Erfurt/Bamberg. Ein bisschen ist es wie in der U-Bahn – nur viel schneller. Mit Tempo 300 in der Spitze fährt der ICE Berlin-München auf der Neubaustrecke zwischen Erfurt und dem fränkischen Ebensfeld bei Bamberg von Tunnel zu Tunnel durch den Thüringer Wald. Die beiden längsten der insgesamt 22 Röhren auf diesem Abschnitt haben die Experten 8,3 sowie 7,4 Kilometer durch den Berg gesprengt. Das Gefühl, quasi unter dem Kamm des Mittelgebirges durchzusausen, erleben Reisende mit dem Fahrplanwechsel am Sonntag (10. Dezember). Dann beginnt der Linienverkehr auf der Trasse.
An dem Megaprojekt – Kosten: zehn Milliarden Euro – wurde seit 1996 mit einigen Unterbrechungen gearbeitet. Die Bahn spricht vom „größten Bahnbauprojekt Deutschlands“. Geschlossen ist jetzt die letzte, 107 Kilometer lange Lücke zwischen Thüringen und Bayern auf der verkehrsträchtigen Nord-Süd-Magistrale – einem „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit“ (VDE 8) mit Neu- und Ausbauabschnitten. Auf etwa der Hälfte des Neubaustücks durch den Thüringer Wald geht es entweder durch Tunnel oder über 29 Talbrücken.
Güterverkehr soll die Strecke für sich entdecken
Die Fahrzeit auf den insgesamt 623 Kilometern zwischen Berlin und München sinkt nach Angaben der Deutschen Bahn für Fahrgäste im ICE-Sprinter um zwei auf knapp vier Stunden. Mit dem normalen ICE seien sie knapp viereinhalb Stunden zwischen den beiden Metropolen unterwegs. Die ICE-Züge seien damit eine „sehr ernsthafte Alternative gegenüber dem Flieger“, erwartet Bahnchef Richard Lutz – und damit seit der Pleite Air Berlins vor allem für die Lufthansa. Das Unternehmen hat ein ehrgeiziges Ziel. Die jährliche Fahrgastzahl zwischen Berlin und München soll sich von bisher etwa 1,8 Millionen auf bis zu 3,6 Millionen verdoppeln.
Auch der Güterverkehr soll von der neuen Schienenverbindung profitieren, auch wenn zunächst noch keine Güterzüge auf der Strecke verkehren, wie DB-Vorstandsvorsitzender Richard Lutz gegenüber dem „ZDF Morgenmagazin“ am Freitag erklärte: „Der Güterverkehr hat im Moment noch keine Trassen angemeldet, aber diese Strecke ist auch für den Güterverkehr fahrbar.“ Die Bahn erwarte, dass „zumindest mal in den nächsten Jahren, auch die Güterverkehrskunden die Attraktivität der Strecke für sie entdecken“, so der Bahnchef, „und so auch Verkehr auf die Schiene verlagern.“
Es bleiben Baustellen auf der Strecke
Doch bei aller Euphorie ob der Vorteile der neuen Tempo-Strecke: Baustellen bleiben – nicht nur am Nadelöhr Bamberg in Bayern. In Bayern geht in den nächsten Jahren der Streckenausbau in Richtung Nürnberg weiter – noch müssen die schnellen Züge hinter der Landesgrenze auf Tempo 160 drosseln. Einige Städte, darunter Thüringens Wirtschafts- und Wissenschaftszentrum Jena, fühlen sich zudem abgehängt vom ICE-Verkehr. Andere leiden unter den Schallschutzwänden entlang der Schnelltrasse.
Zumindest die Züge sollen möglichst wenig Lärm machen, nachdem es die Bahn beim Tunnelbau durch Sprengungen im Thüringer Wald richtig krachen ließ. An den Portalen der längsten Tunnel seien Schallschutzhauben angebracht worden, die die Luft verwirbeln, erklärt ein Bahnsprecher. „Das verhindert bei dem hohen Tempo den Knall am Tunnelausgang.“ (dpa/jt)