Der Kampf um die Generation Z

Das Berufsbild Kaufmann/-frau für Spedition und Logistikdienstleistung spricht alle Jugendlichen an, die gerne planen, vernetzen und organisieren", weiß Martina Szautner, Personalchefin des Speditions- und Logistikunternehmens Dachser in Kempten. "Außerdem bietet gerade dieser Beruf spannende und sichere Perspektiven in einer internationalen Wachstumsbranche." Leider aber sei dies, beklagt sie, zu wenig bekannt und müsse deshalb jedem Bewerber deutlich gemacht werden. Azubis sagen kurzfristig ab Erschwerend kommt hinzu, dass es selbst engagierte Ausbildungsbetriebe immer wieder erleben, dass ihnen kurzfristig Azubis wegbrechen. Ein Trend, der sich offenbar mit der sogenannten "Generation Z" verschärft, wie heute Jugendliche bezeichnet werden, die nach 1995 geboren und in einer digitalen Welt aufgewachsen sind (siehe Kasten Seite 36). So unterschreiben verstärkt fest eingeplante Auszubildende nur wenige Wochen vor Ausbildungsbeginn zum 1. August oder 1. September ihren Vertrag nicht oder bitten um seine Auflösung, heißt es in Speditionen, weil sie sich von einem anderen Beruf bessere Perspektiven versprechen. Diese "Flatterhaftigkeit" sei geradezu typisch für die Generation Z. Zu spüren bekam diese Einstellung zum Beispiel die Bauer Spedition im westsächsischen Callenberg. "Der erste Kandidat hat eine Woche vor Unterzeichnung des Ausbildungsvertrags abgesagt, der zweite ist zu diesem Termin gar nicht erst erschienen", ärgert sich Inhaber Tino Bauer. Rund fünf Bewerber hatte er in die engere Wahl genommen. Jetzt bleiben ihm drei übrig: Zwei davon sieht er aber als Wackelkandidaten, da sie sehr lange Anfahrtswege zurücklegen müssen. "Möglicherweise können wir in diesem Jahr gar keinen Ausbildungsplatz besetzen", befürchtet der Unternehmer. Bauer ist kein Einzelfall: Rund 24 Prozent der Transport- und Logistikfirmen konnten im vergangenen Ausbildungsjahr, aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor, nicht alle Ausbildungsplätze besetzen, hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ermittelt. Geschätzte 700 Lehrstellen für Speditionskaufleute sind demnach leer geblieben. Die weitaus meisten Betriebe (61 Prozent) erhalten laut eigenen Angaben nicht genügend qualifizierte Bewerbungen. Andere haben es mit Jugendlichen zu tun, die ihre Lehrstelle gar nicht antreten (27 Prozent) oder diese nach Beginn der Ausbildung kündigen (25 Prozent, Mehrfachnennungen waren möglich). Probleme vor allem in Ostdeutschland Auch in diesem Jahr erwartet der DIHK ähnlich hohe Zahlen. Da immer mehr Jugendliche ein Studium einer Ausbildung vorziehen, werden 2014 möglicherweise noch mehr Ausbildungsplätze als 2013 unbesetzt bleiben, heißt es bei der Kammerorganisation. Das gilt auch für den Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau für Spedition und Logistikdienstleistung. "Vor allem Unternehmen in Regionen, die keine Logistikhochburgen sind, haben Probleme, geeignete Jugendliche für den Speditionskaufmann und andere Ausbildungsberufe zu finden", beobachtet Elke Schneider, Ausbildungsexpertin beim Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Besonders schwer tun sich die Unternehmen ihrer Erfahrung zufolge in den fünf ostdeutschen Bundesländern, aber auch in westdeutschen Bundesländern ohne Ballungszentren wie Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Da die Logistikwirtschaft in diesen Regionen kein anerkannter Arbeitgeber ist, müssen sich Ausbildungsbetriebe ihren guten Ruf dort erst erarbeiten, weil sie sich nicht auf die Empfehlungen von Eltern, Lehrern und Mitarbeitern verlassen können. Vorzeitige Vertragsauflösungen steigen Auch die Präsentation des Berufs in Schulen und Stellenausschreibungen auf IHK-Lehrstellenbörsen, Arbeitsagentur-Jobbörsen und Social-Media-Plattformen reichen mittlerweile in der Speditions- und Logistikbranche nicht mehr aus. Denn mit diesen Maßnahmen sucht heute fast jeder Ausbildungsbetrieb seinen Firmennachwuchs, egal in welchen Berufen er ausbildet. Dazu kommt, dass immer mehr Auszubildende ihren Ausbildungsvertrag vorzeitig auflösen, wie das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ermittelt hat. Vielleicht ist auch das ein Charakteristikum, das die neue Generation Z auszeichnet. Fakt ist: Nahezu bei jedem vierten Ausbildungsplatz kam es im vergangenen Jahr zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung, das hat das BIBB in 2013 ermittelt. Jeder dritte Azubi tat dies während der viermonatigen Probezeit. Maßgebliche Gründe sind laut einer BIBB-Umfrage insbesondere Konflikte mit Ausbildern und anderen Mitarbeitern, die Enttäuschung über die Ausbildungsinhalte, aber auch unbefriedigende Arbeitsbedingungen (siehe Grafik auf Seite 36). Wobei die Situation in den kaufmännischen Berufen (18 Prozent in 2012) noch deutlich entspannter ist als bei angehenden Berufskraftfahrern. In diesem Bereich haben laut BIBB sogar über 45 Prozent der Azubis im Jahr 2012 ihr Ausbildungsverhältnis vorzeitig aufgelöst. Um so wichtiger ist es, dass Speditions- und Logistikunternehmer im persönlichen Gespräch Jugendliche überzeugen, welche thematischen Schwerpunkte in der Ausbildung, beispielsweise beim Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung, vermittelt werden, vor allem aber, welche beruflichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten das Berufsbild nach der Ausbildung engagierten Jugendlichen bietet. Elke Schneider kann dies nur bestätigen. "Das Berufsbild des Kaufmanns Spedition und Logistikdienstleistung ist sehr erklärungsbedürftig", weiß die Aus- und Weiterbildungsreferentin des DSLV. "Viele Jugendliche wissen nicht, wie sein Alltag im Detail aussieht." Für Abhilfe könnten, schlägt sie vor, zum Beispiel Azubis im zweiten und dritten Lehrjahr sorgen, die in Videos, auf Homepages oder in Blogs ihren Kaufmannsberuf vorstellen. Mit solchen Internet-Auftritten haben Unternehmen wie etwa Zufall Logistics Group oder Hellmann Worldwide Logistics viel Resonanz erzielt. Allerdings klicken Jugendliche solche Seiten erfahrungsgemäß erst an, wenn ihr Interesse bereits geweckt ist. Auf persönliche Einzelgespräche mit potenziellen Interessenten kann deshalb heute kein Ausbildungsbetrieb mehr verzichten. Das erste Gespräch sollte idealerweise auf einer regionalen Ausbildungsmesse stattfinden. Solche Events gibt es mittlerweile in fast jeder Stadt mit über 50.000 Einwohnern. Am Ausstellungsstand stellen Personalleiter und Ausbilder Betrieb und Beruf vor und laden zum mindestens einwöchigen Praktikum ein. Auf diesem kann ein Jugendlicher feststellen, ob ihm der Beruf tatsächlich zusagt und er sich im Betrieb wohlfühlt. Das zweite Gespräch sollte während und unmittelbar nach dem Praktikum angesetzt werden, wenn der Jugendliche ernsthaftes Interesse am Beruf signalisiert. "Für diesen Termin sollte sich ein Personalchef oder Ausbilder bis zu eineinhalb Stunden Zeit nehmen", empfiehlt Falko Kaulmann, Verkaufsleiter und Ausbilder beim Logistikdienstleister A. Hartrodt in Düsseldorf (siehe Kasten Seite 35).In diesem Gespräch sollte ein Unternehmen zunächst ausloten, wie gut die Kenntnisse in berufsrelevanten Schulfächern wie Englisch, Mathematik oder Geografie tatsächlich sind. Die Noten in Schulzeugnissen sind allerdings nicht sonderlich aussagekräftig. In diesem Punkt sind sich viele Ausbildungsbetriebe einig. "Manche Bewerber, die in Mathematik lediglich mit einer Drei abschließen, sind im Kopfrechnen wirklich hervorragend und erweisen sich als sehr gute Azubis" sagt Birgit Bergemann, Geschäftsführerin der John Spedition in Eichenzell bei Fulda. Wenigstens ebenso wichtig sind soziale Kompetenzen. Ein angehender Speditionskaufmann muss mit Selbstvertrauen, Kooperationsbereitschaft, Kontaktfähigkeit, Motivation, Flexibilität und anderen Eigenschaften auffallen, über die Schulzeugnisse in der Regel kaum Auskunft geben. "Am Gesprächsverlauf wird schnell sichtbar, wie offen und kommunikativ der Bewerber tatsächlich ist", betont auch Manuela Kistner, Abteilungsleiterin in der Nürnberger Niederlassung von Emons. "Außerdem ist die Freizeitgestaltung aufschlussreich: Engagiert er sich in einem Musik- oder Sportverein, spricht dies für seine Kontaktfreude und Kreativität." Im Fokus: Weiterbildungsmöglichkeiten Ein immer wichtigeres Thema für das Einzelgespräch sind Weiterbildungsmöglichkeiten während und nach der Ausbildung des Auszubildenden. Wer sich als Arbeitgeber wirklich qualifizierte Bewerber wünscht, sollte in jedem Fall in diesem Gespräch mit einem Dualen Studium werben. Denn die Generation Z gilt als äußerst lernwillig. So können auch Sprachkurse, Auslandsaufenthalte bei internationalen Kooperationspartnern oder Einzelqualifizierungsmaßnahmen wie Präsentationstrainings für manchen Jugendlichen ausschlaggebend sein, um sich zum Speditionskaufmann ausbilden zu lassen. Für die Ausbildungsbetriebe ist dieses Interesse angesichts des drohenden Fachkräftemangels sogar erfreulich. Denn die Bewerber signalisieren damit, dass sie über die Ausbildung hinaus eine langfristige berufliche Perspektive suchen. Von einer "sehr selbstbewussten Azubi-Generation Z" spricht Hellmann-Personalchef Claudio Gerring. "Die Jugendlichen wünschen anspruchsvolle Aufgaben, die sowohl fordern als auch Spaß machen", weiß er. "Sie haben aber ein starkes Sicherheitsbedürfnis und sind sehr an einer Übernahme nach der Ausbildung interessiert." Und nach welchen Kriterien wählen die Firmen ihre Azubis aus? Das ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Die John Spedition lädt zum Beispiel gerne Bewerber zum Praktikum vor der Ausbildung ein. "Wünscht der Jugendliche von sich aus ein Praktikum, werte ich dies als klaren Pluspunkt", sagt Birgit Bergemann, Geschäftsführerin der John Spedition in Eichenzell. Andere Speditionen fragen von ihren Bewerbern Schulwissen und Allgemeinbildung in Tests ab. "Bei solchen Prüfungen zeigt fast jeder Kandidat Schwächen", beobachtet Kistner. "Vor allem die Geografiekenntnisse sind oft sehr lückenhaft." Wie auch immer - 2014 und 2015 können Firmen noch aus recht vielen Bewerbern wählen, da aktuell Jugendliche aus den geburtenstarken Jahrgängen 1997 und 1998 auf den Markt drängen. Spätestens ab 2016 müssen sie Experten zufolge aber mit weniger Interessenten rechnen. Dann könnte der Fachkräftemangel, den manche im Bereich LKW-Fahrer und Fachlagerist schon feststellen, auch für angehende Speditions- und Logistikkaufleute Realität werden. Aus der Praxis: Spedition A. Hartrodt "Auf Fremdsprachenkenntnisse legen wir besonderen Wert" Vier angehende Speditions- und Logistikkaufleute stellt die Düsseldorfer Niederlassung von A. Hartrodt dieses Jahr neu ein. Mit jedem Auszubildenden hat der Ausbildungsleiter Falko Kaulmann ein bis zu 90-minütiges Einführungsgespräch geführt. "Ich verzichte auf Tests, weil diese die Fähigkeiten eines Bewerbers nur unzureichend abbilden", sagt er. Im Fokus stehen bei Kaulmann Fremdsprachenkenntnisse. Ein Unternehmen mit einem weltweiten Netzwerk in über 80 Ländern müsse auf diese besonderen Wert legen, sagt er.Kaulmann führt deshalb das Bewerbergespräch fast ausschließlich auf Englisch. Mit Dreisatz und anderen Kopfrechenaufgaben prüft er zudem die Mathematikkenntnisse des Kandidaten. Außerdem hat er stets eine Weltkarte in Reichweite. Auf dieser soll der Bewerber die kürzesten Schiffsrouten zwischen ausgesuchten Häfen zeigen. Wie viele Ausbilder hat auch Kaulmann Geografiekenntnisse als Schwachpunkt der meisten Bewerber ausgemacht. "Ein angehender Auszubildender muss nicht wissen, dass La Paz die größte Stadt von Bolivien ist", präzisiert er seine Anforderungen. "Aber er muss wissen, wo genau Bolivien liegt."Aber auch höhere Qualifikationen spielen in dem Unternehmen A. Hartrodt eine wichtige Rolle: Qualifizierten Azubis bietet das Unternehmen ein Duales Studium an der EUFH Brühl an, das zeitgleich zur Ausbildung absolviert werden kann. "Solche Jugendliche werden anschließend als Assistenten von Niederlassungsleitern eingesetzt", macht Kaulmann Azubis Hoffnung auf potenzielle Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Firma. bot Smartphones, Feedback, Regeln Tipps für Ausbilder im Umgang mit der Generation Z Als Generation Z werden Jugendliche bezeichnet, die in einer digitalen Welt aufgewachsen sind. Ab welchem Geburtsdatum Jugendliche zur Generation Z gehören, ist strittig. Manche sprechen von 1991, andere von 1995 und andere von 2001. Fakt ist: "Jugendliche der Generation Z sind es gewohnt, dass Wissen jederzeit und überall im Internet verfügbar ist", sagt Andreas Eiling, Leiter der Ausbilder-Akademie Friedrichsdorf. "Daher rufen sie Inhalte bei Bedarf ab und prägen sich diese nicht besonders ein." Auf diese Veränderung müssen sich Ausbilder einstellen und Folgendes beachten:- Private Smartphones können in die Ausbildung integriert werden. Ist einmal kein Zugriff auf den Desktop möglich, spricht nichts gegen das Abrufen von beruflichen Inhalten auf dem Mobilgerät.- Legen Sie Inhalte fest, die auf jeden Fall auswendig gelernt werden müssen. Das ständige Abrufen im Internet kostet Zeit.- Geben Sie regelmäßig Feedback auf die geleistete Arbeit - gerne auch per SMS oder E-Mail, wenn der Azubi sich außerhalb des Betriebs aufhält oder schon im Feierabend ist.- Formulieren Sie klare Regeln, wann der Azubi für welche Inhalte sein Smartphone benutzen darf und wann nicht. Das gibt auch dem Jugendlichen Sicherheit.- Halten Sie diese Regeln unbedingt selbst ein und nutzen Sie Ihr Smartphone nur dann, wenn dies wirklich unbedingt notwendig ist. bot

Daimler Truck produziert E-Lkw für Fernverkehr in Serie

Frachtflugzeug im DHL-Auftrag stürzt in Litauen ab

Elektromobilität: Hamburg will Ladepunkte auf 10.000 erhöhen

Bürokratieentlastung: Bundesrat stimmt neuer Verordnung zu

Automobilzulieferer: Bosch will weitere Stellen streichen

Alle Schlagzeilen

Der Kampf um die Generation Z

HASHTAG

#Arbeitsrecht

Zahl der Arbeitsunfälle bleibt weitestgehend konstant

Bildergalerie: Sieben kuriose Arbeitsrechturteile

Versicherer HDI bietet Web-Tool zur Schadenverwaltung

MEISTGELESEN

Änderung durch EU-Mobilitätspaket: Mitführungspflicht verdoppelt sich

A7 wird zeitweise gesperrt

Duvenbeck übernimmt Sander Logistics

STELLENANGEBOTE

Bereichsleiter (m/w/d) Vertrieb

Leiter Versandlogistik (m/w/d)

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Teamleiter Lager im Handelslager/ Brennschneidbetrieb (w/m/d)

WEITERLESEN

NEWSLETTER