Der "Alte" will es noch mal wissen

Wer nicht teilnimmt, hat bereits verloren. Diese Philosophie vertritt Scania beim Green-Truck (GT). Denn die Schweden schickten bislang zu jeder Ausgabe des von der VerkehrsRundschau ausgerufenen Wettbewerbs einen G oder R ins Rennen. Und gewannen 2014 mit dem G 410 den Titel. Ein Erfolg, den dessen größerer Bruder R 450 nun wiederholen soll. Dafür gab man ihm in Södertälje neben GPS-Tempomat, auskoppelbarem und nochmals erstarktem Retarder sowie einer verfeinerten Eco-Roll-Strategie vor allem eines mit auf den Weg: "SCR-Only" oder anders gesagt, den Verzicht auf eine Abgasrückführung, die bekanntermaßen größere Kühler benötigt. Die sorgen für eine höhere Verlustleistung, also mehr Dieselverbrauch. Auf der anderen Seite hat´s aber einen deutlich höheren AdBlue-Verbrauch zur Folge. Doch dazu später mehr ... Zunächst erfreuen wir uns am spontanen Antritt und dem hohen Drehmoment von 2350 Newtonmetern, die das Common-Rail-Aggregat trotz normalem Single-Turbo bereits ab 1000 Touren liefert. Doch auch unterhalb dieser Marke arbeitet der Sechszylinder kultiviert und frei von Vibrationen. Worum auch die automatisierte Opticruise-Schaltung weiß und stets um niedrige Drehzahlen bemüht ist. An Steigungen lässt sie den 12,7-Liter-Motor entsprechend lange ziehen und stuft früh wieder hoch. Zudem gefällt Opticruise nach wie vor mit schnellen und harmonischen Gangwechseln. CCAP hilft Diesel zu sparen Gut dazu passt der vorausschauende Tempomat CCAP. Beim Test nutzen wir dessen, mit deutschen Autobahnen am besten zu vereinbarende Standardeinstellung. In der lässt CCAP das Tempo bei gesetzten 85 km/h um maximal acht km/h abfallen und rollt so nicht langsamer als mit Tempo 77 über Kuppen. Womit der Geschwindigkeitsabbau nicht so hoch ausfällt, dass nachfolgende Kollegen irritiert werden. Vor schweren Steigungen erhöht die Elektronik das Tempo zudem um bis zu vier km/h, womit der 40-Tonner mehr Schwung mitnimmt und sich so manche Rückschaltung erspart. Bergab übernimmt dann der integrierte Retarder. Der bringt zwar im Vergleich zu den verstärkten Motorbremsen mancher Konkurrenten knapp zwei Zentner Mehrgewicht. Dafür hat der jetzt auf 4000 Newtonmeter Bremsmoment erstarkte Retarder aber in keinem Gefälle der Testrunde Probleme, die Fuhre im Zaum zu halten - verschleißfrei und ohne einen Anstieg der Geräuschkulisse. In letzterem Kapitel gehört der Scania auch in seinem 21. - und wohl letztem - Produktionsjahr übrigens noch immer zu den Besten. Bei Marschtempo 85 dringen lediglich 63 dB(A) ans Fahrerohr. Damit ist der Schwede leiser als manch jüngerer Wettbewerber. Gleiches gilt nach wie vor für Ergonomie und Bedienbarkeit am Arbeitsplatz. Alle Bedienelemente sind übersichtlich platziert und dank des zum Fahrer gewölbten Armaturenträgers ohne Vorbeugung erreichbar. Hoffentlich behält Scania diese Philosophie auch beim Nachfolger bei, den die Branche zur IAA im September mit Spannung erwartet. Ebenso wie die Lenkung, die auch bei diesem Testwagen Scania-typisch direkt ausgelegt war. Sportliche Fahrwerksabstimmung Das sorgt zusammen mit der eher straffen Fahrwerksabstimmung zwar dafür, dass sich der Schwede sportlich in Kurven werfen lässt. Trotzdem erntet diese Abstimmung nicht nur Lob. Gibt es am Fahrkomfort bei voll beladenem Auflieger nichts zu mäkeln, wendet sich das Blatt aber bei Teilbeladung und erst recht bei Leerfahrten. Vor allem die Hinterachse teilt dann kräftig aus. Ein Umstand, der sich immerhin durch die optionale Vierbalg-Luftfederung an der Hinterachse etwas lindern lässt, weshalb sie unbedingt mitbestellt werden sollte. Über die verfügte auch das Testfahrzeug und dazu noch über einige andere Optionen, die dem Fahrer unterwegs das Leben versüßen. Wie zum Beispiel die große Topline-Kabine. Auch wenn die in Sachen Raumgefühl und Bewegungsfreiheit im Vergleich zu anderen Großraum-Fahrerhäusern á la DAF Super Space Cab oder Actros GigaSpace nicht mithalten kann. Dafür fehlt es dem Topline vor allem an Kabinenlänge, was für den Fahrer in der Standzeit einen umständlichen Kabinenumbau bedeutet, um das untere Bett auf volle Breite auszuziehen. Und ein Motortunnel ist in dieser Klasse ebenfalls nicht mehr zeitgemäß. Hier macht sich das fortgeschrittene Alter des Scania bemerkbar. Niedriger Verbrauch und trotzdem schnell Für den "Maschinenraum" gilt das allerdings nicht. Der R 450 absolvierte unsere Testrunde mit einem Schnitt von 81,1 km/h. Und reiht sich damit bei den schnellen Vertretern der 450-PS-Klasse ein. Wichtiger als das dürfte den meisten Eignern allerdings das Thema Kraftstoffverbrauch sein. Und hier markiert der Schwede mit 23,82 l/100 km einen neuen Bestwert auf der VR-Profi-Testrunde. Darin anteilig enthalten ist auch der AdBluekonsum des SCR-Only, der mit 7,94 Prozent erwartungsgemäß etwas höher liegt als bei den SCR-AGR-Konkurrenten. Mit diesem Ergebnis schiebt sich der R 450 vorerst an die Spitze in der Green-Truckwertung. Ob´s am Ende für den Titel reicht, lesen Sie in der nächsten VR. Schließlich handeln auch andere Lkw-Hersteller nach der eingangs erwähnten Philosophie! Alle Tests und Fahrberichte für Premium-Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Kommentar Der "Alte" hält noch mit Auch wenn der aktuelle Scania kurz vor seiner Ablösung steht, hält er bei Verbrauch und Tempo noch problemlos mit. Der vorausschauende Tempomat arbeitet sehr professionell und spart kräftig Sprit. Doch auch wenn der R bei den Fahrern nach wie vor hoch im Kurs steht, merkt man der Topline-Kabine ihr Alter deutlich an. Hoffentlich bietet der Nachfolger mehr Kabinenlänge und damit Platz sowie ein komfortableres Fahrwerk.Kontakt: gerhard.gruenig@springer.comGerhard Grünig VR-Chefredakteur Scania im TÜV-Urteil Alle Servicepunkte finden sich beim Scania unter der großen Frontklappe. Zum Tauschen der Lufttrocknerpatrone sowie des Kraftstofffilters muss man die Kabine kippen. 90.000 Kilometer Serviceintervall (Getriebe, HA und Retarder: 240.000 Kilometer) im Fernverkehr sind im Vergleich zur Konkurrenz nicht viel - bei schwerem Einsatz reduziert sich das Ölwechsel-Intervall zudem auf 60.000 Kilometer. Dafür genügen günstige 10 W 40-Öle. Der Partikelfilter lässt sich reinigen und muss alle 440.000 Kilometer getauscht werden, der SCR-Kat muss nach 120.000 zur Durchsicht. Anachronistisch sind zwölf Schmiernippel am Fahrgestell. Wasser- und Öleinfüllstutzen sind gut zugänglich, die meisten Behälter sind durchsichtig und erlauben eine einfache Füllstandskontrolle. Die Hydraulik der Kupplungsbetätigung (2-Pedal) ist nur bei gekippter Kabine erreichbar. Die Ölfilter für Haupt- und Nebenstrom sitzen günstig vorne links, stehend am Motor. Waschwasser für die Frontscheibe füllt der Fahrer gut erreichbar im linken, oberen Einstieg ein. Hinter dem rechten Einstieg findet sich die Luftfilter-Verschmutzungsanzeige.