Brüssels Themen in Paris

Der Verkehr ist eines von vielen Themen auf der Klimakonferenz in Paris. Zwar entsteht die Masse der Treibhausgase immer noch bei der Erzeugung von Strom, in der Industrie und beim Heizen von Gebäuden. Langfristig stehen dort aber bereits emissionsarme Ersatztechnologien zur Verfügung. Der Verkehr, "insbesondere der Straßengüterverkehr", wird deswegen immer wichtiger für eine erfolgreiche Senkung der Treibhausgase. Und die Emissionen im globalen Luft- und Seeverkehr steigen. Das haben die zwanzig finanzstärksten Länder, G-20, bei ihrem jüngsten Treffen unterstrichen. So gibt es einige Themen, die die EU mit zu dem Spitzentreffen in Paris bringt. Mehr Pflichten für Luft- und Seeverkehr Bislang sind der Luft- und der Seeverkehr praktisch von der internationalen Klimapolitik ausgeschlossen. In dem im Kyoto-Protokoll gewählten Ansatz, die Vertragsstaaten zu einer bestimmten Senkung ihrer CO2-Emissionen zu verpflichten, konnten Aktivitäten, die überwiegend außerhalb der Vertragsstaaten stattfinden, nicht untergebracht werden. Die internationale Luft- und Seefahrtorganisation, ICAO und IMO, wurden 1997 zwar aufgefordert, dieses Problem zu lösen - bislang ist ihnen aber wenig dazu eingefallen. Die Umweltschutzorganisationen verlangen deswegen, die Luft- und Seefahrt stärker und verbindlicher als bisher in die globale Klimapolitik einzubeziehen. "Wir können es uns nicht mehr leisten, die Verantwortung der Seeschifffahrt zu ignorieren", sagt der Präsident der Koalition für eine saubere Seefahrt (Clean Shipping Coalition), John Maggs. "Zumal die Schifffahrt ein riesiges Reduktionspotenzial und große Chancen mit einem emissionsarmen Geschäftsmodell hat." Die Organisation Transport & Environment (T&E) geht davon aus, dass die Schifffahrt ohne Eingriffe 2050 alleine 17 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursachen würde. Eine Untersuchung, die das Europäische Parlament im November veröffentlicht hat, bestätigt diese Befürchtungen. Um den von der internationalen Gemeinschaft anvisierten Höchstwert der Treibhausgase nicht zu überschreiten, schreiben die Wissenschaftler, "müssen alle Verkehrsträger ihre Energieeffizienz beträchtlich erhöhen, mehr emissionsarmen Treibstoff einsetzen und Maßnahmen ergreifen, um die Transportnachfrage und die Emissionen zu reduzieren". Im Hinblick auf den Luftund Seeverkehr gehen sie davon aus, dass die Nachfrage unter den bestehenden Rahmenbedingungen schneller wächst als die Effizienz. Verkehrs-Emissionen steigen 2010 verursachten der internationale Luftund Seeverkehr jeweils rund 2 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes. In absoluten Zahlen waren das 70 Prozent mehr als 1990. Im gleichen Zeitraum gingen die Emissionen der europäischen Industrie um rund 10 Prozent zurück. Würden die gegenläufigen Trends anhalten, heißt es in der Untersuchung, "wären die beiden Sektoren zusammen 2050 für nahezu 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich". Der Umweltexperte der Europaabgeordneten, Peter Liese (CDU), hält "anspruchsvolle Reduktionsziele für die Luft- und die Seefahrt" deswegen für unverzichtbar. Unklar ist, in welcher Form sie in ein neues Klimaabkommen Eingang finden könnten. Die EU will sich dafür einsetzen, dass "Luft- und Seeverkehr im Pariser Vertrag erwähnt werden", sagt ihr Verhandlungsführer Arias Cañete, "damit wir im nächsten Jahr Fortschritte bei den Verhandlungen in der ICAO und der IMO erzielen". In der ICAO wird schon lange über eine Art globaler Emissionshandel ("marktbasierter Mechanismus") für den Luftverkehr verhandelt. Für die EU, die für innereuropäische Flüge Emissionszertifikate verlangt, geht es darum, ein vergleichbares System auch international durchzusetzen. Die IMO hat zwar wenig anspruchsvolle Mindesteffizienznormen für Frachtschiffe festgelegt, die Debatte über Reduktionsziele aber erst einmal verschoben. In Paris müsse der Druck auf die beiden Organisationen deswegen erhöht werden, sagt William Todts von T&E. Das Klimaschutzabkommen müsse ihnen eine "klar definierte Rolle bei der Festlegung glaubwürdiger Ziele und der Einführung wirksamer Maßnahmen" zuweisen, um diese Ziele auch zu erreichen. See- und der Luftverkehr könnten dabei jeweils so behandelt werden wie ein Vertragsstaat, der bestimmte Reduktionsverpflichtungen übernimmt. Verkehr: 60 Prozent Reduktion bis 2050 Innerhalb Europas ist der Verkehr Teil der Verpflichtungen, die die EU in Paris auf den Verhandlungstisch legt. Danach will die EU ihre CO2-Emissionen bis 2030 um insgesamt 40 Prozent (gegenüber 1990) senken. Einen überproportionalen Teil davon erbringen die Industrie und die Energiewirtschaft, die am Emissionshandel (ETS) teilnehmen. Die übrigen Sektoren, zu denen auch der Verkehr zählt, müssen ihre Emissionen um 30 Prozent (gegenüber 2005) reduzieren. Was das für den Verkehr bedeutet, steht noch nicht fest. Ohne eine Trendwende wird es aber nicht gehen, denn die Emissionen aus dem Verkehr sind seit 1990 um mehr als 30 Prozent gestiegen und machen inzwischen über ein Drittel des gesamten CO2 aus, das außerhalb des ETS in die Atmosphäre gelangt. T&E hat drei mögliche Szenarien für 2030 untersucht. Die EU könnte an ihrem bisherigen Ziel einer Senkung der Verkehrsemissionen um 20 Prozent (2005) festhalten, sie könnte das Reduktionsziel auf 30 Prozent anheben wie für alle anderen Sektoren oder auf 40 Prozent. Letzteres wäre nötig, wenn die EU ihr Ziel erreichen will, die Verkehrsemissionen bis 2050 um 60 Prozent zu senken. In jedem Szenario müssten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um das für 2030 anvisierte Ziel zu erreichen, sagt William Todts, selbst wenn die Abgaswerte für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge weiter auf 55 und 70 Gramm pro Kilometer reduziert würden. T&E sowie weitere Umwelt- und Verkehrsverbände haben im Vorfeld der Klimakonferenz an die EU-Kommission appelliert, mehr für die Elektromobilität zu unternehmen. Auch für den CO2-Ausstoß von schweren Nutzfahrzeugen müssten Obergrenzen eingeführt werden, sagt Todts. Die Festlegung europäischer Grenzwerte sei auch industriepolitisch geboten, weil die USA und China in der Klimapolitik enger zusammenarbeiten wollten. Wenn die Chinesen den amerikanischen Regulierungsansatz für Lkw übernehmen, sei die Rolle der Europäer als weltweit führende Hersteller schwerer Nutzfahrzeuge gefährdet. Die EU-Kommission fasst Grenzwerte für Lkw allerdings nur mittelfristig ins Auge. Dafür fehlten in Europa die Voraussetzungen, heißt es in Brüssel. Sie sollen in den nächsten Jahren durch ein "standardisiertes Messverfahren" zur Berechnung des Kraftstoffverbrauchs von Lkw, genannt Vecto, geschaffen werden. Damit sollen in den nächsten Jahren vergleichbare Daten über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen gesammelt werden. Die Kommission hätte dann in einigen Jahren drei Optionen, um den Straßengüterverkehr in die europäische Klimapolitik einzubeziehen: Sie könnte, wie für Pkw, verbindliche Obergrenzen für die durchschnittlichen CO2-Emissionen von neu zuzulassenden Lkw festlegen. Sie könnte verbindliche Obergrenzen für jedes Fahrzeug festlegen oder sie könnte vorschlagen, den gesamten Straßenverkehr in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen. Letzteres wäre auch eine für den Seeverkehr infrage kommende Lösung, wenn man sich darauf international verständigen könnte. Die Einnahmen aus dem ETS könnten in Klimaprojekte in Entwicklungsländern fließen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Luftschadstoffe www.verkehrsrundschau.de/dossiers Klimakonferenz Die UN-Klimakonferenz in Paris 2015 findet vom 30. November bis 11. Dezember statt. Es ist das 21. jährliche Treffen dieser Art und außerdem die 11. Zusammenkunft zum Kyoto-Protokoll, dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen. Die diesjährige Konferenz gilt als besonders wichtig: Die Teilnehmer wollen eine neue internationale Klimaschutz-Vereinbarung in Nachfolge des Kyoto-Protokolls verabschieden. Zu Beginn sollen die Staats- und Regierungschefs für die politisch stark umstrittenen Fragen die Richtung vorgeben. Nach einer Woche technischer Verhandlungen sollen die fachlich zuständigen Minister in der zweiten Woche das Verhandlungspaket schnüren. Der Vertrag soll ab 2020 gelten. Die nächste Klimakonferenz wird vom 7. bis 18. November 2016 in Marrakesch, Marokko, stattfinden. ks

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