Der komplexe Weg zum passenden Käufer

Ein Unternehmen zu verkaufen ist ein Kinderspiel - diesen Eindruck zumindest vermitteln Firmenbörsen im Internet. Sie versprechen "Wir finden einen Käufer", das natürlich kostenlos und innerhalb weniger Tage. Doch Profis winken bei solchen Angeboten ab. Zu viele Schnäppchenjäger, zu viele Pannenfirmen, zu unrealistische Preisvorstellungen - so lautet ihr Urteil. "Die Börsen taugen maximal für Mikro-Unternehmen wie den Friseursalon um die Ecke", meint Bernd Rüegg. Er berät seit 15 Jahren Mittelständler, die ihr Unternehmen verkaufen wollen oder einen Nachfolger suchen. Von Börsen und anderen vermeintlich einfachen Lösungen hält Rüegg nichts. "Es gibt nicht die schnelle Liste mit Interessenten." Wie aber kann ein Firmeneigentümer potenzielle Käufer finden? Und was ist auf dem Weg zum unterschriebenen Vertrag zu beachten? Die meisten Inhaber, die ihren Betrieb veräußern wollen, setzen zunächst auf persönliche Kontakte. Sie nehmen zur örtlichen IHK Kontakt auf, signalisieren dem Bank- und Steuerberater ihre Verkaufsbereitschaft. Die erhofften Reaktionen bleiben jedoch häufig aus. Deshalb kann es sich lohnen, gleich einen M&A-Berater mit der Suche nach einem Käufer zu beauftragen. Diese Profis recherchieren in Wirtschaftsdatenbanken nach Firmen, die sich für das Kaufobjekt interessieren könnten. Kandidaten setzen sie auf die sogenannte Long List und nehmen sie unter die Lupe: Wie sehen die Unternehmenszahlen aus? Wie ist der Creditreform-Status? Gab es negative Presse? "Was zählt, ist der Gesamteindruck", fasst Profi Rüegg zusammen. Danach wird die Liste dem Verkäufer zur Abstimmung vorgelegt. Erst wenn der sein Okay gibt, wird der M&A-Berater aktiv: Er schreibt die Zielfirmen per Brief an und stellt das Verkaufsobjekt kurz vor - allerdings ohne den Namen des Betriebs zu nennen. Rüegg schätzt, dass auf dieses "kalt" unterbreitete Angebot zehn Prozent der Angeschriebenen reagieren. Von diesen Kandidaten fällt nach einer ersten Gesprächsrunde noch einmal die Hälfte weg, weil sich der Käufer bei näherem Hinsehen doch als ungeeignet entpuppt. Dann folgt Runde zwei: Interessenten müssen eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben, die ihnen verbietet, Einzelheiten aus dem Angebot öffentlich zu machen. Danach erhalten sie per Post die Unternehmensbewertung und das Verkaufsexposé. Es stellt das Verkaufsobjekt auf 20 bis 50 Seiten vor: Geschichte, Stärken, Schwächen, Bilanzen, Inhabertätigkeit, Kunden, Organisation, Standort, geplantes Verkaufsmodell. Es folgen Betriebsbesichtigungen und erste persönliche Verhandlungen. Am Ende dieses Prozesses bleiben in der Regel ein bis vier Interessenten übrig. "Mehr wäre auch nicht sinnvoll", betont Berater Rüegg, "es wäre zeitlich kaum möglich, sich mit zehn Käufern oder mehr zu beschäftigen". Die eigentlichen Preisverhandlungen laufen meist unspektakulär ab. "Das ist kein persischer Markt", lacht Rüegg. Hat der Verkäufer vorab eine seriöse und professionelle Unternehmensbewertung anfertigen lassen, bildet die hier genannte Summe in den meisten Fällen die Preisuntergrenze. Gibt es mehrere Interessenten, kann es sein, dass sie sich überbieten. Der Preis allein jedoch ist oft nicht ausschlaggebend. "50 Prozent entscheidet der Preis, 50 Prozent die Kopf- und Bauchgefühle des Verkäufers", so Rüeggs Erfahrung. Ob der Käufer die passende Strategie verfolgt und die gleiche Sprache wie der Eigentümer spricht, sei genau so wichtig wie die gebotene Summe. Wird man sich handelseinig, unterschreiben beide Parteien eine Kaufabsichtserklärung (Letter of Intent, kurz: LOI), die zwar rechtlich kaum relevant ist, dafür "emotionale Bindungskraft" entwickelt. "Danach weiß jeder: Jetzt ist Schluss mit lustig", lacht Rüegg. Im LOI wird grob das wirtschaftliche, rechtliche und steuerliche Kaufmodell beschrieben sowie die Regelungen zur Vertraulichkeit. Knackpunkt: die Rolle des Inhabers Als nächster Schritt steht die sogenannte Due Diligence auf der Agenda (siehe Kasten Seite 21): Im Rahmen dieser Analyse überprüft der Käufer, ob die Angaben des Käufers tatsächlich stimmen. "In Details finden sich immer wieder Dinge, die anders besprochen waren", berichtet Harm Schnakenberg, geschäftsführender Gesellschafter von Centum Capital, Hamburg. Er ist darauf spezialisiert, Unternehmerfamilien bei der Veräußerung ihres Betriebs zu beraten. In seiner Praxis erlebt er durchaus, dass im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung zusätzliche Risiken ans Tageslicht kommen. "Zum Beispiel, wenn der Verkäufer einen anhängigen Gerichtsprozess nicht erwähnt hat oder verschwiegen wurde, dass es zwar 50 Kunden gibt - aber mit einem davon 80 Prozent des Umsatzes gemacht werden", so Schnakenberg. Knackpunkt vieler Verkaufsverhandlungen ist die zukünftige Rolle des Inhabers, schließlich geht bei vielen Mittelständlern ohne ihn nichts: Seine persönlichen Kontakte, seine Unternehmerenergie und sein Wissen sind der Garant für den Erfolg. Diesen Trumpf wollen potenzielle Käufer natürlich nicht aus der Hand geben; deshalb wird häufig vertraglich vereinbart, dass der Inhaber weiter als Berater, Geschäftsführer oder Mit-Geschäftsführer tätig ist, wenigstens eine Zeit lang (meist wird eine sogenannte Bindungsvereinbarung getroffen). Darüber hinaus lässt sich ein Firmeneigentümer oft garantieren, dass ein Standort erhalten bleibt und es nicht zu Entlassungen kommt. Expertenwissen ist nötig Selbst wenn man sich handelseinig ist, bleibt bis zum fertigen Kaufvertrag noch viel Arbeit. Es gilt, zahllose betriebswirtschaftliche, steuerliche und rechtliche Vertragsdetails zu berücksichtigen. Diese Materie ohne die Hilfe von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern zu durchschauen, ist unmöglich. Nur ein Fallstrick von vielen: Zahlt der Käufer den geforderten Preis in zehn jährlichen Raten, kann das den Käufer in finanzielle Schwierigkeiten bringen - weil die Steuern auf den Verkaufspreis schon im ersten Jahr in voller Höhe anfallen (Prinzip der Sofortversteuerung). Manche Belastungen lassen sich zum Beispiel vermeiden, indem der Inhaber vor dem Verkauf die Rechtsform der Firma ändert. Wird aus der GmbH zum Beispiel eine GmbH & Co. KG, zählt der Verkäufer nur halbe Steuersätze auf den Veräußerungsgewinn. Um solche Möglichkeiten zu nutzen, ist Expertenwissen nötig - und Zeit. "Es gibt viele Einbahnstraßen und in der Regel müssen Verkäufer und Käufer ein bis zwei Frösche schlucken", resümiert Berater Rüegg. Dass Verkaufsverhandlungen auf der Zielgerade noch scheitern, erlebt er selten, und wenn, dann sind meist Details die Stolpersteine. Ein Beispiel: Der Käufer will eine Betriebsimmobilie nicht mit erwerben, doch der Verkäufer besteht darauf. Was viele nicht wissen: Selbst wenn die Tinte unter dem Vertrag trocken ist, bleiben Risiken. Denn zwischen der Unterschrift (Signing) und der Vertragserfüllung (Closing) vergehen bis zu acht Wochen, in denen viel passieren kann. Ein neues Gesetz verändert die Marktbedingungen, eine Krise oder Katastrophe erschüttert die Weltwirtschaft, der Firmeninhaber stirbt - all das kann einen schon abgeschlossenen Deal noch kippen. Solche Fälle kennt auch M&A-Profi Schnakenberg. "Letztendlich ist das Geschäft erst über die Bühne, wenn eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllt ist - und der Kaufpreis überwiesen wurde." Die Serie M&A: Firmen erfolgreich kaufen und verkaufen - Teil 1: Steht in der Logistikbranche eine Übernahmewelle an?- Teil 2: Wie sich der Wert einer Transport- und Logistikfirma ermitteln lässt- Teil 3: Den richtigen Käufer finden Due-Diligence-Prüfung Übersicht: Was Firmenkäufer sehen wollen Bevor ein Betrieb den Besitzer wechselt, lässt der Käufer in der Regel eine sogenannte Due-Diligence-Prüfung durchführen. Ziel ist es, herauszufinden, wo die Stärken und Schwächen des Kaufobjekts liegen. Diese Art von Fitnesstest für Firmen führen meist Spezialisten wie Wirtschaftsprüfer oder Anwälte durch. Hier einige Unterlagen, die für eine Due-Diligence-Prüfung üblicherweise gefordert werden:- Bilanz, aktuelle Quartalszahlen- Steuerbescheide der letzten drei Jahre- Liste der Top-10-Schuldner/Gläubiger- Deckungsbeitragsrechnung für jedes Geschäftsfeld- Auflistung aller Konten, Darlehen, Bürgschaften- Studien zum jeweiligen Markt- Profile der Wettbewerber- Liste der 30 größten Kunden- Darstellung der Vertriebsorganisation- Beispielkalkulation für ein Produkt- Liste der zehn größten Lieferanten- Übersicht über EDV-Ausstattung- Vergütung des Geschäftsführers- Profile der leitenden Mitarbeiter- Handelsregisterauszug- Gesellschafterliste- Miet-/Wartungs-/Leasingverträge- Liste mit anhängigen Gerichtsverfahren- Aufstellung von Gebäuden, Maschinen und Anlagen- Liste mit geplanten Investitionen cg