Warum ist die LKW-Maut in Deutschland nach Meinung des BGL zu hoch?
Das liegt am Berechnungsverfahren, das nach unserer Ansicht nicht EU-konform ist. Zum einen ist mit der Mauterhöhung 2009 der gewählte kalkulatorische Zinssatz über den tatsächlichen Zinsbelastungen angesetzt worden. Der Bund hat damals schon unter vier Prozent für Fremdkapital gezahlt. Er ist mittlerweile weit unter zwei Prozent. Bei einem Kostenstrukturanteil von 52 Prozent Zinskosten an den Gesamtkosten für die Fernstraßen kann man sich vorstellen, dass ein geringerer Zinssatz eine beträchtliche Senkung der anlastbaren Wegekosten herbeiführt.
Was heißt „beträchtlich“?
Wenn die Zinsen von 5,5 Prozent auf unter zwei Prozent fallen, würde der Anteil der Zinskosten an den Gesamtkosten nur noch etwa ein Drittel des bisherigen 52 Prozent-Anteils ausmachen. Das bedeutet, die Neuberechnung der Maut würde allein durch niedrigere Zinslasten erheblich niedriger ausfallen. Zwar gab es in den letzten Jahren einen höheren Infrastrukturerhaltungsaufwand. Aber wenn man sich die Haushaltspläne ansieht, sind das ein paar Hundert Millionen Euro mehr, die da investiert wurden. Aber kein Vergleich zu den Milliarden, die bei den Zinsen kostenmindernd durchschlagen.
Die Zinsen sind aber nicht der einzige Grund für die Klage.
Wir halten die Bewertungsansätze ebenfalls für nicht EU-konform. Zum einen kritisieren wir die Berechnung, die fiktives Kapital schöpft, das niemals investiert wurde. Mit der Mauterhöhung 2009 wurden diese fiktiven „Tagesgebrauchtwerte“ nochmals neu berechnet, was in der Folge sogar eine Abschreibung unter Null herbeiführte.
Wie realistisch ist es, dass die Politik die LKW-Maut tatsächlich absenkt?
Die Politik müsste reagieren, falls die Gerichte die bisherige Berechnungsmethode als nicht EU-konform erklären sollten. Nach Gebührenrecht könnten Rückzahlungsforderungen für Teile der Maut entstehen.
Ist aber nicht zu befürchten, dass die Politik mit allen Mitteln versucht, die Maut wieder hochzuschrauben? Stichwort Anlastung externer Effekte.
Das scheint ja ohnehin geplant zu sein. Die Anlastung externer Effekte ist Gegenstand des neuen Wegekostengutachtens, das in diesen Wochen vorgelegt werden soll. Aber der Spielraum nach oben ist da sehr begrenzt: Bei der Luftverschmutzung sind es in der Regel ein Cent pro Kilometer, für Lärm 0,3 Cent.
Wie geht es mit der vom BGL initiierten Klage beim Verwaltungsgericht weiter?
Derzeit wird noch geprüft, ob die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsinstanz besteht. Wir gehen davon aus, dass dies der Fall ist und sich dann eine Hauptverhandlung anschließt. Eine erste Entscheidung könnte in diesem Jahr fallen.
Sie hatten ein Gespräch mit Alexander Dobrindt. Was sagt der CSU-Bundesverkehrsminister dazu, dass BGL-Unternehmen die Bundesregierung verklagen?
Wir haben unseren Standpunkt und vor allem auch unsere Beweggründe erläutert. Das hat er zur Kenntnis genommen.
Hat er Sie vielleicht beiseite genommen und Ihnen zugeraunt: „Herr Schmidt, können Sie nicht doch auf die Klage verzichten?“
(lacht) Nein, in einem Antrittsgespräch redet man nicht über ein laufendes Verfahren. Dazu ist Herr Dobrindt auch viel zu professionell. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich während des Verfahrens die Parteien über Möglichkeiten unterhalten, wie man möglichst schnell für alle Beteiligten Rechtssicherheit schafft.
Hintergrund:
Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) hatte eine Klage gegen die Mauterhöhung 2009 entworfen, die vier BGL-Mitgliedsunternehmen beim Verwaltungsgericht in Köln eingereicht hatten. Das Gericht legte die Klage auf Eis, weil der Transportunternehmer Günter Obst ebenfalls gerichtlich gegen die LKW-Maut vorgegangen war. Nach Beendigung dieses Verfahrens steht die BGL-Klage nun wieder auf der Tagesordnung.
Das Interview führte VR-Redakteur Michael Cordes.