Frankfurt/Hannover. Im Vorfeld der IAA Nutzfahrzeuge 2016 betonte Wolfgang Bernhard, Daimler-Vorstand Trucks & Buses, die besondere Bedeutung der diesjährigen Fachmesse in Hannover. „Selten stand die Branche vor so großen Herausforderungen und Chancen wie derzeit“, sagte Bernhard auf einer Pressekonferenz. Er nannte das autonome Fahren eine „Technologie-Revolution“ und erinnerte an den ersten Platoon aus autonomen Lkw, den Daimler im März auf die A 52 geschickt hatte. Um 90 Prozent könnte die Zahl der Lkw-Unfälle laut einer Studie sinken, hob der Daimler-Vorstand hervor.
Besonders stolz zeigte sich Bernhard darauf, dass erst jetzt auch im Silicon Valley erste Start-ups autonome Trucks entdeckt hätten: „In diesem Fall fährt ein Start-up aus San Francisco dem Daimler aus Germany hinterher.“ Allerdings müsse man das Tempo hoch halten, um den Vorsprung nicht zu verlieren, bei der Technologie wie beim rechtlichen Rahmen. Er forderte die Politik dazu auf, „die Regelwerke des 20. und 21. Jahrhunderts anzupassen“, ohne sich dabei zu verzetteln. „Bevor wir alle möglichen Fragen des vollautonomen Fahrens diskutieren, müssen wir teilautonomes Fahren ermöglichen. Wir müssen dem Fahrer erlauben, die Hände vom Lenkrad zu nehmen.“
Bernhards zweites großes Thema war die Konnektivität. Von Experten werde erwartet, dass in diesem Jahr weitere 1,5 Milliarden Dinge online gehen, 3000 pro Minute. Sicherlich könne man diskutieren, ob das immer sinnvoll sei. Vom vernetzten Lkw aber erwartet der Daimler-Vorstand in jedem Fall einen Mehrwert für Kunden, Fahrer, Logistik, Umwelt und Gesellschaft, dessen Ausmaß man noch gar nicht abschätzen könne. „Wenn wir den Lkw in die Cloud bringen, kann er Informationen in Echtzeit austauschen mit allen, die am Transport beteiligt sind: Mit Spediteuren und Fracht-Terminals, mit der Infrastruktur und anderen Fahrzeugen, mit Herstellern und Werkstätten.“ Probleme wie lange Wartezeiten beim Be- und Entladen, Leerfahrten und Staus könnten nach Ansicht Bernhards dadurch gelöst werden. Voraussetzung dafür sei ein lückenloses Mobilfunknetz entlang der Autobahnen. Dabei sei die Geschwindigkeit nicht entscheidend, jedoch die Verfügbarkeit.
Elektromobilität ist für Daimler das dritte große Thema auf der IAA 2016. Laut Bernhard mache die Batterie-Technik große Fortschritte, so dass Elektro-Antrieb zunehmend auch für Lkw in Frage komme. Die Kosten für Batterien sollen zwischen 1997 und 2025 um 60 Prozent sinken, während die Leistung um 250 Prozent steigt. Bernhard hält emissionsfreie Elektro-Lkw im Verteilerverkehr in einigen Jahren für denkbar. Allerdings dürfe man beim Erreichen der Umweltziele nicht allein die Zugmaschine im Blick haben. Daimler mache sich daher für einen integrierten Ansatz stark. Im Kern gehe es darum, alle Möglichkeiten zu nutzen. Es müssten alle Systeme und deren Zusammenspiel betrachtet werden: Zugmaschine, Auflieger, Reifen, Kraftstoff, Fahrer, Infrastruktur und Flottenerneuerung. Nach Ansicht von Daimler könne man den CO2-Ausstoß bis 2020 damit um 20 Prozent reduzieren.
Nicht zuletzt brach Bernhard eine Lanze für den Lang-Lkw. Dieser müsse EU-weit und grenzüberschreitend freigegeben werden, damit man diesen Effizienzgewinn in jedem Fall mitnehme. (mo)