Den Blaumachern auf der Spur

Wer Mitarbeiter ohne begründeten Verdacht überwacht, bewegt sich auf dünnem Eis, stellten die Richter des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt klar. Das Gericht schützt die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten und will so verhindern, dass Chefs ihre Mitarbeiter unter Druck setzen. Arbeitgeber dürfen ihre Mitarbeiter deshalb weder präventiv noch flächendeckend bespitzeln. Selbst wer vermutet, dass der Beschäftigte krank feiert, darf diesen nicht ohne konkreten Verdacht überwachen. Dennoch haben Unternehmer Möglichkeiten, ihren Blaumachern auf die Schliche zu kommen. 1 Dürfen Arbeitgeber Mitarbeiter bespitzeln lassen, die im Verdacht stehen, krank zu feiern? Nur bei einem konkreten Verdacht auf eine schwere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dürfen Arbeitgeber ihren Angestellten genauer auf die Finger schauen und sogar einen Detektiv einschalten. "Aussagen von Kollegen, dass der Mitarbeiter angekündigt hat, krank zu feiern oder anonyme Anrufe, dass der Krankgemeldete gerade schwarz arbeitet, sind begründete Verdachtsmomente, die eine Überwachung rechtfertigen", erläutert Marcus Lentz, Geschäftsführer der Frankfurter Detektei Lentz. Eindeutig ist die Rechtslage, wenn Arbeitnehmer trotz Krankschreibung einer Nebentätigkeit nachgehen. Wer wegen Rückenproblemen krankgemeldet ist oder wegen Fieber das Bett hüten soll, riskiert die Kündigung, wenn er auf der Baustelle eines Freundes arbeitet oder auf eigene Rechnung Waren ausfährt. "Es reicht aber nicht aus, einen krankgeschriebenen Mitarbeiter beim Einkaufen zu sehen", präzisiert Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Manske & Partner in Nürnberg. "Arbeitgeber brauchen konkrete Hinweise, dass sich ein Mitarbeiter genesungswidrig verhält, um diesen überwachen zu dürfen", sagt der Arbeitsrechtler. Einem ärztlichen Attest müssen Chefs erst einmal Glauben schenken. Selbst wenn sie eine Regelmäßigkeit bei den Krankmeldungen feststellen - im Anschluss an das Wochenende - rechtfertigt das keine Überwachung. Arbeitgeber sollten in solchen Fällen den medizinischen Dienst der Krankenkassen einschalten, um zu überprüfen, ob der Mitarbeiter wirklich krank ist. 2 Wann ist eine Überwachung von Mitarbeitern erlaubt? Hat der Firmenchef belegbare Hinweise darauf, dass Mitarbeiter bei den Arbeitszeiten tricksen, den Fahrtenschreiber manipulieren oder schwarz arbeiten, kann dies eine Überwachung rechtfertigen. Bei einem konkreten, auf Tatsachen gestützten Verdacht auf eine Straftat wie Sachbeschädigung, Diebstahl, Produktpiraterie oder Verrat von Betriebsgeheimnissen kann in begründeten Fällen sogar eine heimliche Kameraüberwachung zulässig sein (BAG-Urteil vom 27.3.2003, 2 AZR 51/02; BAG-Urteil vom 21.6.2012, 2 AZR 153/11). Beispielsweise wenn sich der tatverdächtige Mitarbeiter nur durch eine verdeckte Videoüberwachung überführen lässt. 3 In welchem Umfang dürfen Mitarbeiter überwacht werden? Eine Überwachung muss den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit folgen und darf nur dazu dienen, den Tatverdacht zu überprüfen. Sie kommt als letztmögliches Mittel in Betracht. Die Persönlichkeitsrechte müssen gewahrt werden. Das Innere der privaten Wohnung eines Beschäftigten ist ebenso tabu wie Fotos und Videoaufnahmen, die ihn im privaten Rahmen zeigen. "Im Zweifelsfall ist es besser, auf Fotos und Videos als Beweismaterial zu verzichten", weiß Detektei-Chef Lentz, "denn es darf nichts dokumentiert werden, was über das berechtigte Interesse des Arbeitgebers hinausgeht oder die Persönlichkeitsrechte des Verdächtigen verletzt." Die Zeugenaussage eines Detektivs habe vor Gericht mehr Gewicht. 4 Wann sind Videoüberwachungen im Betrieb zulässig? Eine generelle Überwachung der Angestellten per Kamera ist verboten. Der Arbeitsplatz darf nicht gefilmt werden. Gleiches gilt für Umkleiden, Toiletten, Aufenthalts- oder Waschräume. Eine verdeckte Kameraüberwachung ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn ein dringender Verdacht auf eine Straftat vorliegt. Dann muss sich die Bespitzelung auf die verdächtige Person und mögliche Tatorte wie Lager oder Kassen beschränken. Eine offene Videoüberwachung ist in Verkaufsräumen erlaubt, um Diebstähle zu vermeiden. In öffentlich zugänglichen Räumen muss dann jedoch ein sichtbarer Hinweis auf die Kameraüberwachung erfolgen. "Generell gilt bei Videoüberwachungen das Prinzip der Datensparsamkeit", erklärt Arbeitsrechtler Markowski. Das Datenschutzgesetz gestatte Firmenchefs nur, das absolut Notwendige zu filmen. "Durch die Installation der Kameras darf kein Überwachungsdruck aufgebaut werden. Sonst können Mitarbeiter auf Schadenersatz klagen", warnt der Jurist. 5 Muss der Betriebsrat gefragt werden? Wollen Firmenchefs Videoüberwachungen einsetzen, müssen sie immer vorher den Betriebsrat fragen. Ohne dessen Zustimmung dürfen keine Kameras installiert werden. Bei einem konkreten Tatverdacht handeln manche Firmenchefs jedoch, ohne den Betriebsrat einzuschalten. "Wird der Verdächtige überführt, ist eine Verwendung der Videoaufnahmen im Prozess möglich, auch wenn der Betriebsrat vorher nicht gefragt wurde", sagt Markowski. 6 Wie verhält es sich mit technischen Bespitzelungsmethoden wie Handys, Navigationsgeräten oder Bordcomputern? Der Einbau von technischen Geräten, die in der Lage sind, das Verhalten von Mitarbeitern zu kontrollieren oder ihre Leistung zu messen, ist ohne Genehmigung des Betriebsrats nicht zulässig. Eine GPS-Überwachung von Fahrzeugen per Bordcomputer, Navigationsgerät oder Handy in Speditionen können Arbeitnehmervertreter jedoch kaum ablehnen, wenn begründete betriebliche Interessen dafür sprechen. Unternehmer wollen so Fahrer, Lkw und Ladung schützen, Lenkzeiten kontrollieren, flexibel Aufträge an die Fahrer verteilen oder durch die Analyse der Streckenprofile Sprit sparen. "Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die Technik der Rationalisierung dient und nicht zur Überwachung der Mitarbeiter eingesetzt wird", betont Arbeitsrechtler Ulrich Haase von der Frankfurter Kanzlei RSB Rechtsanwälte. Stellen Firmenchefs bei der Auswertung der GPS-Daten fest, dass Fahrer regelmäßig von der Route abweichen, kann dies eine detailliertere Überwachung rechtfertigen. "Wird dabei entdeckt, dass der Mitarbeiter während der Arbeitszeit Fremdarbeiten für einen anderen Spediteur ausführt, können die GPS-Daten auch vor Gericht Bestand haben", meint Haase. "Ohne Betriebsvereinbarung haben Arbeitgeber jedoch schlechte Karten vor Gericht". 7 Welche Folgen hat eine unzulässige Bespitzelung von Mitarbeitern? Der Beschäftigte kann von seinem Arbeitgeber vor Gericht Schmerzensgeld einklagen. Wird der verdächtige Mitarbeiter jedoch überführt und wäre die Straftat oder arbeitsvertragliche Pflichtverletzung ohne die Bespitzelung durch einen Detektiv nicht aufgedeckt worden, muss der Arbeitnehmer die Kosten der Überwachung tragen (BAG-Urteil vom 8.5.2009, 8 AZR 226/08). "Meist führt diese Schadenersatzforderung zu einer schnellen Einigung mit dem gekündigten Mitarbeiter", sagt Anwalt Haase. Detektiveinsatz Schmerzensgeld für unzulässigen Detektiveinsatz Zweifelt ein Arbeitgeber die Krankmeldung seines Mitarbeiters an, darf er diesen nur bei einem konkreten, auf Tatsachen begründeten Verdacht auf eine schwere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung durch einen Detektiv beschatten lassen, urteilte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (AZ: 8 AZR 1007/13). Der Richterspruch vom 19. Februar dieses Jahres machte deutlich, dass eine Überwachung nur in engen Grenzen möglich ist, weil sie in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten eingreift. Das Einreichen mehrerer Krankschreibungen sowie ein Wechsel der ärztlichen Diagnosen wie im aktuellen Fall einer Sekretärin reiche nicht aus, um den Verdacht des Krankfeierns zu erhärten, begründeten die höchsten Arbeitsrichter. Das Überwachen und heimliche Filmen der Mitarbeiterin durch einen Detektiv sei somit rechtswidrig. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte das Urteil der Vorinstanz, die der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1000 Euro zugesprochen hatte. sadh

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