Cool um die Welt

Heute Blumen aus Äthiopien, morgen Rindfleisch aus Japan - das gehört für Christian Helms zum Alltag. Sein Unternehmen, die Cool Chain Group (CCG), Kelsterbach, gehört zu den führenden Spezialisten für verderbliche Ware. "Gut die Hälfte aller Sendungen kommt per Luftfracht, das Geschäft wächst", freut sich Helms. Seit letztem Jahr bietet sein Unternehmen zusammen mit der Lufthansa einen weltweiten Tür-zu-Tür-Service für Verderbliches (Perishables) an. Die Airline übernimmt den Lufttransport, CCG bringt die Ware mit Drei-Zonen-Kühlfahrzeugen zum Empfänger. Zu den Kunden gehören Restaurants, die Fische aus Übersee einfliegen lassen.Jeder Transport ist andersTemperaturgeführte Luftfracht entwickelt sich zu einer interessanten Nische im Cargo-Geschäft. Während das Volumen der per Flugzeug transportierten Waren im letzten Jahr um 6,4 Prozent anstieg, kamen verderbliche Ware auf 7,2 Prozent und pharmazeutische Artikel sogar auf 16,2 Prozent. Das hat das Marktforschungsunternehmen World-ACD ermittelt. Allerdings ist die Branche der Kühlprofis stark fragmentiert. Das liegt zum einen an den vergleichsweise geringen Volumina. "Wir haben alles bis zum einzelnen Thunfisch", lacht Helms. Zum anderen lassen Konzerne oft die Finger von dem Markt, weil sich das Geschäft kaum standardisieren lässt. In der temperaturgeführten Luftfracht gilt: Jeder Transport ist anders und bei Störungen muss der Spediteur schnell handeln. Beispiel: Eine Lieferung Erdbeeren wurde während des Fluges nicht ausreichend gekühlt. Jetzt müssen Früchte aussortiert und die Ware noch vor dem Erreichen des Zielflughafens verkauft werden. In solchen Fällen gilt es beherzt zu entscheiden, womöglich mitten in der Nacht. Das erfordert Hemdsärmeligkeit und kurze Entscheidungswege.Zu den bekannten Namen auf dem Markt gehört DHL. Die Bonner haben im September in Mörfelden-Walldorf ein drittes Logistikzentrum zum Versand von Pharma- und Medizinprodukten eröffnet. Hier können Sendungen in der gelben (2 bis 8 Grad) und blauen Temperaturzone (15 bis 25 Grad) aufbewahrt und umgeschlagen werden. Die Lagerhalle in der Nähe des Frankfurter Flughafens soll als Drehkreuz für das Produkt DHL Thermonet dienen. Woher kommt die gestiegene Nachfrage für den Service? "Zum einen durch neue Kunden, die wir gewinnen konnten. Zum anderen sind zuletzt viele Patente ausgelaufen, was dazu führt, dass mehr Nachahmer- und Neuprodukte auf den Markt kommen", erklärt Thilo Specht, Vice President Airfreight Germany bei DHL. Rückenwind habe man natürlich auch durch die neuen Richtlinien der Good Distribution Practice (GDP) bekommen. Nach den neuen, verschärften Regeln der EU müssen Medizinprodukte entlang der ganzen Transportkette in einem Temperaturkorridor zwischen 15 und 25 Grad gehalten werden. In der Folge brauchen Medikamente, die früher per General Cargo befördert wurden, nun eine temperaturgeführte Sonderbehandlung.Doppelt temperiertEin typischer Transport läuft bei DHL so ab: Ein Fuhrunternehmen holt die Sendung beim Hersteller ab, und zwar "doppelt" temperiert: Die Ware wird in einen Spezialcontainer verladen, der wiederum im Kühl-Lkw befördert wird. So stellt DHL sicher, dass die Temperatur am Produkt stabil bleibt. Am Airport übernimmt die Fluggesellschaft beziehungsweise deren Handlingagent die Sendung. "Die Herausforderung besteht darin, die ULD (Ladeeinheiten, d. Red.) möglichst spät zu verladen. "Anders als bei General Cargo kann man es sich nicht leisten, dass Sendungen lange auf dem Vorfeld stehen", erklärt Specht.Sorgen macht den Profis meist das Geschehen am Boden. Mit einem ganz speziellen Problem kämpft zum Beispiel CCG-Chef Helms. "Seit einem Jahr gibt es am Flughafen Düsseldorf keinen Veterinär mehr, der importiertes Fleisch inspizieren kann." Folge: Das Wagyu-Rindfleisch aus Japan landet in Amsterdam und wird per Lkw nach Deutschland gebracht. "Das ist schlecht für die Airline und schlecht für die Ware", kritisiert Helms. Zu den ungelösten Problemen, mit denen die Branche kämpft, gehören der hohe Papierumlauf und der geringe Standardisierungsgrad bei Verpackungen.Schärfster Konkurrent ist und bleibt die Seefracht. Mit Spezialcontainern lassen sich Medikamente selbst über lange Zeiträume kühl halten; ein 14-tägiger Schiffstransport von Asien nach Europa ist kein Problem. Sogar für den Import von einigen Blumensorten aus Afrika eignet sich schon das Containerschiff. Es ist also zu erwarten, dass sich Spediteure künftig auf Waren, die noch schneller verderben, konzentrieren.Ein Grund dafür, dass es auf dem Markt für Kühltransporte relativ wenig Bewegung gibt, ist der hohe Kapitalbedarf. Wer die Leistung anbieten will, benötigt eine umfangreiche Infrastruktur - Kühl-Lkw und temperierte Lagerhallen. Außerdem müssen Mitarbeiter ständig trainiert und Abläufe geschaffen werden, um Transportrisiken auszuräumen. "Den Unterschied machen Informationen", betont Tim Scharwath, Executive Vice President Air Logistics bei Kühne + Nagel. Zum Service der Schweizer gehört, dass die Temperatur einer Sendung entlang der gesamten Transportkette in Echtzeit überwacht wird und die Daten dem Kunden umgehend zur Verfügung gestellt werden können. "Es ist wichtig, zu erfahren, wenn etwas nicht richtig läuft, zum Beispiel wenn ein Kühlaggregat in einem Container ausfällt", erklärt Scharwath. Der Kunde müsse in einem solchen Fall nicht aktiv werden, sondern könne sich auf die Intervention von K+N verlassen. Um mögliche Schwachstellen frühzeitig zu entdecken, nutzt die Spedition ein IT-Werkzeug, das die Risiken einer Temperaturveränderung je nach Route und Fluglinie einschätzt.Insgesamt sind die Aussichten für Kühl-Spezialisten gut, weil sie vom weltweiten Wirtschaftswachstum profitieren. Je wohlhabender ein Land ist, desto mehr gekühlte Ware wird per Flugzeug importiert. Da die Mittelschicht in Ländern wie China wächst, wird hier das Bedürfnis zunehmen, sich einen Hummer aus Maine oder Rosen aus Äthiopien zu gönnen. Dienstleister für die Pharmaund Medizinbranche profitieren davon, dass ihr Segment relativ immun gegen wirtschaftliche Turbulenzen ist. Selbst wenn Geld knapp ist, sparen die Menschen an Medikamenten als Letztes. "Wir rechnen insgesamt mit Wachstum, vor allem durch die GDP-Vorschriften", erklärt DHL-Mann Specht.Potenzial hat auch der Handel mit Schwellenländern. Kenia oder Ägypten richten ihre Landwirtschaft stark auf den Export aus, produzieren Blumen und Obst für Europa.Transportiert werden die Waren in den Unterdecks von Flugzeugen, die zuvor Touristen nach Afrika gebracht haben. CCG-Chef Helms begrüßt das. "Lange Zeit wurden bei uns lieber Gewächshäuser gebaut, statt leere Flieger zu nutzen." Seiner Ansicht nach profitieren von mehr Luftfracht alle: Europas Verbraucher bekommen Produkte auf den Tisch, die unter echter Sonne gereift sind, in den Herkunftsländern steigt der Wohlstand.Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Luftfracht www.verkehrsrundschau.de/dossiersDie SerieLuftfrachtmarkt im Wandel - Erfolgsmodelle für die Zukunft- Teil 1: Die Luftfrachtbranche ist derzeit massiv im Umbruch. Was dies für die Luftfrachtspeditionen und Airlines heißt- Teil 2: Temperierte Waren: Wie Airlines im Zusammenspiel mit Spediteuren die durchgängige Kühlkette national und international sicherstellen- Teil 3: Zustellung via Drohnen: Auf welche Lösungen Airlines und Integrators setzen

Cool um die Welt

Preisveränderung nach Paletten, Teil- und Komplettladungen

Erwartete Preisentwicklung für das kommende halbe Jahr

HASHTAG

#Luftfracht

Egyptair transportiert auf US-Flügen offenbar keine Fracht mehr

Betreiber planen sanfte Inbetriebnahme des Hauptstadtflughafens

Sechs-Tage-Woche soll Bau des Hauptstadtflughafens beschleunigen

MEISTGELESEN

Tempomat zu hoch eingestellt: Bußgeld für Lkw-Fahrer

Insolvenzgefahr 2024: Verkehrs- und Logistikbranche besonders betroffen

Dachser gelingt Rekordumsatz - dank Zukäufen

WEITERLESEN

NEWSLETTER