Interview: "Oft hilft nur eine einvernehmliche Vertragsänderung"

Der Rat zur Berechnung des Mindestlohns lautet derzeit, den Stundenlohn fix auf mindestens 8,50 Euro anzuheben und möglichst wenige Sonderzahlungen einzubeziehen. Viele Transport- und Logistikunternehmen müssten sich demnach von Weihnachts- und Urlaubsgeld, Boni und Spesen verabschieden. Geht das so einfach? Nein, so einfach ist es nicht. Es kommt immer darauf an, auf welcher Rechtsgrundlage eine Sonderzahlung beruht. Aus einem Tarifvertrag kann sich der Arbeitgeber beispielsweise kaum lösen. Auch aus einer Betriebsvereinbarung kommt er nur schwer heraus. Beruht die Sonderzahlung auf einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung, hilft nur eine einvernehmliche Vertragsänderung oder eine Änderungskündigung. Das gilt auch für eine betriebliche Übung, also die dreimalige vorbehaltlose Zahlung. Manche Arbeitgeber haben ihre arbeitsvertraglichen Klauseln mit einem Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt versehen. Ist es für sie einfacher, bei Sonderzahlungen den Rotstift anzusetzen? Nicht unbedingt. Es kommt hier sehr auf die genaue Formulierung an. Heute gibt es beispielsweise kaum noch einen Freiwilligkeitsvorbehalt, den das Bundesarbeitsgericht für wirksam erachtet. Der Freiwilligkeitsvorbehalt besagt in der Regel, dass die Zahlung freiwillig erfolgt und keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Bei einem Widerrufsvorbehalt ist eine Lösung nur aus sachlichen Gründen möglich. Dazu können finanzielle Schwierigkeiten des Unternehmens zählen. Der Mindestlohn allein dürfte dafür aber nicht ausreichen. Eine Kombination von Freiwilligkeitsund Widerrufsvorbehalt hält das Bundesarbeitsgericht dagegen für unwirksam. Schließlich kann der Arbeitgeber eine Vertragsänderung vorschlagen, um eine bisherige Sonderzahlung zu beseitigen. Stimmt der Mitarbeiter nicht zu, bleibt ihm nur die Änderungskündigung. Wäre diese denn wirksam? Bei einer Änderungskündigung kündigt der Arbeitgeber das alte Arbeitsverhältnis, macht aber gleichzeitig das Angebot, ein neues abzuschließen. Eine solche Kündigung kann der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage angreifen. Der Mindestlohn allein ist aber kein Kündigungsgrund. Für Kleinbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern gilt das Kündigungsschutzgesetz übrigens nicht. In solchen Unternehmen könnte die Kündigung etwas einfacher durchgesetzt werden.

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