Das Geld ist spätestens nach zwei Tagen da

Derzeit lassen sich Geschäftspartner in Deutschland laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform im Durchschnitt 10,59 Tage Zeit, bis sie zahlen. Das zeigt eine Analyse auf Basis des Creditreform Debitorenregisters Deutschland, für das im Sommer rund 3,3 Millionen Rechnungsbelege ausgewertet wurden. Spediteure, Transporteure und Logistiker müssen vor allem bei größeren Verladern nach getaner Arbeit oft noch länger auf ihr Geld warten, was manche von ihnen finanziell in Not bringt. Immer mehr Güterverkehrsunternehmen verkaufen daher ihre offenen Forderungen an eine Factoring-Gesellschaft, um liquide zu bleiben. Ein solches Finanzierungsinstitut überweist abzüglich einer Provision in der Regel bereits ein bis zwei Tage später bis zu 90 Prozent des Ankaufpreises auf das Konto seines Kunden - und damit deutlich vor dem auf der Rechnung ausgewiesenen Zahlungsziel. Wer die Dienstleistung des Factors in Anspruch nimmt, kann damit sofort Anschaffungen finanzieren oder Fixkosten decken. Den Rest seines Rechnungsbetrags erhält er, wenn sein Geschäftspartner die Forderung begleicht. Das ermöglicht eine verlässliche Finanzplanung. Auf Wunsch übernimmt die Factoring-Gesellschaft meistens zudem das Mahn- und Inkassowesen sowie das Risiko eines Zahlungsausfalls. Planungssicherheit statt klamme Kasse Danny Stiegler ist froh, dass er nicht mehr monatelang auf sein Frachtentgelt warten muss: "Wir hatten in der Vergangenheit extrem hohe Außenstände, weil es nicht ungewöhnlich ist, dass sich unsere Kunden bis zu 90 Tage Zeit lassen, bis sie zahlen", berichtet der Geschäftsführer der Stiegler Logistik Gruppe. Das Transportund Logistikunternehmen ist im Bereich der Teil- und Komplettladungen sowie Sondertransporte mit 25 Lkw europaweit für 15 große Zulieferer aus der Automobilbranche unterwegs. Bei wichtigen Kunden stehen jeweils bis zu 150.000 Euro im Monat aus. Dank Factoring erhält Stiegler seit einigen Jahren zwischen 80 und 90 Prozent der Forderungen pünktlich erstattet. Das geht relativ einfach: "Wir spielen unsere Rechnungen meistens mittags in das IT-System der Aktivbank ein und am nächsten Tag haben wir um 12 Uhr das Geld auf unserem Konto", erklärt er. "Die meisten Transport- und Logistikunternehmen nutzen Factoring, um ihre laufenden Betriebskosten unabhängig von der Zahlungsmoral ihrer Kunden fristgerecht zu decken - Mieten, Löhne, Kraftstoff", berichtet Larsen Hechler, Regionalleiter Factoring Vertrieb bei der Aktivbank. Aus seiner Erfahrung ermöglicht es den Güterverkehrsunternehmen auch, Betriebsmittel für neue Geschäfte zu finanzieren, ohne dafür den Kontokorrentkredit ihrer Hausbank zu belasten - etwa bei Investitionen in den Fuhrpark. "Sie können mehr Aufträge abwickeln und Skonto ziehen, weil sie ihre Rechnungen zügig bezahlen." Dank der verbesserten Liquidität können Factoring-Kunden auch ihre Verbindlichkeiten reduzieren - in der Folge verkürzt sich die Bilanz. So erhöht sich ihre Eigenkapitalquote, was dem Bankenrating und den Kreditkonditionen zugutekommt. Auch bei Boskovski & Kernebeck in Münster ist das Finanzierungsinstrument seit der letzten Wirtschaftskrise nicht mehr wegzudenken. Die Spedition fährt mit knapp 30 Lkw hauptsächlich im England-Verkehr für verschiedene Industriekunden oder andere Güterverkehrsunternehmen und nutzt seit neun Jahren eine Factoring-Lösung von Bibby Financial Services. Gerade bei ausländischen Auftraggebern sei das eine zusätzliche Sicherheit, sagt Speditionsleiter Dennis Dütschke. Oft würden von ihnen Zahlungsziele aus- oder überreizt. "Drei Monate alles vorzufinanzieren ist für viele Spediteure angesichts des steigenden Dieselpreises und der geplanten Lkw-Maut-Erhöhung unmöglich", nennt er ein Beispiel aus dem Alltag. Als Auftragnehmer würde man sich zudem nicht überall im Ausland mit der Rechtslage auskennen und könne Probleme nicht immer in der jeweiligen Landessprache lösen. Immer mehr Firmen nutzen Factoring Der gestiegene Wettbewerb unter den Factoring-Anbietern macht es Unternehmen zunehmend einfacher, das Instrument zu nutzen. Die Finanzierungsinstitute in Deutschland öffnen sich aus Sicht von Andreas Dehlzeit, Geschäftsführer von Bibby Financial Services, inzwischen mehr und mehr für kleinere Betriebe. Spezialisiert auf die Transport- und Logistikbranche sind mehr als ein Dutzend Anbieter. Sie brauchen zwar im Gegensatz zu Banken keine Sicherheiten für ihr Geschäft. Factoring ist aber kein Mittel, um sich auf die Schnelle aus einer wirtschaftlichen Schieflage zu retten. Die Anbieter dieses Instruments schauen schon aus Gründen finanziellen Eigeninteresses genau hin: Vor einem Vertragsabschluss werden potenzielle Factoring-Neukunden eingehend geprüft. Nur gesunde Unternehmen mit werthaltigen Forderungen, guter Bonität und sicherer Ertragskraft kommen nach Angaben des Deutschen Factoring-Verbandes infrage. Wer Factoring nutzen möchte, muss bestimmte Unterlagen vorlegen: etwa den Jahresabschluss, eine betriebswirtschaftliche Auswertung des laufenden Geschäftsjahres und eine Liste der offenen Posten. Die Anbieter finanzieren eigenen Angaben zufolge bereits Unternehmen ab einem Jahresumsatz von 100.000 Euro. De facto geht es aber erst ab einem Jahresumsatz von 250.000 Euro los. "Darunter stehen Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis", erläutert Michael Ritter, stellvertretender Vorstandsvorsitzender beim Bundesverband Factoring für den Mittelstand. Ähnlich komplex wie das Bewertungsverfahren der Factoring-Gesellschaften sind die Konditionen. Sie setzen sich meist aus einer Gebühr für die in Anspruch genommene Dienstleistung sowie einem Zins für die Vorfinanzierung der Rechnungsbeträge zusammen. "Die Spanne ist groß", betont Hechler von der Aktivbank. Die Factoring-Gebühr reiche von 0,2 bis zu 2,5 Prozent des angekauften Forderungsvolumens. "Wir starten zum Beispiel ab einem Jahresumsatz von 400.000 Euro bei einer Gebühr um die 2,0 Prozent und 0,2 Prozent erhält bei uns ein Kunde, der mit uns einen Jahresumsatz von 20 Millionen Euro macht." Der Zins entspricht banküblichen Konditionen und liegt - je nach Risiko - bei 1,95 bis 3,95 Prozentpunkten über dem Refinanzierungssatz der Banken, dem Drei-Monats-Euribor. Generell gilt laut Ritter vom Bundesverband Factoring für den Mittelstand: Je besser die Bonität des Factoring-Kunden (Kreditor) und seiner Geschäftspartner (Debitoren), je höher der Umsatz und je kürzer die Forderungslaufzeiten, desto günstiger wird es. Eine Rolle spielt auch, ob ein Unternehmer für das vierte Glied in der Transportkette fährt - oder direkt für Daimler oder Schenker. Weil bei Subunternehmern das Risiko steigt und sie mehr Betreuung vom Finanzierer (Factor) benötigen, schlägt sich das auf die Gebühren nieder. Bei kleinen Betrieben berechnen die Finanzierungsinstitute oft eine All-Inclusive-Pauschale auf angekaufte Forderungen. "Zwischen den Konditionen liegen Welten - ein Kostenvergleich lohnt sich", sagt Factoring-Experte Ritter. Die Institute entlasten die Buchhaltung Als die Stiegler Logistik Gruppe mit Factoring begonnen hat, fiel eine Gebühr von 1,2 Prozent des Rechnungsbetrags an. "Mittlerweile liegen wir bei rund 0,5 Prozent, weil wir in den vergangenen Jahren gewachsen sind und inzwischen fünf bis sechs Millionen Euro Umsatz im Jahr machen", berichtet Geschäftsführer Stiegler. Das hat sich positiv auf die Auszahlungsquote ausgewirkt. Sie liegt nun meistens bei 90 Prozent des Rechnungsbetrags. "Das hat sicherlich mit dem geringen Ausfallrisiko zu tun, wenn man für Konzerne aus der Automobilindustrie fährt", sagt er. Zu schätzen weiß Stiegler nicht nur die zügige Zahlung, sondern auch die Unterstützung bei der Buchhaltung. Er reicht Rechnungen für alle Frachtaufträge bei der Aktivbank ein und stellt einen Antrag auf einen Ankauf. "Sobald jemand nicht bezahlt, erhalten wir eine Benachrichtigung und können dann entscheiden, ob und wie eine Rechtsverfolgung stattfinden soll", erklärt Stiegler. Ähnlich läuft es bei der Spedition Boskovski & Kernebeck. "Die Abwicklung des Debitorenmanagements und das automatische Mahnwesen sparen uns eine Bürokraft", sagt Dütschke. Dank der laufenden Bonitätsprüfung der Endschuldner funktioniert Factoring für den Speditionsleiter von Boskovski & Kernebeck nebenbei wie ein Frühwarnsystem. "Über Bibby erhalten wir Informationen über die wirtschaftliche Situation und Zahlungsmoral potenzieller Neukunden", erklärt Dütschke. Wenn der Finanzierer einen Geschäftspartner ablehnt oder für ihn wegen schlechter Zahlen nur ein kleines Versicherungslimit einräumt, überlegt er sich nach eigener Aussage zweimal, ob er mit diesem Kunden zusammenarbeitet. Fintechs stellen weniger Anforderungen Bibby Financial Services bewertet das Risiko bei Neugeschäften strenger als früher. "Viele rechnen damit, dass nach Jahren des Aufschwungs bald wieder eine Konjunkturflaute kommt", sagt Bibby-Chef Dehlzeit. Um die deutsche Wirtschaft sorgt er sich auch wegen aktueller politischer Unwägbarkeiten wie US-Strafzöllen oder dem Brexit. "Im Zweifel sind die Transport- und Logistikunternehmen zuerst vom Abschwung betroffen und darum schauen wir bei diesen Kreditoren und deren Debitoren etwas genauer auf die Bonität und die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls", erklärt er. Generell ist allerdings keine Verschärfung der Anforderungen zu beobachten. Transport- und Logistikunternehmen, die Lieferungen und Leistungen für solvente Großkunden erbringen, finden problemlos einen Finanzier, der ihre Forderungen übernimmt und einen Vorschuss sofort auszahlt. Und falls die klassischen Finanzierungsinstitute sich doch weigern, sind Fintechs eine Alternative, die seit zwei Jahren vermehrt im Factoringmarkt mitmischen. Die Start-ups haben kleine Betriebe im Fokus, die nicht die geforderten Umsätze der bekannten Factoring-Gesellschaften erreichen. Bei Fintechs wie Billie können Unternehmer online mit wenigen Mausklicks auch einzelne Rechnungen vorfinanzieren lassen. Eine Besonderheit, denn in der Regel muss ein Rahmenvertrag mit einem Factoring-Institut oder einer Bank geschlossen werden, der ein Mindestvolumen über einen Zeitraum hinweg garantiert. Die Rechnungsvolumina liegen oft zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Die Fintechs setzen zwar auf eine schlankere und flexiblere Handhabung, sind aber teilweise teurer und bieten weniger Services an - zum Beispiel ist eine Versicherung des Ausfallrisikos nicht bei allen inklusive. Kleinere Mittelständler entscheiden sich oft für einen Full-Service, bei dem der Anbieter auch das Debitorenmanagement übernimmt und notfalls säumige Schuldner zur Zahlung mahnt, um sich von Verwaltungsaufgaben zu befreien. Größere Mittelständler benötigten laut dem Deutschen Factoring-Verband hingegen oft nur das Inhouse-Factoring. Bei Kunden ab einer Jahresumsatzgröße über zehn Millionen Euro spiele die Auslagerung des Debitorenmanagements eher eine nachrangige Rolle. Diese verfügen selbst über das entsprechende Know-how. Gegengeschäfte sind schwierig Damit sich die Forderungen verkaufen lassen, müssen diese in vollem Umfang erbracht und frei von Einreden sein. Hieraus ergibt sich der Zahlungsanspruch. Verrechnungen und Gegenforderungen, wie sie in der Transportbranche üblich sind, erschweren den Forderungsverkauf. Zum Beispiel, wenn Lkw-Fahrer auf dem fremden Betriebshof tanken dürfen oder Paletten getauscht werden. "Daher schließen manche Factorer Verrechnungen aus", sagt Dehlzeit. Oft lasse sich dieses Problem durch eine Vereinbarung zwischen den Geschäftspartnern lösen, in der sie auf gegenseitige Aufrechnungen verzichten. Einige Factoringanbieter akzeptieren hingegen Verrechnungen, erhöhen den Sicherheitseinbehalt dann aber auf 20 bis 30 Prozent des Rechnungsbetrags oder richten ein Sperrkonto ein. Sei dies unmöglich, weil Verlader die Abrechnung von Aufträgen über externe Dienstleister vermeiden wollen, empfiehlt sich stilles Factoring. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Finanzierung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Zusammenfassung Alle Vorteile auf einen Blick- mehr Liquidität: Der Factor übernimmt dauerhaft die Außenstände und zahlt im Gegenzug 80 bis 90 Prozent der Rechnungsbeträge aus - abzüglich der vereinbarten Factoring-Gebühr und eines Zinses. Sie erhalten die Zahlung in der Regel innerhalb von 24, spätestens nach 48 Stunden.- umfassender Risikoschutz: Mit Ankauf der Forderung geht das Ausfallrisiko auf den Factor über. Selbst wenn Ihr Kunde wider Erwarten zahlungsunfähig wird, erhalten Sie den abgetretenen Forderungsbetrag. Der Factor prüft zudem laufend die Bonität Ihrer Debitoren.- einfachere Buchhaltung: Die meisten Factorer bieten neben der Finanzierung auch eine umfassende und dank IT-Schnittstelle einfache Verwaltung der Forderungen an - von der Überwachung der Zahlungseingänge bis zum Mahnwesen. Das spart Zeit und Geld.- besseres Bankenrating: Dank der verbesserten Liquiditätssituation können Sie Ihre Verbindlichkeiten reduzieren - in der Folge verkürzt sich die Bilanz. So erhöht sich Ihre Eigenkapitalquote, was Ihrem Bankenrating und den Kreditkonditionen zugutekommt.- Vorsprung im Wettbewerb: Mehr Liquidität durch Factoring heißt auch, dass Sie Ihren Kunden längere Zahlungsziele einräumen und zügig auf Marktentwicklungen reagieren können. Zugleich erweitert sich der Handlungsspielraum für Investitionen.ag

BGA: Situation im Großhandel ist schlecht

Luftfracht: DHL Express und Shell kooperieren

Konjunktur: KfW Research senkt Wachstumsprognose

Export: USA bleiben wichtigster Handelspartner

Batteriehersteller: Northvolt beantragt Gläubigerschutz

Alle Schlagzeilen

Das Geld ist spätestens nach zwei Tagen da

HASHTAG

#Wirtschaftsrecht

Belgien schafft Meldepflicht für selbständige Lkw-Fahrer aus dem EU-Ausland ab

AMÖ warnt vor Fax von Datenschutz-Betrügern

Wenn der Dienstleister patzt und es alle trifft

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

Fiege baut Logistikzentrum bei Leipzig

STELLENANGEBOTE

Area HR Business Partner

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

WEITERLESEN

NEWSLETTER