Das Dickschiff von der Ruhr

Es ist das wohl größte Logistikprojekt in Deutschland: Mehr als 170 beteiligte Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen und 30 abgeschlossene Projekte mit über 100 konkreten Ergebnissen - so lautet die Zwischenbilanz des EffizienzClusters LogistikRuhr. 25 Prozent weniger Ressourcen Der Zusammenschluss ist seit fünf Jahren aktiv und hat in der deutschen Logistiklandschaft eine Sonderstellung inne: Anders als bei anderen Initiativen geht es hier nicht darum, Firmen aus einer Region zu vernetzen, sondern um angewandte Forschung. "Wir wollen dabei helfen, effiziente Systeme für die Logistik von morgen zu schaffen und gleichzeitig die Ressourcen zu schonen", erklärt Christian Jacobi, Vorsitzender der Cluster-Geschäftsführung. Dieses Ziel hat man sogar mit einer konkreten Zahl unterfüttert: Der Cluster will dazu beitragen, dass Logistik auf lange Sicht mit 25 Prozent weniger Ressourcen auskommt. Außerdem sollen 4000 neue Arbeitsplätze als Folge seiner Arbeit entstehen. In den letzten Jahren war die Mega-Initiative an vielen Projekten beteiligt, die für Schlagzeilen gesorgt haben. Ein gutes Beispiel ist das Vorhaben Urban Retail Logistics, an dem unter anderem Rewe, Lekkerland und Metro mitgewirkt haben. Das Projekt hat erforscht, wie sich die logistische Versorgung der Innenstädte in Zukunft trotz weiter steigendem Verkehrsaufkommen sichern lässt. Als Ergebnis wurde angeregt, dass mehrere Handelsunternehmen vor den Toren der Stadt ein gemeinsames Versorgungszentrum aufbauen und Transporte in die City gebündelt durchführen. Ebenfalls viel beachtet war das Projekt Smarti, in dessen Rahmen acht Unternehmen und Forschungspartner getestet haben, wie sich mithilfe von funkenden Ladungsträgern Abläufe in der Logistik verbessern lassen. In der Luftfracht etwa werden die hier entwickelten Konzepte derzeit aufgegriffen. Eines der Schwerpunktthemen des Clusters ist die Grüne Logistik. "Hier werden neue Standards geschaffen - gerade auch auf europäischer Ebene", so Jacobi. Gemeinsam mit Wissenschaftlern haben sich die Praktiker aus dem Cluster zum Beispiel Gedanken über die CO2-Bilanzierung gemacht. CO2-Messung im Stückgut An einem dieser Projekte ist auch die Spedition Schmidt-Gevelsberg mit Sitz in Schwelm beteiligt. "Wir wollen Kennzahlen zu CO2 und anderen Schadstoffen in der Stückgutspedition ermitteln", erklärt Rolf Lorenz, Sprecher der Geschäftsführung. Vor allem die verursachergerechte Zuordnung von Emissionen sei nicht trivial. Das langfristige Ziel von Schmidt-Gevelsberg: den Kunden aus Industrie und Handel darüber informieren, welche Umweltbelastung durch den Transport seiner Sendung entstanden ist. "Es geht darum, insgesamt professioneller im Umgang mit Schadstoffen zu werden", betont Lorenz. Die interne Forschungsabteilung von Schmidt-Gevelsberg beschäftigt sich schon seit zehn Jahren mit der CO2-Erfassung. Durch den Austausch mit den anderen Clusterpartnern sei man entscheidende Schritte weitergekommen, lobt Lorenz. "Es hilft, Sparringspartner zu haben, mit denen man im kleinen Kreis diskutieren kann." Ein Produkt ist aus der Zusammenarbeit mit dem Cluster zwar noch nicht hervorgegangen, Geschäftsführer Lorenz sieht darin aber keinen Mangel. "Es geht darum, sich fit für die Zukunft zu machen." Er erwartet, dass Verlader in wenigen Jahren Schadstoffbilanzen von ihren Transportdienstleistern verlangen werden. Dann seien Stückgutspeditionen im Vorteil, die sich schon darauf vorbereitet haben. Unkenntnis im KV beheben Ein weiteres Problem, das der Cluster angehen will, ist die geringe Nutzung von Schiene und Schiff. 70 Prozent des gesamten Güteraufkommens in NRW eignet sich für den Binnenschifftransport, dennoch reist ein Großteil nach wie vor per Lkw. Ein Grund: "Vor allem kleine Unternehmen wissen nicht, was im Kombinierten Verkehr (KV) möglich ist", erklärt Achim Klukas, Wissenschaftler am Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML). Unter dem Dach des Clusters hat das IML zusammen mit dem Duisburger Hafen ein Projekt gestartet, das hier Abhilfe schaffen will. Ergebnis ist eine Software, mit der sich Transportketten gestalten lassen, die alle Verkehrsträger berücksichtigen. So wird auf einen Blick sichtbar, welche Alternativen es gibt - und zwar von Tür zu Tür. Das Programm wurde 2013 fertiggestellt, derzeit steht das IML in Gesprächen mit großen Unternehmen, die es einsetzen wollen. Außerdem nutzen die beteiligten Unternehmen Erkenntnisse aus dem Projekt für ihr Geschäft. "Bei der Industrialisierung sind wir auf einem guten Weg", resümiert Klukas. In Euro und Cent lässt sich der Nutzen - wie häufig bei solchen Grundlagenprojekten - allerdings nicht beziffern. Wie bei vielen Langzeitprojekten haben sich auch beim EffizienzCluster die Schwerpunkte verschoben. Vor allem Digitales ist auf der Agenda noch oben gerutscht. "Daran zeigt sich, wie wichtig Logistik in Verbindung mit der Industrie 4.0 ist", erklärt Jacobi. Das neueste Beispiel ist ein Projekt, bei dem der Einsatz von Drohnen in der Logistik erprobt werden soll. Die Vision von InventAiry: In Zukunft erledigen fliegende Roboter die Inventur im Lager. Sie heben nachts ab, navigieren selbstständig durch die Gänge und erfassen die Paletten - entweder über einen klassischen Barcode-Scan oder per Funk (RFID-Technik). Mithilfe der Drohnen wäre es möglich, eine Inventur nicht nur einmal im Jahr, sondern häufiger durchzuführen. Auf Unternehmensseite beteiligt sich unter anderem die schwäbische Spedition Wiedmann. Cluster ist nicht auf NRW beschränkt Hier zeigt sich eine weitere Besonderheit des EffizienzClusters: Er ist nicht regional beschränkt. Natürlich dominieren im Partnerverzeichnis Firmen und Organisationen aus NRW, doch auch Unternehmen aus anderen Bundesländern und sogar aus Belgien oder Griechenland sind vertreten. Das ist kein Zufall, sondern vom Bund gewollt - und findet bei den Mitgliedsunternehmen großen Anklang. "Es gibt eine große Nachfrage nach Kontakten zu Clustern im Ausland und natürlich auch nach Fördermitteln", berichtet Jacobi. Ende dieses Jahres läuft die Förderung aus Bundesmitteln aus, doch der Cluster wird darüber hinaus bestehen. Für die Partnerunternehmen wurde ein Verein (Effizienz-Cluster Logistik e.V.) gegründet und auch die beteiligten Forschungsinstitute stehen weiter in Kontakt. Bleibt die Frage: Ist man dem angepeilten Ziel von 25 Prozent weniger Ressourcenverbrauch schon näher gekommen? Jacobi ist davon überzeugt, weist aber darauf hin, dass viele Projekte noch weiterliefen und langfristige Effekte, etwa zusätzliche Arbeitsplätze, noch nicht abschätzbar seien. "Die Umsetzung geht weiter." Die Forschungsmaschine EffizienzCluster LogistikRuhr Die Geburt der Initiative war spektakulär: Im Januar 2010 gewann der EffizienzCluster LogistikRuhr einen Wettbewerb des Forschungsministeriums und stieg mit einem Schlag in die Spitze der deutschen Cluster auf. Der Zusammenschluss wurde mit einem Gesamtbudget von 100 Millionen Euro für fünf Jahre ausgestattet. 40 Prozent stammten aus öffentlichen Kassen, 60 Prozent von Unternehmen. In diesem Jahr läuft die Förderung aus. Als Ergebnis kann der EffizienzCluster mehr als 30 abgeschlossene Projekte vorweisen, die 100 Ergebnisse gebracht haben, sei es eine Software, ein Patent oder ein neues Geschäftsmodell.Anders als andere Zusammenschlüsse dieser Art konzentriert man sich zwischen Rhein und Ruhr auf den Transfer von Wissen aus der Wissenschaft in die Logistikpraxis. Aus dem Budget des EffizienzClusters werden unterschiedlichste Forschungsvorhaben unterstützt, die von reinen Softwareprojekten über ein automatisches Parkhaus bis hin zu fliegenden Lager-Robotern reichen. Inhaltliche Schwerpunkte liegen unter anderem auf IT, Grüner Logistik und Verkehrsmanagement. Der Cluster wird in Zukunft als Verein weiter bestehen (Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern zahlen einen Jahresbeitrag von 2400 Euro, kleinere Firmen die Hälfte, www.effizienzcluster.de). cg