Paris. Nach jüngsten Berechnungen der Direktion der französischen Staatsbahn SNCF dürfte der wochenlange Bahnstreik mit zahlreichen ausgefallenen und verspäteten Zügen das Unternehmen rund 400 Millionen Euro gekostet haben. Der anfangs sehr hohe Mobilisierungsgrad war im Laufe der Zeit nach und nach auf zum Schluss nur noch 13.000 Streikenden pro Tag geschrumpft. Mit 26 Streiktagen, seit Anfang April auf zwei Monate verteilt, hat der jüngste Ausstand bei der Staatsbahn die Dauer des Streiks von Dezember 1995 noch übertroffen. Damals hatten die Eisenbahner 23 Tage gestreikt, dies jedoch am Stück und nicht über einen so langen Zeitraum gestreckt wie jetzt.
Die Zahl 400 Millionen Euro markiert nur die Verluste, die der Staatsbahn entstanden sind. Für wichtige Wirtschaftszweige, die ihre Produkte bisher ausschliesslich mittels Bahnwaggons zu den Kunden brachte wie die Getreideindustrie, dürften die durch den Streik verursachten Kosten noch unübersehbar sein. Gesamtwirtschaftlich gesehen könnten sie nach Expertenschätzungen pro Tag zwei Milliarden Euro betragen.
Die Touraine in der Loire-Region gehört zu den bedeutendsten Getreidebecken des Landes, und für die Getreidegenossenschaften in der Region Indre-et-Loire war zuletzt die höchste Alarmstufe angesagt. Die Silos in dortigen Ortschaften wie Reignac-sur-Indre, La Celle-Saint-Avant, Villeperdue, Descartes, Neuillé-Pont-Pierre, La Ville-aux-Dames oder Courville verfügen alle über direkten Gleisanschluss. Im Frühjahr muss die Leerung der Silos und damit das Expedieren der Gebäude beschleunigt erfolgen, um Platz zu machen für die kommenden Erntemengen. Seit Anfang April aber hatte die SNCF mehr als die Hälfte der schon fest eingeplanten Getreidezüge wegen des Streiks streichen müssen.
„Selbst mit von uns gecharterten 60 bis 70 Lkw pro Woche sind wir mit unseren Expeditionen in Richtung des Atlantikhafens La Roche in Verzug geraten”, sagt Jean-Michel Brunet von der Firma Agrial, der drei großen Getreidestandorten der Region mit zusammen fast 180.000 Tonnen Lagerbeständen vorsteht. Um einen einzigen Getreidekonvoi per Bahn zu ersetzen, benötige man 45 Lkw - und die habe man erst unter großen Schwierigkeiten gefunden. Das Getreidegewerbe sei nicht das einzige, das dringend nach Fahrern gesucht hätte, ergänzt Francis Paul-Hazard von Axéréal. (jb)