Rosenheim. Die Planungen für mehr Bahnkapazitäten durchs bayerische Inntal Richtung Brenner sind einen wichtigen Schritt vorangekommen. Ein Ausbau der bestehenden Strecke als dauerhafte Alternative zu einer Neubaustrecke ist vom Tisch. Ob das ausreichend sein könne, sei geprüft worden, sagte der Projektleiter der Deutschen Bahn, Torsten Gruber, am Montag in Rosenheim. „Und die klare Antwort: Nein, das ist es nicht.” Nun geht es um fünf Vorschläge für grobe Trassenverläufe östlich und westlich von Rosenheim. Teils sehen sie längere Tunnelstrecken vor. Bayerns Bahnchef Klaus-Dieter Josel sprach von einem „Meilenstein für das Projekt”. Bürgerinitiativen halten den Neubau für überflüssig. Sie reagierten enttäuscht.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte, es müsse den Anliegen in der Region Rechnung getragen werden. Die Kapazität der bestehenden Strecke reiche aber nach den Prognosen langfristig nicht aus. Es gehe auch darum, zur Erreichung von Klimazielen Güterverkehr auf die Schiene zu bringen und internationale Verpflichtungen zu erfüllen. Der Güterverkehr zwischen Nord und Süd sei nun einmal vorhanden. Und andernorts freuten sich Bürger über moderne Neubaustrecken.
Pfeifkonzert für Scheuer
In Rosenheim begrüßten hingegen Mitglieder der 17 Bürgerinitiativen den Minister in roten Warnwesten und mit einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert aus Trillerpfeifen. „Bestand modernisieren statt Heimat zerstören”, war auf Transparenten zu lesen. Sie fürchten mehr Lärm und Naturzerstörung im engen Inntal und sprechen von einem Milliardengrab. Betroffen seien auch nicht nur Anwohner, sondern auch Bauern und Tourismus. Auch der Bund Naturschutz lehnt den Neubau ab.
Die neue Strecke soll die Kapazitäten zum künftigen Brenner-Basistunnel erweitern, der ab etwa 2028 mehr Güter auf die Schiene bringen und die vielbefahrene Brennerroute vom Lastwagenverkehr entlasten soll. Nicht zuletzt Tirol, das mit Deutschland unter anderem über die Lkw-Blockabfertigungen an der Grenze im Streit liegt, macht Druck, dass in Deutschland der Ausbau endlich vorankommt. Frühestens 2038 könnte laut Bahnschätzung die Neubaustrecke in Deutschland fertig sein. Bis dahin reichten aber die bestehenden Gleise, die dafür modernisiert und mit weiterem Lärmschutz versehen werden, hieß es.
Möglichst lange Tunnelanteile
Bayerns Verkehrsminister Hans Reichhart und die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (beide CSU) betonten, Ziel seien beim Neubau möglichst lange Tunnelanteile. Trassenvorschläge ohne Tunnellösungen seien den Menschen in der Region nicht zuzumuten, sagte Ludwig.
Zwei der möglichen Varianten für neue Gleise sehen die Planer der Bahn östlich von Rosenheim bei Stephanskirchen. Eine dieser Trassen könnte nach dem Grobplan tatsächlich etwa zu zwei Dritteln im Tunnel laufen - weshalb sie seitens der Politik auf Sympathien stößt.
Westlich von Rosenheim bei Kolbermoor gibt es drei Varianten mit unterschiedlichen Verknüpfungsstellen zur bestehenden Strecke. Dort ist eine Untertunnelung wegen der Bodenbeschaffenheit problematisch. Im Süden, wo das Inntal sehr eng wird, sind bei den meisten Varianten wieder längere Tunnelstrecken vorgesehen.
Die Bahn hatte nach eigenen Angaben bei den nun vorgelegten Grobtrassen-Ideen auch gut 100 Vorschläge von Bürgern geprüft. Von den fünf Grobtrassen enthielten nun vier entsprechende Ideen, betonte die Bahn. Etwa hätten die Bahnplaner einen zusätzlichen Tunnelabschnitt östlich des Inns eingefügt. „Die Beteiligung funktioniert”, sagte Josel. Thomas Riedrich von der Initiative Brennerdialog Rosenheimer Land nannte die Bürgerbeteiligung hingegen eine Farce. „Wir werden in den Planungsgremien vor vollendete Tatsachen gestellt.”
In Kürze soll nun das Raumordnungsverfahren starten. Bis Ende 2020 will die Bahn den Vorschlag für eine endgültige Trasse vorlegen. Das Projekt muss dann noch politisch abgesegnet werden. (dpa)
Decrypt