Bericht aus Berlin

Bericht aus Berlin „Groko“ bittet den LKW zur Kasse Die Logistikverbände sind enttäuscht über den schwarz-roten Koalitionsvertrag. LKW- und Autofahrer sollen Straßensanierung bezahlen. Amtsinhaber Peter Ramsauer bleibt offenbar Verkehrsminister. Über die Pläne der großen Koalition („Groko“) haben sich die Verkehrsverbände zumeist enttäuscht geäußert. Ihrer Ansicht nach ist die Investitionssumme für die Infrastruktur in den kommenden vier Jahren zu niedrig. So sollen in erster Linie das Güterkraftverkehrsgewerbe und die Autofahrer über die Maut für die Sanierung maroder Straßen, Schienen- und Wasserwege aufkommen. Während eine neue PKW-Maut zunächst nur Ausländer treffen soll, wird die Abgabe für LKW schrittweise auf die Bundesstraßen und möglicherweise nachgeordnete Straßen ausgeweitet und soll auch Umweltschäden berücksichtigen. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) sieht deshalb auf die Wirtschaft und die Verbraucher neue Kosten zukommen. Mit der Festlegung „Für die dringend notwendigen Investitionen in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur werden insgesamt fünf Milliarden Euro zusätzlich mobilisiert“, bleibe die große Koalition weit hinter dem „Aufschlag“ der Verkehrsministerkonferenz zurück, die kürzlich einen Finanzbedarf von vier Milliarden Euro jährlich, insgesamt also 16 Milliarden Euro, für die kommenden vier Jahre angemeldet hatte, kritisiert das geschäftsführende BGL-Präsidialmitglied Karlheinz Schmidt. Das Prinzip der Nutzerfinanzierung (Maut) sei von den Koalitionären unterstrichen worden, bei der Haushaltsfinanzierung seien die Erwartungen der Länder hingegen deutlich zurückgeschnitten worden. Befürchtungen des BGL, es könnten auch LKW unter 7,5 Tonnen via Toll Collect bemautet werden, wurden umgehend von Union und SPD widersprochen. Dies stehe nicht zur Debatte. Offen blieben aber die im Koalitionsvertrag als „Orientierungspunkte“ bezeichneten Kriterien für eine „Weiterentwicklung der Maut“ unter Berücksichtigung des neuen Wegekostengutachtens. Für eine solche Mauterhöhung werden die Tonnage, das Netz und externe Kosten genannt. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) sieht den Logistikstandort Deutschland als „Wahlverlierer“ und erinnert daran, dass die Bodewig-Kommission noch im September den jährlichen Bedarf für den Erhalt der Verkehrswege auf 7,2 Milliarden Euro beziffert hatte. DSLV-Präsident Mathias Krage bedauerte, dass den von der Kommission befürworteten verkehrsträgerbezogenen Infrastrukturfonds eine Absage erteilt worden sei. Dazu hieß es im Bundesverkehrsministerium bedauernd, die Fonds seien an den Haushaltspolitikern gescheitert. Doch habe man die Überjährigkeit durchsetzen können. Das bedeutet, Union und SPD wollen Mittel über das Haushaltsjahr hinaus verbauen können, um langwierige Verkehrsprojekte leichter zu verwirklichen. Zudem kann dem Vertrag zufolge das Geld zwischen den Verkehrsträgern hin und her geschoben werden, falls es beispielsweise an fertig geplanten Projekten in einem Bereich fehlt. Die Ankündigung, 6000 zusätzliche LKW-Stellplätze schaffen zu wollen, sei zu wenig konkret, monierte der DSLV. Der Bundesverband der Transportunternehmen (BVT) bewertete den Koalitionsvertrag als „Vertrag zulasten Dritter, nämlich der Transportunternehmer“. Zu wenig Geld aus dem Steuertopf Der Straßenverband Pro Mobilität zeigte sich enttäuscht, da mit dem geplanten Finanzvolumen von fünf Milliarden Euro „die überfällige Sanierung der Verkehrsnetze nur mit gebremstem Schub angegangen werden“ könne. Die Koalition müsse im Regierungshandeln mehr Reformbereitschaft zeigen, mahnte Verbandspräsident Peter Fischer. Das Deutsche Verkehrsforum (DVF) immerhin erkennt in den zusätzlichen Investitionsmitteln ein „positives Signal“, mahnte aber ein Schließen der Investitionslücke von vier Milliarden Euro jährlich an. Es sei zwar gut, dass der Infrastruktur ein neuer Stellenwert im Vertrag gegeben werde, erklärte der Verband der Automobilindustrie (VDA). „Allerdings sind die im Vertrag erwähnten Bundesmittel für die gesamte Legislaturperiode nicht ausreichend“. Die Allianz pro Schiene begrüßte das angekündigte erhöhte Investitionsniveau für die Schiene, kritisierte aber gleichfalls „die unzureichende Finanzausstattung“. Gute Ansätze seien auf den letzten Metern der Verhandlungen haushaltspolitisch ausgebremst worden – so Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege. Nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) hat die Koalition eine Chance für mehr Wachstum verpasst, da sie entgegen dem Votum der Verkehrs- und Wirtschaftspolitiker die Luftverkehrssteuer nicht abschaffen will. Der Flughafenverband ADV begrüßte die Ablehnung von Nachtflugverboten als „ein klares Zeichen für den Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Flughäfen“. Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) zeigte sich „in Summe zufrieden“ mit dem Koalitionsvertrag. Insbesondere solle die „Strategie zur Ertüchtigung der Schleusen fortgeschrieben und verstärkt werden“, stellte BDB-Präsident Georg Hötte fest. Wenig nachvollziehbar sei aber, dass die große Koalition sich auf einen Ausbau der Donau ohne Staustufen festgelegt habe. Im Ergebnis haben die Koalitionäre in ihrem 185-seitigen Vertrag offengelassen, mit wie viel mehr Geld Straßen, Schienen und Wasserwege in den nächsten vier Jahren rechnen können. Die Verkehrspolitiker der drei Parteien hatten für die nächsten vier Jahre 16 Milliarden Euro zusätzlich verlangt. Aus Steuermitteln sind im Vertrag jetzt nur noch fünf Milliarden Euro zugesagt. Der Rest müsste also aus der erweiterten LKW- und PKW-Maut kommen. Das ist jedoch in den nächsten Jahren nicht in Sicht. Nach Berechnungen des Verkehrsministeriums könnte die PKW-Maut unterm Strich bis zu 800 Millionen Euro im Jahr bringen, frühestens jedoch ab 2015. Eine Ausweitung der LKW-Maut gilt zudem erst gegen Ende der Wahlperiode als möglich, da das satellitengestützte Erfassungssystem derzeit nicht 40.000 zusätzliche Landstraßen-Kilometer verarbeiten kann. Erst dann könnten jährlich 2,3 Milliarden Euro zusätzlich in die Kassen fließen. Ramsauer will PKW-Maut einführen Dennoch sprach der amtierende Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) von einem klaren Signal für die Infrastruktur. „Wir können mit den Zusatzmilliarden einen kräftigen Modernisierungsschub einleiten“. Sein SPD-Gegenspieler Florian Pronold bekräftigte seine Zweifel an der Einführung einer PKW-Maut nur für Ausländer. Bezeichnend sei, dass die CSU in der Arbeitsgruppe Verkehr kein geschlossenes Konzept habe vorlegen können. Die CSU hatte eine Entlastung für Fahrer aus dem Inland über eine niedrigere KFZ-Steuer vorgeschlagen, was als rechtlich problematisch gilt. Die drei Bedingungen, EU-Verträglichkeit, Kostenneutralität für deutsche Autofahrer, spürbare Haushaltssteigerung, seien nicht erfüllbar. Diese Hürden könnten nicht genommen werden, zeigte sich Pronold sicher. Nach dem Koalitionsvertrag soll die PKW-Maut auf Autobahnen über eine Vignette bereits 2014 per Gesetz auf den Weg kommen. Erhebliche Bedenken gegen die Einführung einer PKW-Maut nur für Ausländer auf deutschen Autobahnen wurden inzwischen von den Regierungen in Österreich und den Niederlanden geäußert. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wies die Nachbarländer am vergangenen Wochenende mit deutlichen Worten zurück: „Ich bin doch nicht gewählt worden, um die Interessen Österreichs oder der Niederlande zu vertreten, sondern ich bin gewählt worden, um die Interessen Bayerns und Deutschlands zu vertreten.“ Zur gleichen Zeit meldeten überregionale Medien, Ressortchef Peter Ramsauer werde seinen Kabinettsposten behalten. Dies hätten CSU-Kreise unter Hinweis auf eine Absprache der Parteichefs Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) bestätigt. Spekulationen, denen zufolge CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt das Amt hätte übernehmen sollen, hätten sich somit nicht bestätigt. Nichts zum Lang-LKW Vergebens sucht man im Koalitionsvertrag eine Aussage über den Feldversuch mit Lang-LKW, gegen den die Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie die Länder Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein geklagt hatten. Dazu hieß es von Union und SPD übereinstimmend, man habe dieses Thema bewusst „ausgespart“, da man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten wolle. Pronold ließ erkennen, dass die SPD den Einsatz von Lang-LKW nicht generell ablehne. Diese zeige sich auch an den Ausnahmegenehmigungen SPD-regierter Länder wie Bremen, Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg. Ein anderes Thema, dass jeden Logistikunternehmen betreffen wird, haben Union und SPD ausführlicher im Koalitionsvertrag beschrieben: Auf die Branche kommt ein Mindestlohn mit unterschiedlichen Auswirkungen zu (siehe Seite 18). ❙❚■ Jörg Kürschner, VR-Korrespondent in Berlin Regierungsbildung 6. bis 8. Dezember Auf Veranstaltungen in den Unterbezirken und Ortsvereinen der SPD soll der Koalitionsvertrag diskutiert werden. 9. Dezember Kleiner Parteitag der CDU entscheidet über Koalitionsvertrag. 12. Dezember Bis 24 Uhr müssen die Stimmen des Mitgliederentscheids im Postfach des SPD-Parteivorstands eingegangen sein. 14. Dezember Unter Aufsicht von Mitgliedern der Mandats-, Prüf- und Zählkommission der SPD werden die Stimmzettel ausgezählt. Nach Ende der Auszählung könnte das Ergebnis noch am Abend bekannt gegeben werden. 17. Dezember Bei positivem Mitgliederentscheid Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Berufung der Kabinettsmitglieder, eventuell des Beauftragten für Güterverkehr und Logistik. Mitte Januar 2014 Besetzung der Fachausschüsse des Bundestages und damit volle Arbeitsfähigkeit des Bundestages und der neuen Bundesregierung. jök „Die Maut-Mehrbelastungen gefährden den Bestand deutscher Transportunternehmen“ Karlheinz Schmidt Präsidialmitglied des Speditionsverbands BGL Statt 16 Milliarden gibt es nur fünf Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur „Der große Wurf ist den zukünftigen Regierungsparteien leider nicht gelungen“ Mathias Krage Präsident des Speditionsverbandes DSLV Koalitionsvertrag: Positives und Negatives Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur  Die Politik erkennt an, dass höhere Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur „dringend notwendig“ sind und diese „substanziell“ erhöht werden müssen  Die Zusage, in der Legislaturperiode fünf Milliarden Euro mehr zu investieren, ist positiv, aber bei einem eigentlichen Bedarf von mindestens 16 Milliarden Euro ist dies viel zu wenig  Die Koalition verpflichtet sich auf das Ziel „überjähriger Planungs- und Finanzierungssicherheit“, auch wenn Fondslösungen nicht durchsetzbar waren  Die Nettoeinnahmen aus der Nutzerfinanzierung sollen ohne Abstriche der Verkehrsinfrastruktur zugeführt werden  Zusätzliche Einnahmen aus der Nutzerfinanzierung sollen vor allem die Ausweitung der LKW-Maut auf Landstraßen und auf LKW ab 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht bringen. Die Maut für PKW soll – außer für ausländische KFZ-Halter – hingegen kostenneutral bleiben. Unklar bleibt ferner, wie leichte Nutzfahrzeuge bis 7,5 Tonnen bemautet werden sollen  Es fehlt ein klares Bekenntnis zu verkehrsträgerspezifischen Finanzierungskreisläufen  Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) sollen auch künftig für Bau und Finanzierung von Straßen und Schienenwegen genutzt werden. Diese sollen außerdem transparenter und mittelstandsfreundlicher werden Straßen- und Schienenverkehr  Der Zustand der Verkehrswege soll mittels Infrastrukturbericht künftig transparenter werden. Aber es müsste auch die Leistungsfähigkeit der Verkehrswege evaluiert werden, dieser Aspekt fehlt im Koalitionsvertrag  Die Zukunft des Lang-LKW und das Thema künftige Maße und Gewichte für LKW in Deutschland und Europa wird mit keiner Silbe berücksichtigt  Die hohe Bedeutung des Lärmschutzes für die Akzeptanz von Mobilität wird betont. Es wird ein verkehrsträgerübergreifender Ansatz verfolgt und es sollen die Mittel für die Lärmschutzprogramme für Straße und Schiene erhöht werden. Es fehlen aber konkrete Zahlen Luftverkehr  Generelle Betriebsbeschränkungen bei Flughäfen durch Nachtflugverbote lehnen Union und SPD im Koalitionsvertrag klar ab  Verankerung einer stärkeren Differenzierung von lärmabhängigen Entgelten im Luftverkehrsgesetz nach Flugzeugtypen und Spreizung der Tag- und Nachttarife Binnen- und Seeschifffahrt  Die Investitionsprioritäten für den Erhalt von Bundeswasserstraßen sollen auf Basis eines nach Dringlichkeitsstufen geordneten Plans erfolgen, der neben der reinen Tonnage auch weitere Kriterien berücksichtigt  Bekenntnis zu einer leistungsfähigen Schifffahrt, das Schifffahrtsrecht wird modernisiert. Auf einseitige nationale oder europäische Sonderregelungen wird verzichtet  Weiterentwicklung des Nationalen Hafenkonzeptes, Fortführung der Nationalen Maritimen Konferenz, Beseitigung von Engpässen bei land- und seeseitigen Anbindungen Arbeitsmarkt  Der gesetzliche Mindestlohn kommt – in Höhe von 8, 50 Euro. Er stellt einen Eingriff in die Tarifautonomie dar, die Höhe gefährdet jedoch aufgrund der beschlossenen Ausnahmen und Übergangsfristen nicht unmittelbar die Wettbewerbsfähigkeit vieler Logistikbetriebe. Da es keine branchenspezifischen und regionalen Unterscheidungen gibt, kann es dennoch zu Mehrkosten bei einigen Unternehmen kommen. Unkalkulierbar ist aber vor allem die künftige Entwicklung des Mindestlohnes über das Jahr 2017 hinaus  Die Höchstüberlassungsdauer von Leiharbeitern soll 18 Monate betragen. Dies ist vertretbar, da längere Einsatzzeiträume durch Betriebsvereinbarungen vereinbart werden können. Auch das nach neun Monaten geltende Equal-Pay-Gebot ist in der Regel akzeptabel  Der Staat will stärker gegen rechtswidrige Werkverträge vorgehen. Dagegen ist nichts einzuwenden, leider gibt der Koalitionsvertrag keine Auskunft darüber, was künftig „rechtswidrig“ sein soll. Eine allgemeine Kriminalisierung und Bürokratisierung ist unbedingt zu vermeiden  Die Tarifeinheit in den Unternehmen soll wieder hergestellt werden – ein wichtiger Beitrag, um unnötige Streiks kleinerer Gruppen in den Betrieben zu vermeiden ak Quelle: VerkehrsRundschau/Bewertungen der Verbände

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