Berlin. Autofahrer in Deutschland warten gespannt auf den Dieselgipfel. Drohen in großen Städten Fahrverbote? Und wer zahlt dafür, dass die Luft besser wird? Am Mittwoch verhandeln Vertreter der Autobranche, der Bundesregierung und der betroffenen Ländern über Nachrüstungen für Dieselautos. Die Erwartungen an den Gipfel:
Die AUTOBRANCHE hält Softwareupdates für die beste Lösung. Betriebsräte der großen Autofirmen halten den Dieselantrieb noch auf Jahre für unverzichtbar. Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 und zum Teil auch Euro 6 sollten deshalb flächendeckend nachgebessert, Diesel- Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 1 bis 4 mit Hilfe einer „Öko-Prämie” beschleunigt ausgetauscht werden, sagte der Präsident des Branchenverbandes VDA, Matthias Wissmann, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
UMWELT- UND VERBRAUCHERSCHÜTZER fordern Rückrufe und Pflicht- Nachrüstungen für alle Diesel der Abgas-Normen 5 und Euro 6. Diese Fahrzeuge müssten am Motor nachgerüstet werden, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, am Montag in Berlin. Die bisher geplanten „Updates” der Motor-Software hält Resch weder für ausreichend noch für rechtens.
Die BUNDESREGIERUNG ringt noch um eine gemeinsame Position. Justizminister Heiko Maas (SPD) wirft der Union einen Zickzackkurs vor. Eine Musterfeststellungsklage, an der sich mehrere Verbraucher gemeinsam beteiligen können, „könnte den Autokäufern in Deutschland bereits offenstehen, wenn CDU/CSU sie nicht in der laufenden Wahlperiode blockiert hätten”, kritisierte er. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will, „dass die Fahrzeuge schnellstens auf Kosten der Hersteller optimiert werden”. Er erwarte beim Gipfel ein „akzeptables Angebot” der Automobilindustrie. Für Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist eine Software-Nachrüstung nur ein erster Schritt. In einem zweiten Schritt müssten die Autobauer dann die Hardware der Fahrzeuge nachrüsten, „und zwar auch auf ihre Kosten”.
Einige BUNDESLÄNDER schlagen vor, die Krise auch mit öffentlichem Geld anzugehen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil brachte „steuerliche Anreize oder eine Art Klimaprämie” für den Umstieg von alten Diesel- auf Euro-6- und Elektroautos ins Gespräch. Weils bayerischer Kollege Horst Seehofer (CSU) will eine geringere Kfz-Steuer als Anreiz zum Kauf neuer, emissionsarmer Euro-6-Diesel. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geht davon aus, „dass es beim Diesel-Gipfel die Zusage für wirksame und nachprüfbare Schadstoffsenkungen zügig für die gesamte Euro-5- und Euro-6-Flotte gibt - und dass die Industrie die Kosten für die Nachrüstung trägt”.
Bei FDP UND GRÜNEN im Bund stoßen Steueranreize auf Widerspruch: „Schon jetzt fließen Milliarden an Steuervergünstigungen in den Diesel, ohne dass es dafür eine umwelt- oder klimapolitische Begründung gibt”, sagte der Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer. FDP-Chef Christian Lindner sagte der „Passauer Neuen Presse”: „Die Konzerne sind selbst gefordert und in der Pflicht, die Abgas-Probleme zu lösen und die notwendigen technischen Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen schnell vorzunehmen. Das ist keine Aufgabe der Steuerzahler.”
Auch der STEUERZAHLERBUND hat sich gegen staatliche Prämien oder Steuernachlässe für neue Dieselfahrzeuge ausgesprochen. Präsident Reiner Holznagel sieht die Automobilindustrie in der Pflicht, nicht die Politik, wie er am Montag im Deutschlandfunk sagte.
Die GEWERKSCHAFTEN heben die beschäftigungspolitische Bedeutung des Diesels hervor. Die IG-Metall setzt sich für eine bessere digitale Verkehrssteuerung, einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie der Erdgas-Infrastruktur als Sofortmaßnahmen ein. (dpa)