Cash ist King

Frank Rottbeck mag keinen Papierkram. Für den Spediteur aus Bottrop fahren überwiegend selbstständige Frachtführer mit eigenem Lkw, das Unternehmen disponiert täglich 90 Fahrzeuge. Bis der Buchhaltung alle nötigen Belege, Rechnungen und Abliefernachweise vorliegen, dauert es mitunter Wochen. "Das ist Aufwand für uns und die Bezahlung dauert länger", sagt er. Deshalb will der Geschäftsführer der Spedition auf ein digitales Abrechnungssystem umsteigen, von dem sowohl er als auch seine Frachtführer profitieren. Bestätigt der Fahrer die Auslieferung über eine App auf seinem Smartphone, erfolgt die Gutschrift innerhalb von 24 Stunden. "Die Leistung ist direkt an den Geldfluss gekoppelt", erklärt Rottbeck. Drei seiner Frachtführer nutzen bereits die Kombination aus digitaler Abrechnung und Factoring, 25 weitere sollen bald dazukommen. Die Auftragsabrechnung und -bezahlung läuft dann über den Dienstleister JITpay. Die Auftragsdaten des Spediteurs fließen ins System, der Frachtführer bestätigt per App, dass er die Tour übernimmt, schickt den Ablieferungsbeleg mit Zeitstempel sowie GPS-Koordinaten und bekommt sein Geld. Die Subunternehmer schließen dazu einen Factoring-Vertrag mit dem Dienstleister: Sie verkaufen ihre Forderung und bekommen umgehend den Betrag gutgeschrieben. Auftraggeber Rottbeck wiederum zahlt erst nach der vereinbarten Zahlungsfrist. "Das ist ein Finanzierungsvorteil für uns", erklärt er, "und gleichzeitig ein Liquiditätseffekt für die Frachtführer." Beide Parteien beteiligen sich daher an den Kosten. Kleine Betriebe brauchen das Geld gleich Schnell an sein Geld zu kommen, ist gerade für kleine Transportunternehmer überlebenswichtig. Enge Margen, hohe Spritpreise und Mautkosten sowie lange Zahlungsziele von Großkunden machen ihnen zu schaffen. Die Liquidität ist knapp und viele Kleinbetriebe sind gezwungen, ihr Tagesgeschäft teuer über einen Kontokorrent ihrer Bank zu finanzieren. Ist das Kreditlimit ausgeschöpft, werden Transporteure selbst zu säumigen Schuldnern. Sie beglichen 2018 ihre Forderungen durchschnittlich erst acht Tage nach Ablauf des vereinbarten Zahlungsziels. Knapp 14 Prozent aller Unternehmen aus dem Bereich Transport und Logistik sind überschuldet, weisen also ein negatives Eigenkapital aus. Sie werden schneller zahlungsunfähig. 900 Betriebe mussten vergangenes Jahr aufgeben. Die Insolvenzrate der Branche liegt bei rund 1,5 Prozent - und ist damit mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt der deutschen Gesamtwirtschaft, meldet die Wirtschaftsauskunftei Creditsafe Deutschland. "Eine sichere Liquiditätsversorgung spielt für die Branche eine entscheidende Rolle", sagt Alexander M. Moseschus, Geschäftsführer des Deutschen Factoring-Verbands. "Verlader zahlen häufig spät und die Unternehmen müssen in Vorleistung gehen", erklärt er das Dilemma. So stoßen Spediteure und Frachtführer schnell an finanzielle Grenzen, trotz gut gefüllter Auftragsbücher. Branchenbetriebe setzen daher verstärkt auf Factoring, verkaufen ihre Außenstände an einen spezialisierten Finanzdienstleister und erhalten 80 bis 100 Prozent des Forderungsvolumens sofort gutgeschrieben. Der Rest, abzüglich Gebühren, fließt auf das Firmenkonto, sobald der Verlader die Rechnung an den Factor bezahlt. Im Gegensatz zur Bank verlangt der Finanzier keine Sicherheiten, sondern nimmt vielmehr die Bonität der Endkunden genauer unter die Lupe. "Für wen fährt der Spediteur?", ist die wichtigste Frage, so Moseschus. Wer Transporte für solvente Großkunden abwickelt, die auf lange Zahlungsziele pochen, findet meist einen Käufer für seine Forderungen. Ein Vorteil gerade für Frachtführer: Mit dem Verkauf der Außenstände geht auch das Ausfallrisiko auf den Factor über. Je nach Bonität des Endkunden vereinbaren die Vertragsparteien ein Limit, bis zu dem der Dienstleister die Forderungen vorfinanziert. Auf Wunsch übernimmt dieser auch das Debitorenmanagement (Full-Service) und mahnt gegebenenfalls säumige Schuldner zur Zahlung. Der Factoringmarkt wächst seit Jahren kontinuierlich: Über 50.000 deutsche Unternehmen, mehr als 90 Prozent davon KMU, verkauften 2018 Forderungen im Wert von insgesamt 247,2 Milliarden Euro. Auch das Transport- und Speditionsgewerbe nutzt verstärkt Factoring (siehe Grafik). Factoring und Palettentausch Angesichts des oft kleinteiligen Geschäfts gehören Spediteure und Transporteure allerdings nicht zu den Lieblingskunden großer Anbieter. Einige Finanziers haben sich jedoch spezialisiert und können auch mit Besonderheiten der Branche wie Gutschriftverfahren, Verrechnungen und Palettentausch umgehen. "Der Trend geht eindeutig Richtung Spezialanbieter", bestätigt Verbandschef Moseschus. "Je nachdem, ob noch Paletten getauscht wurden, gibt es einen Sicherheitseinbehalt, der gegebenenfalls mit den Gegenforderungen verrechnet wird." Die Auszahlungsquote liegt dann bei 80 bis 90 Prozent. Anbieter JITpay, der Aufträge für beide Vertragsparteien, Spediteur und Frachtführer, abrechnet, kalkuliert die Gegenrechnungen mit ein und zahlt den Restbetrag aus. Selbst kleine Frachtführer und Subunternehmer, bisher nicht die klassischen Factoring-Kunden, finden leichter einen Abnehmer für ihre Forderungen. "Wir gehen in eine eher bonitätsschwache Klientel", sagt JITpay-Geschäftsführer Dennis Wallenda. Stimmt die Bonität des Auftraggebers, bietet er Subunternehmern Factoring an. Allerdings gibt es eine Voraussetzung: Beide Parteien müssen am zentralen, digitalen Abrechnungssystem teilnehmen. "Wir kaufen in der Regel nur Forderungen an, die wir auch abgerechnet haben." Manche Anbieter akzeptieren ausschließlich Großkunden, einige kaufen wiederum Privatrechnungen auf. Unternehmen müssen daher vergleichen, welcher Finanzier am besten zu ihnen passt und die jeweils günstigsten Konditionen bietet. Spediteure sollten aber darauf achten, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, denn Factoren nutzen unterschiedliche Preismodelle. Die meisten erheben eine Factoring-Gebühr für die Übernahme des Delkredere-Risikos sowie den Service. Hinzu kommt ein risikoabhängiger Zins für die Laufzeit der Vorfinanzierung, also die Zeit zwischen Auszahlung und Rechnungseingang des Endkunden. Bei oft wechselnden Debitoren fallen zudem Limitprüf-Gebühren an. Andere Factoring-Anbieter setzen auf ein All-in-Gebührenmodell. Der Kunde zahlt für das Full-Service-Factoring meist zwischen ein und drei Prozent des verkauften Forderungsvolumens. Die Preisunterschiede sind enorm, denn die Konditionen richten sich - wie bei einer Bankfinanzierung auch - nach dem Risiko. Davon hängen die Konditionen meist ab Es gilt die Faustformel: Je besser die Bonität des Transporteurs und seiner Auftraggeber, je höher das verkaufte Forderungsvolumen und je kürzer die -laufzeiten, desto günstiger ist der Preis. Zudem sind viele Vertragsgestaltungen möglich: Vorhandene Warenkreditversicherungen lassen sich integrieren. Dafür gibt es einen Preisabschlag. Wer seine Debitorenbuchhaltung selbst erledigt, zahlt weniger als Unternehmen, die das an den Dienstleister auslagern. Letztendlich muss das Gesamtpaket stimmen. Dazu zählen auch Auszahlungsquote und die Service-Qualität. ...... In Kürze Die VerkehrsRundschau hat die wichtigsten Factoring-Dienstleister verglichen, die sich aktuell an Transport- und Speditionsunternehmen richten. Unsere Marktübersicht zeigt: Meistens lohnt sich ein Vergleich der Konditionen. Auf einen Klick - Interaktive Marktübersicht zum Factoring im Netz Abonnenten der VerkehrsRundschau finden auf dem Online-Profiportal "VerkehrsRundschau plus" diese Marktübersicht auch in interaktiver Form. Dort können sie Filter auswählen und sich mit wenigen Klicks ihre individuelle Ansicht der Tabelle erstellen. Die verschiedenen Leistungsmerkmale der Factoring-Dienstleister lassen sich dadurch noch übersichtlicher veranschaulichen.Zudem enthält VerkehrsRundschau plus weitere interaktive Marktübersichten, etwa zu den wichtigsten Tankkarten oder Telematiksystemen.Mehr dazu im Internet unter:www.verkehrsrundschau.de/plus/factoring-marktuebersicht

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