Beschäftigungsverbote nur als Ausnahme

Ende Mai hat das "Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts" die letzte parlamentarische Hürde genommen. Viele Bestimmungen treten nun zum 1. Januar 2018 in Kraft. Höchste Zeit für Arbeitgeber, sich auf die Änderungen einzustellen, denn die Mutterschutzfristen gelten ab dem neuen Jahr für alle Beschäftigten, nicht mehr nur für klassische Arbeitnehmerinnen. Damit haben sowohl Fremdgeschäftsführerinnen einer GmbH als auch Praktikantinnen, Schüler- und Studentinnen, die im Betrieb aushelfen, in den letzten sechs Wochen vor und bis acht Wochen nach der Geburt ihres Kindes Anspruch auf Mutterschutz und finanzielle Absicherung. Auch für arbeitnehmerähnliche Personen sollen diese Schutzfristen gelten. Während dieser Zeit sind sie von ihrer vertraglichen Leistungsfrist befreit, haben allerdings keinen Anspruch auf finanzielle Leistungen. Experten bezweifeln jedoch, dass sich dies in der Praxis umsetzen lässt. "Wirtschaftlich Abhängige haben nicht wirklich eine Wahl", gibt Patrizia Antoni, Fachanwältin für Arbeits- und Steuerrecht in der Kölner Kanzlei AHS Rechtsanwälte, zu bedenken. Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz Bereits seit Ende Mai können Mütter, deren Kind behindert zur Welt kommt, eine längere Schutzfrist von zwölf Wochen in Anspruch nehmen. Diese müssen sie in den ersten acht Wochen nach der Entbindung beim Arbeitgeber beantragen und ein ärztliches Attest beilegen. Bisher war dies nur bei Früh- und Mehrlingsgeburten möglich. Zudem wurde der Kündigungsschutz erweitert. Während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Geburt dürfen Arbeitgeber keine Kündigung aussprechen oder vorbereiten. Der gleiche Schutz gilt künftig auch für Frauen, die eine Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche hatten. Die größte Umstellung in Unternehmen betrifft den Arbeitsschutz. Auf die Betriebe kommen neue Pflichten und damit auch Kosten zu. "Arbeitgeber müssen für jede Tätigkeit eine generelle Gefährdungsbeurteilung vornehmen, die auch den besonderen Gefährdungen von Mutter und Kind Rechnung trägt, und das nicht erst, wenn eine Mitarbeiterin schwanger ist", sagt Rechtsanwältin Antoni. Es gilt, die Arbeitsbedingungen auf mögliche Risiken für Schwangere hin zu überprüfen und das Ergebnis zu dokumentieren. Die Schutzregeln wurden deutlich ausgeweitet und präzisiert. Der Umgang mit gesundheitsgefährdenden Stoffen, schwere körperliche Arbeiten, der Einsatz bei Hitze, Kälte und Nässe sowie Arbeiten, bei denen sie Strahlen, Staub, Gasen, Dämpfen, Erschütterungen oder Lärm ausgesetzt sind, sind für werdende oder stillende Mütter verboten. Auch in der Akkord- und Fließbandarbeit mit erhöhtem oder vorgeschriebenem Arbeitstempo sieht der Gesetzgeber eine "unverantwortbare Gefährdung". Während Arbeitgeber früher schnell ein Beschäftigungsverbot aussprachen, um auf Nummer sicher zu gehen, sehen die neuen Regeln vor, dass sie prüfen müssen, ob sich Gefährdungen durch geeignete Schutzmaßnahmen beseitigen lassen. Der Betrieb ist verpflichtet, konkrete Maßnahmen festzulegen, ihre Wirksamkeit zu überprüfen und zu dokumentieren. "Ist eine Beschäftigte schwanger, muss der Betrieb die Arbeitsbedingungen und den Arbeitsplatz so verändern und sicher gestalten, dass die Mitarbeiterin weiter beschäftigt werden kann", unterstreicht Antoni. Ist das nicht möglich oder wirtschaftlich vertretbar, ist zu prüfen, ob die werdende Mutter eine andere, zumutbare Tätigkeit im Unternehmen ausüben kann. "Eine Schwangere darf im Lager nicht mit anpacken oder schwer heben", erklärt die Arbeitsrechtlerin. "Vielleicht kommt aber eine Versetzung an einen Arbeitsplatz infrage, wo sie keine körperlichen Arbeiten verrichten muss." Chefs müssen im Gespräch mit der Mitarbeiterin klären, wie sich die Arbeitsbedingungen verbessern lassen, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu schützen. Beschäftigungsverbote sollen die Ausnahme bleiben. Fahrlässigkeit wird bestraft "Kleinere Betriebe gehen bei der Gefährdungsbeurteilung oft etwas hemdsärmelig vor", weiß Rechtsanwältin Antoni und warnt vor den Folgen. "Ohne belastbare Dokumentation ist der Arbeitgeber schnell in der Haftung, wenn er eine Schwangere beschäftigt und eine Gefahr für die Gesundheit festgestellt wird." Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung wird künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet. Es drohen Geldbußen von bis zu 15.000 Euro. Das neue Gesetz sieht jedoch eine Übergangsfrist vor. Bis zum 1.1.2019 müssen Arbeitgeber die Beurteilungen gesetzeskonform anpassen. Arbeitshilfen und Hinweise gibt es von den zuständigen Arbeitsschutzbehörden (siehe Kasten). Es empfiehlt sich, im Zweifel nachzufragen und auf eine saubere Dokumentation zu achten, denn, was genau unter einer "unverantwortbaren Gefährdung" zu verstehen ist, bleibt unklar. "Dies wird wohl erst die Rechtsprechung definieren. Bis dahin gibt es Grauzonen, welche Arbeiten zumutbar sind und welche nicht", kritisiert Antoni. Ein Rest-Risiko bleibt damit beim Arbeitgeber. Wer es sich zu leicht macht, kommt schnell in den Verdacht, "fahrlässig" gehandelt zu haben. Chefs drohen dann bis zu sechs Monate Gefängnis oder eine Geldstrafe. Bei "Vorsatz" erhöht sich die Freiheitsstrafe auf bis zu einem Jahr. Mehrarbeit für Schwangere möglich Der beste Weg ist daher immer das persönliche Gespräch. Viele werdende Mütter möchten weiterarbeiten und oft finden sich praktikable Lösungen. Das neue Gesetz bietet zudem mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten, indem es das strikte Nachtarbeitsverbot lockert und Mehrarbeit in bestimmten Grenzen zulässt. Zwar bleibt es dabei, dass schwangere und stillende Frauen zwischen 20 Uhr und 6 Uhr nicht beschäftigt werden sollen. Ist die Mitarbeiterin jedoch einverstanden und bestätigt der Arzt, dass die Gesundheit nicht dagegen spricht, darf eine Schwangere künftig zwischen 20 und 22 Uhr arbeiten. Der Arbeitgeber muss sich allerdings eine Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde einholen. Während die Beamten den Antrag prüfen, dürfen Chefs die Frau bereits bis 22 Uhr beschäftigen. Die Ausnahmegenehmigung gilt als erteilt, wenn die Behörde den Antrag nicht innerhalb von sechs Wochen ablehnt. Eine Ausdehnung der Arbeitszeiten ist ebenfalls möglich, wenn sich die Schwangere dazu bereit erklärt und ein ärztliches Attest vorliegt, das bescheinigt, dass davon keine Gefahr für Mutter und Kind ausgeht. Arbeitgeber brauchen aber vorab die Ausnahmegenehmigung der Behörde. Dann ist Mehrarbeit bis maximal 8,5 Stunden täglich und 90 Stunden (inklusive sonntags) pro Doppelwoche erlaubt. Für Frauen unter 18 Jahren sind acht beziehungsweise 80 Stunden zulässig. Chefs müssen jedoch darauf achten, dass Schwangere zwischen den Einsätzen immer mindestens elf Stunden ununterbrochene Ruhezeit bekommen. Auch Sonn- und Feiertagsarbeit ist erlaubt, wenn werdende oder stillende Mütter eine Einverständniserklärung unterschreiben und als Ausgleich einen Ersatzruhetag erhalten. Zudem muss sichergestellt sein, dass Schwangere nicht alleine arbeiten, sodass Hilfe stets erreichbar ist. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Arbeitsrecht" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Gefährdungsbeurteilung Risiken für Schwangere ausschließenArbeitgeber müssen für jede Tätigkeit im Unternehmen eine generelle Gefährdungsbeurteilung durchführen, die Risikofaktoren für Schwangere und stillende Mütter erkennen soll. Das gilt auch, wenn keine Mitarbeiterin schwanger ist oder der Betrieb derzeit keine Frauen beschäftigt. Ergibt die Überprüfung, dass eine "unverantwortbare Gefährdung" für werdende Mütter vorliegt, ist zu prüfen, ob diese durch geeignete Schutzmaßnahmen beseitigt werden kann. Der Betrieb muss konkrete Maßnahmen festlegen, auf ihre Wirksamkeit überprüfen und dokumentieren. Ist eine Mitarbeiterin schwanger, sind die erforderlichen Maßnahmen unverzüglich umzusetzen. Bis sie greifen, darf die Frau nicht beschäftigt werden.Im Verkehrsgewerbe sind folgende Gefährdungen zu prüfen:- Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit- Heben und Tragen von Lasten- Lärm, Erschütterungen- Einsatz bei Hitze, Kälte und Nässe- erhöhte Unfallgefahr- Umgang mit Gefahrstoffen (Gefahrstofftransporte, Tankwagen)- Beschäftigungsbeschränkungen auf Beförderungsmitteln und bei hoher FahrtätigkeitUnterstützung für Arbeitgeber gibt es bei den Aufsichtsbehörden der Bundesländer wie den Landesämtern für Arbeits- und Gesundheitsschutz, Regierungspräsidien sowie den Mutterschutzreferaten der Gewerbeaufsichtsämter (Liste unter www.bmfsfj.de). Auch der Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie die BG Verkehr beraten bei Fragen. sah

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