Bessere Chance auf Schadensersatz

Manchmal kommt es vor, dass ein Transportauftrag noch vor der Durchführung scheitert. Kündigt der Absender, hat der Frachtführer gemäß Paragraf 415 Absatz 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) ein Wahlrecht: Entweder macht er pauschal ein Drittel der vereinbarten Fracht geltend, die sogenannte Fautfracht. Oder er verlangt unter Anrechnung seiner ersparten Aufwendungen die vereinbarte Fracht als Schadensersatz. Beide Ansprüche entfallen, wenn die Kündigung auf Umständen beruht, die in den Verantwortungsbereich des Frachtführers fallen. Nicht geklärt war bislang die Rechtsfrage, ob der Frachtführer für den Fall, dass kein gesetzlicher Anspruch auf Fautfracht besteht, hilfsweise noch die vereinbarte Fracht als Entschädigung verlangen kann. Diese musste das Oberlandesgericht Hamm beantworten (OLG Hamm, Urteil vom 26.02.2015, Aktenzeichen: I-18 U 82/14). Der Fall Ein Fixkostenspediteur, der laut dem HGB dieselben Rechte und Pflichten wie ein Frachtführer hat, wurde 2010 beauftragt, zwei Maschinen per Schiff von Kiel über St. Petersburg und von dort per Lkw in die russische Region Smolensk zu transportieren. Die vereinbarte Fracht betrug 31.760 Euro. Kurz darauf teilte er seinem Auftraggeber mit, dass in der fraglichen Woche nur ein Fahrzeug zur Verfügung stehe und er daher die beiden Maschinen nacheinander befördern müsse. Das hätte Probleme bedeutet, da bereits eine gemeinsame Verzollung beantragt war. Der Spediteur schlug daher vor, einen weiteren Lkw einzusetzen, was 7000 Euro mehr gekostet hätte. Für den Absender kam das nicht infrage. Er hielt den Spediteur bereits aufgrund der Auftragserteilung für verpflichtet, beide Maschinen zeitgleich und nicht im Rundlauf zu befördern, und zwar zum zuvor vereinbarten Preis. Mangels Alternative erklärte er sich aber schließlich mit einem Rundlauf einverstanden und wollte sich für eine Einzelverzollung einsetzen. Inzwischen wurden die Maschinen in Kiel angeliefert. Kurz darauf stornierte der Absender den Auftrag. Er hatte wohl eine andere Möglichkeit gefunden, die Ware nach Russland zu bringen. Der Spediteur schickte daraufhin eine E-Mail mit einer Rechnung über Fautfracht in Höhe eines Drittels der vereinbarten Fracht, bat um Bestätigung und drohte indirekt damit, von seinem Frachtführerpfandrecht Gebrauch zu machen. So unter Druck gesetzt, bestätigte sein Kunde die Kostenübernahme. Der Spediteur gab folglich die Ware frei. Für den Umschlag in Kiel, den er noch vornahm, wurden ihm von einer Fremdfirma 2.878,56 Euro in Rechnung gestellt. Der Absender ließ kurze Zeit später über seinen Anwalt die Kostenübernahme-Erklärung widerrufen und hilfsweise anfechten. Der Spediteur klagte schließlich auf Zahlung der Fautfracht in Höhe von 10.586,66 Euro nebst Zinsen. Das Verfahren Das zuständige Landgericht wies die Klage in erster Instanz ab. Der Spediteur habe keinen Anspruch auf Fautfracht, denn die Kündigung des Frachtvertrags beruhe auf Gründen, die er zu vertreten habe. Die Parteien hätten einen Transportauftrag geschlossen, der den zeitgleichen Einsatz von zwei Lkw vorgesehen habe. Grund für die Stornierung sei gewesen, dass der Kläger die vertraglich vereinbarte Ausführung abgelehnt und Mehrkosten für ein weiteres Fahrzeug gefordert habe. Auch auf die Kostenübernahmeerklärung könne er sich nicht stützen. Das wollte der Spediteur nicht akzeptieren und klagte in zweiter Instanz vor dem OLG Hamm. Die Streitfrage Das OLG Hamm musste nun verschiedene Anspruchsgrundlagen prüfen. Zum einen musste es klären, ob der Spediteur einen gesetzlichen Anspruch auf Fautfracht hatte. Dann musste es die Kostenübernahmeerklärung genauer unter die Lupe nehmen und abklopfen, ob sich daraus ein Anspruch auf Zahlung von 10.586,66 Euro ergibt. Schließlich blieb noch ein alternativer Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Fracht unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen. Allerdings stellte sich dabei die schwierige Frage, ob der Spediteur auf diesen anderen gesetzlichen Anspruch umschwenken kann, wenn er gegenüber dem Absender bereits Fautfracht geltend macht. Sie ist bislang vom Bundesgerichtshof noch nicht entscheiden worden. Die Entscheidung Die Richter gingen davon aus, dass sich ein Frachtführer beziehungsweise ein Fixkostenspediteur mit der Entscheidung für den Anspruch auf Fautfracht nicht bindet und sprach dem Kläger einen Aufwendungsersatz in Höhe von 2.878,56 Euro zu. Die Begründung Fautfracht-Anspruch gebe es nicht, bestätigte das OLG Hamm. Die Parteien hätten einen zeitgleichen Transport zu fixen Kosten vereinbart. Weil der Spediteur den Anforderungen der Verzollung nicht gerecht werden konnte, sei es zu einer Verzögerung gekommen. Eine Kündigung, die auf Organisationsmängeln oder auf Störungsursachen beruhe, die der Spediteur besser als der Absender beherrscht oder zumindest vorhersehen konnte, sei gerechtfertigt. Auch aus der Kostenübernahme-Erklärung des Absenders konnte der Spediteur keinen Ersatzanspruch herleiten. Zwar handele es sich dabei um ein sogenanntes deklaratorisches Schuldanerkenntnis, hieß es in der Urteilsbegründung. Der Beklagte habe es aber wirksam wegen Drohung angefochten. Denn: Hätte der Spediteur die Güter nicht freigegeben, wäre dem Absender ein erheblicher Schaden entstanden, da er für eine verzögerte Lieferung der Ware eine hohe Vertragsstrafe an den russischen Käufer hätte zahlen müssen. Das sei dem Spediteur bekannt gewesen. Der Spediteur habe aber Anspruch auf Erstattung der für die von ihm veranlassten Umladung der Güter im Hafen Kiel. Zwar sei ein solcher laut HGB ausgeschlossen, so das Gericht, wenn der Kündigungsgrund aus seiner Risikosphäre stamme. Dies gelte aber nur, soweit "die Beförderung für den Absender nicht von Interesse ist". Der Umschlag der Güter habe aber dem Interesse des Beklagten entsprochen, weil er ein notwendiger Ladungsvorgang für die Verschiffung nach St. Petersburg war, erklärten die Richter. Zur Bezahlung dieser Kosten bleibe die Beklagte daher trotz ihrer - berechtigten - Kündigung verpflichtet. Die Richter billigten damit ein nachträgliches Umschwenken auf den zweiten Entschädigungsanspruch. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Transportrecht www.verkehrsrundschau.de/dossiers Das bedeutet die Entscheidung Ein positives Urteil für Frachtführer und Fixkostenspediteure Das Gericht hat entschieden, dass sich ein Frachtführer, dessen Transportauftrag vom Absender gekündigt wird, mit der Geltendmachung einer der beiden Entschädigungsansprüche aus Paragraf 415 Absatz 2 Satz 1 HGB nicht bindet. "Leider hat das OLG Hamm seine Entscheidung nicht weiter begründet", sagt Jan Otto Bodis, Fachanwalt für Versicherungsrecht in der Kanzlei Bodis & Partner Rechtsanwälte. "Ich halte sie für richtig, weil sich aus dem Gesetzeswortlaut keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Ausübung des Wahlrechts den Frachtführer binden soll." Für die Praxis bedeutet das: Macht der Frachtführer nach einer Kündigung die vereinbarte Fracht unter Anrechnung seiner ersparten Aufwendungen geltend, stellt dann aber fest, dass die Berechnung schwierig wird, gibt ihm die Rechtsprechung nun die Möglichkeit, nachträglich auf die Ein-Drittel-Lösung umzuschwenken.Für Fixkostenspediteure und Frachtführer sei dies eine positive Entscheidung, so Bodis. Das Urteil zeigt seiner Ansicht nach aber auch die Risiken auf, die bei der Beauftragung von Frachtführern entstehen können: Der Spediteur muss jederzeit damit rechnen, dass der Absender den Transportauftrag kündigt. Bei der Weitergabe der Kündigung an seinen Frachtführer schuldet er diesem Fautfracht oder die entgangene Fracht. "Hat die Kündigung ihre Ursache in der Risikosphäre des Spediteurs, etwa weil er die Zeitvorgaben nicht einhalten kann, hat er keinen Anspruch auf Fautfracht oder entgangene Fracht gegenüber dem Absender, muss aber seinerseits an den Subunternehmer zahlen", warnt Bodis. Er bleibt auf einem Teil des Schadens sitzen. Sein Rat lautet daher: "Spediteure sollten einerseits genau prüfen, ob sie den Vertrag vor allem in zeitlicher Hinsicht überhaupt erfüllen können. Andererseits sollten sie die Verpflichtung, die sie dem Absender gegenüber eingehen, eins zu eins an Subunternehmer weiterreichen. ir

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