Brüssel. Brian Simpson, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im EU-Parlament, hat die Bemühungen der EU-Mitgliedsstaaten zur Verwirklichung eines grenzüberschreitenden und technisch harmonisierten Eisenbahnraums in Europa scharf kritisiert. Die Regierungen würden diese Bemühungen seit Jahren ausbremsen, weil sie hauptsächlich an den Ausbau ihrer nationalen Netze denken. Anzeichen, dass sich daran etwas ändere, sehe er nicht.
Regierungen bremsen Bemühungen um einheitlichen Markt aus
Simpson äußerte diese Kritik im Rahmen einer Preisverleihung der Dachverbände der Europäischen Eisenbahnunternehmen und der Europäischen Fabrikanten für Bahntechnik, CER und UNIFE, gestern in Brüssel. Der ebenfalls als Redner geladene EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hob die Bemühungen seiner Behörde hervor, an einem einheitlichen Bahnsystem in Europa zu arbeiten. Die jüngst vorgestellten Pläne des vierten Eisenbahnpakets seien ein weiterer Meilenstein in diese Richtung.
„Aber wo sind die zweiten und dritten Pakete?“, konterte Simpson. Gut zehn Jahre nach Verabschiedung des ersten Pakets habe das Parlament gerade eine Neuauflage behandelt weil die Vorgaben aus dem ursprünglichen Gesetzespaket von den EU-Mitgliedsstaaten nicht richtig umgesetzt worden seien. Simpson kündigte gleichzeitig die Absicht an, die sechs Gesetzesvorschläge des vierten Eisenbahnpakets als Einheit im Parlament zu behandeln. So, wie es die Kommission vorgeschlagen habe. „Politische und technische Aspekte gehen Hand in Hand, die gesonderte Behandlung macht keinen Sinn“, sagte Simpson. Damit kritisierte er erneut die EU-Mitgliedsstaaten. Im EU-Rat hat die derzeitige irische Ratspräsidentschaft bereits das Vorhaben geäußert, die technischen Aspekte des Pakets getrennt von den politischen zu behandeln.
Trennung von Netz und Betrieb als Kernthema
Bei letzteren geht es vor allem um die strittige Frage der klaren Trennung von Verkehrs- und Netzbetrieb. Das Vorhaben der EU-Kommission stößt auf starken Widerstand unter anderem in Deutschland. Dort müsste das bestehende Holding-System der Deutschen Bahn neu strukturiert werden.
„Ich begrüße es außerordentlich, dass heute Abend ein Schweizer den politischen Preis von CER erhält, denn die Schweiz ist der Staat, der am eifrigsten die EU-Gesetze umsetzt“, sagte Simpson mit Verweis auf einen der Preisträger, Benedikt Weibel. Der ehemalige Chef der Schweizer Bahn wurde für seine Verdienste bei dem Projekt Bahn 2000 ausgezeichnet, durch das die Schweizer Bahn zu einer wettbewerbsfähigen Alternative zum Straßenverkehr geworden ist. Den Preis für technische Leistungen erhielt der deutsche Ingenieur Johannes Nicolin, der lange Zeit für Waggonfabrik Talbot in Aachen tätig war, bevor er technischer Direktor bei der schweizerischen AAE Ahaus-Alstätter Eisenbahn AG wurde. (kw)