Branche in Hamburg derzeit optimistisch in die Zukunft blickt. Der Hamburger Hafen ist auf Rekordkurs und erreichte in den ersten sechs Monaten 2014 einen Gesamtumschlag von 72,6 Millionen Tonnen (+6,6 Prozent). Allein 50,7 Millionen Tonnen wurden im dominierenden Containerumschlag erzielt. Rund 4,8 Millionen 20-Fuß-Standardcontainer wurden umgeschlagen. Ein Plus von 6,8 Prozent. Damit hat der Hamburger Hafen nach ein paar schwierigen Jahren im Wachstum seine Konkurrenten in Nordeuropa deutlich übertroffen. Vom positiven Wachstum Deutschlands profitieren der Hafen und die Hamburger Logistikwirtschaft gleichermaßen. Doch nicht alles ist Gold in der Hansestadt. Das größte Problem sind die fehlenden Mietflächen. Erik Peuschel, Mitglied der Geschäftsleitung beim Maklerunternehmen Engel & Völkers Commercial in Hamburg beobachtet, dass immer mehr Industrie- und Logistikunternehmen ins Umland der Hansestadt abwandern. 42 Prozent der Industrie-, Gewerbe- und Logistikflächen würden mittlerweile im Umland vermarktet. Im ersten Halbjahr 2013 war es noch ein Drittel. Vier der sieben größten Einzelumsätze fanden in diesen Lagen statt. Größter Neubau ist das 20.000 Quadratmeter große HACC - HH-Airport-Cargo-Center. Die neue Anlage mit Logistikhalle, bis zu 40 Rampen und LKW-Stellplätzen wird ab dem nächsten Sommer das bisherige Luftfrachtzentrum auf dem Flughafengelände ersetzen. Es gibt noch verfügbare Flächen Südlich der Hansestadt haben unter anderem die Logistiker van Eupen und Dirk Vollmer Transport jeweils rund 9000 Quadratmeter neu bezogen. Gerade der Markt südlich der Elbe ist bei Unternehmen beliebt. Die Makler von Jones Lang Lasalle beobachten, dass sich das Angebot an kurzfristig verfügbaren Flächen leicht verbessert hat. Von den rund 32.000 Quadratmetern Logistik- und Lagerflächen, die im zweiten Quartal fertiggestellt wurden, war etwa die Hälfte noch unvermietet. Nutzer hätten mittlerweile wieder die Auswahl zwischen mehreren Flächen. Auch Peuschel sieht noch verfügbare Flächen für Logistikunternehmen, vor allem im westlichen Hafen. Neben sinkenden Importraten und der Konkurrenz durch andere Nordseehäfen gebe es noch einen Grund für den dortigen Leerstand. "Die große Outsourcing-Welle aus Industrie und Handel ist abgeebbt. Diese Bereiche der Wirtschaft versuchen wieder vermehrt innerhalb der eigenen Betriebsstruktur die logistischen Prozesse in dafür speziell konfigurierten Immobilien abzubilden", so der Marktexperte. Das hat auch Auswirkungen auf die Mieten. Seit gut einem Jahr stagnieren die Spitzenmieten an den größten Logistikstandorten Europas. Hamburg macht da keine Ausnahme. Die Spitzenmiete für Flächen im Hamburger Industriehafen ab 5000 Quadratmeter liegt seit Ende 2012 stabil bei 5,60 Euro pro Quadratmeter und Monat. Im südlichen Umland bezahlen Logistiker zwischen 3 und 4,50 Euro. Infrastruktur - gut vernetzt Besonders gelobt wird in Hamburg die Infrastruktur. Trotz aller Schwierigkeiten wie Staus an überlasteten Brücken und Tunnels befinden sich alle Umschlagmöglichkeiten in relativ kurzer Entfernung zueinander. Die Vernetzung zwischen Wasser, Schiene und Straße ermöglicht insbesondere vom Hamburger Süden aus eine schnelle Verteilung der Waren. Carmen Schmidt, Mitglied der Geschäftsführung der Logistik-Initiative Hamburg, sieht im Ausbau der Infrastruktur noch deutliche Potenziale. Der Ausbau der Autobahnen A7 und A20 oder die seit Jahrzehnten geforderte Y-Trasse, um die Güter auf der Schiene schneller ins Hinterland zu bringen, würden den Standort langfristig voranbringen. Insbesondere der Ausbau der Ostseeautobahn A20 wird die Anbindung an die Märkte im Osten langfristig verbessern und Ansiedlungen in Richtung Lübeck attraktiver machen. Auch die Elbvertiefung wird immer wieder als zentrale Notwendigkeit angeführt. Bis es so weit ist, versuchen die Mitglieder der Logistikinitiative, die Verkehrsprobleme selbst in den Griff zu bekommen. Eine Initiative ist derzeit, dass Arbeitnehmer von Logistikfirmen flexibler oder von zu Hause aus arbeiten sollen, um die Pendlerströme zu den Hauptverkehrszeiten etwas zu entzerren. Rund 395.000 Erwerbstätige und damit etwa jeder zehnte Beschäftigte in der Metropolregion Hamburg arbeitet in der Logistik. Deren Zahl wird weiter steigen und damit die Konkurrenz um die Fachkräfte. So fehlen etwa Speditionskaufleute mit Zollerfahrung, Lagerarbeiter und natürlich Berufskraftfahrer. Fazit: Hamburg ist das Einfallstor für Waren aller Art nach Deutschland und das bekannte "Tor zur Welt". Neben dem Hafen ist auch der Süden bei ansiedlungswilligen Logistikern beliebt. Immer häufiger weichen diese aber auch in den Osten der Stadt aus. Die Immobilienberater von CBRE sehen dennoch verschiedene lokale Unwägbarkeiten, die den Logistikstandort künftig vor Herausforderungen stellen. Neben der ausstehenden Entscheidung zur Elbvertiefung seien das die zunehmenden Abfertigungsprobleme am Hafen. Welche Auswirkungen das auf die Handelsunternehmen und die Logistikbranche haben wird, bleibe abzuwarten. Berlin - Verlierer des Rankings Berlin ist derzeit angesagt. Die Immobilienpreise explodieren, vor allem junge Firmen zieht es in die Hauptstadt. Auf der Imageskala der VerkehrsRundschau nimmt die Logistikregion Berlin/Brandenburg jedoch den letzten Platz ein. Dabei gibt es Potenzial für logistische Dienstleistungen. Nicht nur aus der Nähe zu den Märkten in Mittel- und Osteuropa ergeben sich Entwicklungspotenziale. Drei der wichtigsten europäischen Güterverkehrskorridore gehen durch Berlin und Brandenburg. Sie verbinden die Hauptstadtregion mit Skandinavien, mit dem Mittelmeer, die Nordsee mit den baltischen Staaten sowie die Nord- und Ostseehäfen mit dem östlichen Mittelmeerraum. Insbesondere vom Ostsee-Adria-Entwicklungskorridor von Oslo bis Venedig verspricht sich Mark Renner, Geschäftsleiter des Logistiknetzes Berlin-Brandenburg, für die Zukunft einiges an Potenzial. Die Route könnte eine wichtige Entlastungsstrecke für die stark beanspruchten Nord-Süd-Routen im alten Bundesgebiet werden. Derzeit lässt sich vor allem der Konsumgüterhandel im Speckgürtel von Berlin nieder, um die Verbraucher in der Hauptstadt zu versorgen. Hier zeigt sich auch das größte Manko der Region. Es mangelt an großen Industrieunternehmen, die ein hohes Transportaufkommen oder Nachfrage nach hochwertigen Logistikdienstleistungen haben. Hier steht Berlin klar im Schatten des Logistik- und Luftfrachtdrehkreuzes Halle/Leipzig und des Rostocker Seehafens. Das zeigt sich auch an der Zahl der Beschäftigten in der Logistikbranche. Während der Durchschnitt in den meisten ostdeutschen Städten bei acht Prozent aller Erwerbstätigen liegt, sind es in Berlin nur 5,6 Prozent. Die fehlenden Perspektiven dürften es aber erschweren, das Fachpersonal am Standort zu halten. Vieles wurde versprochen, um die Logistikregion nach vorne zu bringen. Nicht alles wurde auch gehalten. So hinkt der Ausbau der Seehafen-Hinterlandverkehre in der Hauptstadt immer noch hinterher und auch in der Binnenschifffahrt bestehen noch erhebliche Ausbaupotenziale. Überdurchschnittliches Wachstum Laut der Verkehrsprognose 2030 der Bundesregierung sollen die Güterverkehrszahlen in Berlin in vielen Bereichen überdurchschnittlich steigen. Die Prognose geht davon aus, dass der Schienengüterverkehr von 4,6 Millionen Tonnen um 1,5 Prozent pro Jahr auf 6,3 Millionen Tonnen zunehmen wird. Das Aufkommen im Straßengüterverkehr soll um fast ein Prozent pro Jahr auf über 84 Millionen Tonnen anwachsen. Das liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 0,6 Prozent pro Jahr. Der Verkehrsträger Binnenschifffahrt wird allerdings an Bedeutung verlieren, so die Vorhersage der Verkehrsforscher. Insbesondere das Ende der Braunkohle macht sich in Ostdeutschland bemerkbar. Laut Renner würden viele Industrieunternehmen gerade aus dem Cottbuser Raum, wo etliche Papier- und Stahlunternehmen ihren Sitz haben, mehr mit dem Schiff verschicken. Doch die veralteten und teilweise zu kleinen Schleusen verhindern größere Schiffe und damit rentable Verkehre. Immerhin soll die Fertigstellung des Schiffshebewerks Niederfinow ab 2015 die direkte Verbindung zu den Ostseehäfen mit modernen Binnenschiffen ermöglichen. Auch die Luftfracht ist vergleichsweise unbedeutend. Daran wird auch der neue Großflughafen in Brandenburg nichts ändern. Er ist vor allem für Beifracht zu den Passagierflügen ausgelegt. Als eine Besonderheit stellt das Fraunhofer IIS in seiner Studie über die Logistikstandorte Deutschlands die drei modernen Güterverkehrszentren in Großbeeren, Freienbrink und Wustermark heraus. Insbesondere Onlineunternehmen wie Amazon oder Zalando haben sich hier niedergelassen. Hinzu kommen insgesamt sieben öffentliche Kombiterminals rund um die Hauptstadt. Immobilienangebot ausreichend Im Berliner Stadtgebiet selbst spielen Logistikansiedlungen kaum eine Rolle. Die meisten Unternehmen finden sich im südlichen und westlichen Umland der Stadt. Im gesamten Speckgürtel ist das Angebot an Logistikflächen mehr als ausreichend. Da es allerdings an modernen Einrichtungen mangelt, sind Neuentwicklungen dennoch schnell wieder vom Markt. Laut Jones Lang Lasalle ist der Handel und insbesondere der Onlinehandel die dominierende Branche beim Flächenumsatz. Allein auf dieses Segment fielen fast 60 Prozent der Anmietungen im zweiten Quartal 2014. Die Spitzenmiete für Lagerflächen ab 5000 Quadratmeter hält sich seit Jahren bei 4,70 Euro. Die Serie LogistikregionenIn diesen Regionen pulsiert das logistische Leben in Deutschland am intensivsten- VR 36: Rhein-Main- VR 37: Der Ballungsraum Rhein-Ruhr- VR 38: Großstädte Hamburg und Berlin Charakteristik Logistikregion Hamburg Stärkene- Leistungsfähige Hafeninfrastruktur- Trotz Flächenknappheit in den begehrten Lagen moderate Mietpreise- Starke Logistiklobby, die im Sinne der Branche Verbesserungen durchsetztSchwächene- Ansiedlungsflächen direkt im Hafen sind begrenzt- Hohe Auslastung der Infrastruktur- Die große Konkurrenz an Logistikunternehmen verschärft den Fachkräftemangel und sorgt für hohes LohnniveauPotenzialee- Der zügige Ausbau der Infrastruktur dürfte die Erreichbarkeit der Märkte im Osten verbessern- Fehmarnbeltquerung verbessert langfristig die Anbindung an die nordeuropäischen Märkte ah

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