Bis 2039 komplett dekarbonisiert

2050 treten die von den Vereinten Nationen festgelegten Klimaziele in Kraft. Doch Martin Daum treibt zur Eile an. Vorher sind noch die ehrgeizigen Klimaziele der EU zu erfüllen, die 2025/2030 erhebliche Verbrauchsreduzierungen fordern - weshalb der Vorstand der Daimler Trucks & Buses schon mal Zwischenziele absteckt. "Wir werden 2039 einen komplett CO2-freien Fahrzeugbestand haben", sagte der Automanager am Rande des Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin - also elf Jahre vor dem eigentlichen Datum. Für die Umstellung der gesamten Fahrzeugflotten rechnet die Daimler-Tochter mit rund zehn Jahren. "Also müssen die Neufahrzeuge ab 2039 CO2-neutral sein. Das ist unser Anspruch, darauf arbeiten wir hin", so der 60-Jährige. "20 Jahre sind verdammt schnell um. Darum sollten wir alle heute mit der Technologie der Zukunft anfangen", meint Daum. Um die Ziele zu erreichen, setzt Daimler auf zwei Technologien: Batterien und Wasserstoff. Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb sind schon verfügbar. Bis 2022 sollen diese in allen Kernregionen für alle Segmente serienmäßig zur Verfügung stehen. "Da sind wir gut unterwegs. Wenn jemand heute 200 ECitaro bestellt, dann bekommt er sie schnell geliefert", beschreibt Daum die Vorreiterrolle seines Arbeitgebers. In der Realität rechnet er nicht mit so einem großen Auftrag, da die Ladeinfrastruktur hinterherhängt. Beim Lkw müsste laut Daum an jeder Ladestelle eine Ladesäule stehen, sodass "während der 20 Minuten des Aus- und Beladens auch das Fahrzeug geladen wird". Bis 2022 rechnet Daum, der am 1. November 2019 den Vorsitz bei der Daimler Truck AG übernommen hat, allerdings nicht mit einer wesentlichen Verbesserung der Ladeinfrastruktur ... Beim Wasserstoffantrieb sieht es laut Daum noch schlechter aus. "Ich hoffe, dass wir bis 2030 einen Wasserstoff-Lkw anbieten können. Aber ich bezweifle, dass bis dahin eine Wasserstoff-Tankstelle in Betrieb ist." Um den Aufbau der neuen CO2-neutralen Fahrzeugflotte zu forcieren, steckt Daimler jedes Jahr durchschnittlich 200 Millionen Euro in die Forschung und Entwicklung - Tendenz steigend. Daum rechnet damit, dass demnächst rund eine halbe von insgesamt 1,4 Milliarden Euro jährlichen Entwicklungskosten in die alternativen Antriebe investiert werden. Kein Geld will Daum für Erdgas, synthetische Kraftstoffe und Oberleitungs-Lkw ausgeben. "Erdgas ist zehn bis 15 Prozent effizienter als Diesel. Es geht aber um 100 Prozent CO2-Neutralität", so Daum. Politik muss Infrastruktur liefern Für synthetische Kraftstoffe sieht Daum "keine wirtschaftliche und technische Lösung vor 2040. Wir werden uns auch nicht am Versuch mit dem Oberleitungs-Lkw beteiligen", sagt Daum, "aber wir lassen bereits jetzt einen EActros auf der Strecke fahren, um zu zeigen, welche Alternative besser ist." Daum geht davon aus, dass der E-Truck die bessere Variante ist. Sollte allerdings der Markt Erdgas- oder Oberleitungs-Lkw fordern, dann könne man schnell auf die Anforderungen reagieren. Auch wenn Daum zur Eile mahnt, sah er bislang keine Chance für die alternativen Antriebe. Aufgrund fehlender Infrastruktur wäre kein Geschäftsmodell absehbar gewesen. "Es wäre für unsere Kunden völlig unwirtschaftlich gewesen, in solche Lkw zu investieren", sagt er. Nun aber sei die Zeit reif, und das Pariser Klimaabkommen gebe den Weg vor. Zeitgleich hofft der Daimler-Vorstand, dass die Politik den Ausbau einer Infrastruktur vorantreibt. "Ich muss angehen, was ich verändern kann, und darauf vertrauen, dass die anderen das auch tun", schließt Daum eine Beteiligung seines Unternehmens am Aufbau der Infrastruktur mit Ladesäulen oder Wasserstoff-Tankstellen aus: "Wir haben keinen Goldesel im Keller", so der Manager im Klartext, der gleich noch ein weiteres Problem der Elektromobilität anspricht: "Neben der technischen Revolution benötigen wir auch eine wirtschaftliche Revolution." Denn die neuen Antriebe werden teurer als Diesel-Lkw sein. "Ein ECitaro ist doppelt so teuer wie ein Diesel-Stadtbus", sagt Daum. Zwar werde sich die preisliche Differenz verringern, "aber ein signifikanter Teil wird bleiben". Zahlen nennt er nicht, meint aber dann doch: "Wir bewegen uns nicht im Bereich, den eine Spedition über ihre Margen ausgleichen könnte." Mit einem Kostenunterschied im zweistelligen Prozentbereich rechnet er in jedem Fall. "Da müssen wir der Wahrheit ins Auge sehen." Angesichts einer bereits einsetzenden Eintrübung im Geschäft der Truck AG eine weitere Herausforderung. Darum fordert Daum auch staatliche Lenkungseingriffe: "Die Maßgabe muss sein: CO2-neutraler Transport darf - gemessen in Cent pro Kilometer - nicht mehr kosten als dieselbasierter Transport." Eine CO2-basierte Maut, die CO2-neutrale Transporte wesentlich günstiger einstuft als konventionelle, könne als finanzieller Anreiz dienen. Doch insgesamt werde die Energiewende im Transport laut Daum zu steigenden Preisen führen: "Darauf müssen wir uns einstellen - als Industrie, aber auch als Gesellschaft. Das ist der Preis für eine gute Zukunft - und wer sagt, diese sei umsonst zu haben, der führt in die Irre." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Daimler www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Themen wie Oberleitung oder Erdgas möchte Daimler am liebsten auslassen. Kurzfristig investiert man in batterieelektrische Antriebe, langfristig in die Brennstoffzelle.

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