Jetzt reden die Verlader

Welche Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind für Lager-, Fracht- und Speditionsverträge am besten? Nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine Reform der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) und der Vorlage der Deutschen Transport- und Lagerbedingungen (DTLB) scheint der Güterverkehrsmarkt bei dieser Frage gespalten zu sein. Die Meinungen gehen weit auseinander. Die DTLB seien in puncto Haftung einseitig zulasten der Spediteure formuliert worden und könnten im Fall eines Rechtsstreits sogar vor Gericht für unwirksam erklärt werden, sagen die einen. Das neue Werk der Verladerverbände BDI, BGA, BWVL und HDE sei eine längst überfällige Reaktion auf die heutigen Anforderungen im Geschäftsleben, wo zum Beispiel Prozessqualität und -sicherheit eine immer größere Rolle spielen, sagen die anderen. Gefühlt müssen sich die Autoren der DTLB derzeit aber mehr Kritik als Lob anhören. Zu den Vorwürfen nehmen sie nun Stellung. Verlader betonen Modernität der DTLB Paradigmenwechsel: So lautet ein Wort, das häufig fällt, wenn die Justiziare der vier Industrie- und Handelsverbände von den Gründen für eine Veröffentlichung eigener Geschäftsbedingungen sprechen. Die Lieferkette habe sich in den letzten 15 Jahren stark verändert, stellen sie dann klar - allein durch die Digitalisierung. Die DTLB trügen diesen strukturellen Neuerungen an vielen Stellen Rechnung und gewährleisteten eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer, um eine nahtlose Supply Chain sicherzustellen. "Die neuen DTLB sind jedenfalls deutlich praxistauglicher als die anderen bisher veröffentlichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Transport- und Logistikgewerbe", erklärten die vier Verladerverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme. Den Vorwurf, das Regelwerk stellte für Dienstleister in vielen Punkten eine "unangemessene Benachteiligung" im Sinne von Paragraf 307 des Bürgerlichen Gesetzbuches dar und halte einer gerichtlichen Prüfung deshalb vermutlich nicht stand, wollen sie so nicht stehen lassen. Schließlich basierten viele Klauseln auf den Regelungen des Handelsgesetzbuchs, betonen die Verbandsvertreter. Dies gilt vor allem für die Haftung. Wer diese als unfair bezeichne, betonen BDI, BGA, BWVL und HDE, stelle Rechtsvorschriften infrage, die über Jahre hinweg von Fachleuten der Wirtschaft unter Einbeziehung aller Interessen erarbeitet worden seien. Davon abgesehen seien die Wunschvorstellungen einzelner Interessengruppen aus dem Transport- und Logistikgewerbe nicht mehr zeitgemäß gewesen und die Akzeptanz der ADSp zuletzt stark gesunken. Kritiker befürchten Rechtsunsicherheit Die Verladerverbände ärgern sich aktuell aber nicht nur über Äußerungen aus dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Sie müssen sich auch mit unabhängigen Kennern der Materie auseinandersetzen, die vor den DTLB warnen. Einer von ihnen ist Professor Thomas Wieske. Der Leiter des Instituts für Logistikrecht & Risikomanagement an der Hochschule Bremerhaven fürchtet, dass die DTLB nicht bloß wegen ihrer strengen Haftungsklauseln zu Rechtsunsicherheit, sondern auch zu höheren Transportkosten führen. Das liege daran, dass den Dienstleistern viele Detailpflichten auferlegt würden, die bei gewöhnlichen Aufträgen mittelständischer Verlader gar nicht relevant seien. Die Standardisierung von Prozessen wird laut den Verbänden für Industrie- und Handelsunternehmen und deren Geschäfte aber zunehmend wichtiger. "Qualitätsmanagement, Notfallpläne und das IT-Monitoring gewinnen eine immer größere Bedeutung in den Transport- und Logistikketten", erklären sie. Darauf müssten sich Auftragnehmer einstellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben - selbst wenn es für sie aufwendig sei, bestimmte Betriebsabläufe zu ändern. Tatsächlich verfügen bereits viele Dienstleister über Qualitäts- und Risikomanagementsysteme. Laut einer DSLV-Statistik trifft das ungefähr auf 60 Prozent der deutschen Spediteure zu, wobei in der Regel nicht der gesamte Betrieb, sondern oft lediglich einzelne Dienstleistungen zertifiziert sind. Insofern seien die DTLB-Anforderungen nur für einen Teil neu und mit Zeit und Geld etwa für Zertifizierungen oder die Umstellung von Abläufen verbunden, relativieren die vier Verladerverbände. Ob sie sich an möglichen Mehrkosten beteiligen, indem sie höhere Transportpreise zahlen, lassen sie in ihrer gemeinsamen Stellungnahme offen. Einzelne Punkte sorgen für Verwirrung Ein paar Missverständnisse räumen die Interessenvertreter auch noch aus: Die DTLB seien nicht ausschließlich für Geschäfte mit Frachtführern und Lagerhaltern formuliert worden, sondern ließen sich genauso gut in Speditionsverträge einbeziehen. Der Spediteur ist zwar nicht explizit in dem Klauselwerk erwähnt, allerdings trotzdem als Auftragnehmer im Fokus der Auftraggeber aus Industrie und Handel gewesen. Die Verladerverbände haben darauf verzichtet, ihn ausdrücklich zu benennen, weil sie den Großteil solcher Geschäfte zu fixen Kosten abwickeln und der Spediteur in diesen Fällen die Rechte und Pflichten eines Frachtführers hat. Dasselbe gilt für den Spediteur im Selbsteintritt oder für die Beförderung von Sammelladungen. Ein anderes Gerücht, das sowohl Unternehmen der verladenden Wirtschaft als auch in der Transport- und Logistikbranche verwirren dürfte: Angeblich sollen die ADSp nach der Veröffentlichung der DTLB nicht mehr gültig sein. Dem widerspricht nicht nur der DSLV, sondern auch überparteiliche Anwälte halten diese These für gewagt. Auf Nachfrage beharren BDI, BGA, BWVL und HDE inzwischen nicht mehr auf ihrer ursprünglichen Position, man könne die ADSp nicht mehr vertraglich einbeziehen. Sie merken lediglich an, dass es künftig zu Problemen führe, wenn der DSLV weiterhin die Bezeichnung "ADSp" für nicht mehr vom BDI, BGA und HDE empfohlene Geschäftsbedingungen verwendet. Klingt so, als seien die Fronten zwischen den früheren AGB-Partnern verhärtet. Zwar betonten die Verlader, der Weg zu einer fairen Vereinbarung stehe immer offen, solange eine gemeinsame Verhandlungsbasis mit dem Speditionsverband bestehe. Derzeit sind aber keine weiteren Gespräche über ein gemeinsames Klauselwerk geplant. Deshalb arbeitet auch die Gegenseite an einem Solowerk für die Vertragspraxis. Keine Bange vor Wettbewerbshütern Völlig spurlos geht die öffentliche Kritik an den DTLB nicht an deren Autoren vorbei: Die Verladerverbände behalten sich in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vor, Klauseln anzupassen. Sie wollen Änderungsvorschläge einarbeiten und nach einer gewissen Zeit eine Neufassung veröffentlichen. Nach eigenen Angaben sammeln BDI, BGA, BWVL und HDE im Augenblick bereits sinnvolle Anmerkungen. Angst, dass ihr neues Regelwerk von den Wettbewerbshütern gekippt werden könnte, haben sie nicht. Man habe vorab eine Prüfung vorgenommen, ob die DTLB dem Kartellrecht widersprechen. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) hatte nämlich kürzlich angekündigt, sich wegen möglicher Absprachen der führenden Wirtschaftsverbände bezüglich der Konditionen im Transport- und Logistikmarkt an das Bundeskartellamt zu wenden und um eine Prüfung der Rechtmäßigkeit zu bitten. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Transportrecht www.verkehrsrundschau.de/dossiers Hintergrund DTLB versus ADSp - zwei konkurrierende Klauselwerke Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) haben Mitte September eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgestellt. Sie heißen Deutsche Lager- und Transportbedingungen (DTLB). Grund für den Alleingang der Industrie- und Handelsvertreter ist, dass sie sich nach zweijähriger Verhandlung nicht mit dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) auf eine Reform der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) einigen konnten. Fast 90 Jahre haben diese für einen Ausgleich der Interessen zwischen den Marktbeteiligten gestanden. Nun arbeitet der Speditionsverband ohne die Verladerverbände an einer Neufassung. Sie soll vor dem Jahreswechsel vorliegen. ag Das sind die Köpfe hinter den DTLB Matthias Krämer, Abteilungsleiter Mobilität und Logistik im BDI Kim Cheng, Abteilungsleiterin Verkehr und Logistik im BGA Detlef Neufang, Geschäftsführer des BWVL Ulrich Binnebößel, Referent für Zahlungsverkehr und Logistik beim HDE Die neuen Verlader-AGB haben der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) sowie der Handelsverband Deutschland (HDE) gemeinsam formuliert. ag

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