Aufbruch in den hohen Norden

Mit "Alter Schwede" wird jemandem, dessen Verhalten Erstaunen auslöst, Anerkennung gezollt. Für die Spedition Bode war deshalb diese Redewendung genau der richtige Name für ihr neues intermodales Angebot in den hohen Norden. Jede Woche organisiert das Lübecker Unternehmen mit Kombiverkehr drei Shuttles für bis zu 38 Trailer und Container. Die Züge mit einer Nutzlast von 1000 Tonnen verkehren auf rund 1200 Kilometern zwischen dem Lübecker Terminal von CTL, einem Tochterunternehmen des Hafen- und Reedereibetriebs Lehmann, und dem neuen Terminal Rosersberg, das die türkische Yilport-Gruppe 30 Kilometer nördlich von Stockholm hochgezogen hat. Lebensmittel in allen Temperaturklassen, aber auch Konsumgüter und Forstprodukte werden transportiert. "Unsere Züge sind zu 98 Prozent ausgelastet", zieht Bode-Prokurist Stev Etzrodt, der die KV-Verkehre managt, eine Zwischenbilanz. Der durchschnittliche Auslastungsgrad von KV-Verkehren liegt bei rund 70 Prozent. Trotz des späten Markteinstiegs 2010 sind kombinierte Verkehre schnell eine feste Größe für Bode geworden. Von Lübeck oder Hamburg aus nutzen die Hanseaten, die auch Kommanditist von Kombiverkehr sind, die Linienverkehre des Operateurs nach Duisburg, Köln, Ludwigshafen und München. Mit "Alter Schwede" organisieren sie erstmals einen eigenen Zug, der eine Marktlücke schließt. Direktverbindung nach Stockholm Die meisten Linienverkehre der internationalen Operateure enden in den schwedischen Südhäfen Helsingborg und Malmö. Von hier aus bringen einheimische Partnerunternehmen die Ladeeinheiten zu den rund ein Dutzend Terminals in Süd- und Mittelschweden. Mit Alter Schwede gibt es nun erstmals eine Direktverbindung nach Stockholm, welche eine gute Anbindung von Nordschweden an die internationalen KV-Netze erlaubt. Das neue Terminal Rosersberg ist hierfür der bessere Standort als das alte Terminal Årsta, das mitten im Stadtgebiet liegt. Außerdem hat Betreiber Yilport im Mai 2016 den Hafen Gävle mit einem Frachtaufkommen von fünf Millionen Tonnen im Jahr übernommen und baut nun Shuttle-Verkehre in dem 170 Kilometer nördlich von Stockholm gelegenen Standort auf. Ein KV-Terminal ist hier vorhanden. Mit den Schweden-Verkehren kann Bode seine wohl größten Stärken im intermodalen Markt ausspielen. Weit mehr als viele andere KV-Speditionen haben die Holsteiner in Kühllogistik investiert und vor drei Jahren 60 kombifähige Trailer angeschafft. Heute hat Bode rund 350 Einheiten. Rund 40 Prozent sind für temperaturgeführte Transporte geeignet. "Wir glauben an den KV", sagt Etzrodt. Der Logistikmanager gibt offen zu, dass Autobahnmaut, Sonntags- und Feiertagsfahrverbote sowie weitere von der Politik initiierten Kosten und Restriktionen zum Umdenken im Unternehmen erheblich beigetragen haben. Auch die Einsparungen für die Spedition selbst sind beachtlich. Bode kann mit der gleichen Zahl von Fahrern ein Vielfaches an Fracht umschlagen, weil der Lkw-Fuhrpark ausschließlich Vor- und Nachlaufverkehre fährt. "Die kombinierten Verkehre verursachen nur zehn Prozent unserer Unternehmenskosten", hat Etzrodt ermittelt. Für die Verlader sieht die Kalkulation anders aus. Am meisten schätzen sie laut Etzrodt die Verlässlichkeit der Bahn. Weil die Preise im KV wenigstens ein Jahr lang gelten, können Industrie- und Handelsunternehmen ihre Transport- und Logistikkosten besser kalkulieren. Im reinen Straßengüterverkehr müssen sie hingegen mit Treibstoffzuschlägen und anderen schwer planbaren Zusatzkosten rechnen. "Wir können jedoch dem Kunden unterm Strich leider keine Kostenvorteile bieten", räumt Etzrodt ein. Als Folge der aktuell niedrigen Treibstoffpreise und steigenden Trassenpreise registrieren die Holsteiner eine zunehmende Nachfrage nach Straßengüterverkehren. Auch die erhöhte EEG-Umlage, welche die EVUs auf Betreiben des Bundesumweltministeriums zahlen müssen und welche die KV-Verkehre einer Untersuchung der "Allianz pro Schiene" zufolge um jährlich 7,2 Millionen Euro (2015) belasten, macht sich laut Etzrodt bemerkbar. Allein der Umwelt zuliebe wollen die Verlader nicht mehr Geld zahlen. "Vor allem internationale KV-Verkehre ab 700 Kilometer werden trotzdem immer stärker nachgefragt", stellt Etzrodt fest. Mit dem KV schneller am Ziel Für die Spedition Bode war dies ein wichtiger Grund für Alter Schwede, zumal dieser mit 20 Stunden Fahrzeit unterm Strich schneller als der Lkw ist. "Wir nutzen seit 2010 KV-Verkehre in Schweden und kennen deshalb den regionalen Markt recht gut", sagt Etzrodt. Im Januar 2015 machte Bode einen ersten Anlauf für einen eigenen Zug mit TX Logistik. Als die schwedische Verkehrsbehörde Trafikverket der Landestochter dieses Operateurs die Lizenz wegen angeblicher Mängel im Sicherheitsmanagement im Herbst 2015 entzog, wechselte die Spedition Anfang 2016 zu Kombiverkehr. Der deutsche Marktführer konnte die strengen Sicherheitsanforderungen, die unter anderem detaillierte Notfallpläne und eine Mindestzahl von Ersatzlokomotiven vorschreiben, am überzeugendsten erfüllen. Vorerst ist Bode der größte Nutzer des Terminals Rosersberg, das mit vier Gleisen à 750 Metern und zahlreichen Stromanschlüssen sowie Überwachungstechnologien auch Ganzzüge, die überwiegend verderbliche Waren transportieren, aufnehmen kann. "Die meisten Züge kombinieren Trailer für Trocken-, Frische- und Tiefkühlwaren", sagt Etzrodt. Ende 2016 will Bode über weitere Verkehre in den hohen Norden entscheiden. Mit einer Pünktlichkeitsquote von 90 Prozent liegt Alter Schwede klar vor den Werten der deutschen KV-Züge (78 Prozent), was auch mit dem schwächer frequentierten Schienennetz in Schweden zusammenhängt. Als weiteren Grund führt Etzrodt die präzise Abstimmung der Terminals in Lübeck und Rosersberg mit dem Traktionsunternehmen DB Cargo an. "Auch Baustellen führen in der Regel nicht zu Verspätungen, weil diese von Trafikverket frühzeitig angekündigt werden", sagt Etzrodt. Der Logistikmanager begründet dies mit der Struktur von Trafikverket. Im Gegensatz zu Deutschland hat Schweden die Verantwortung für Straßen- und Schienenverkehre in der Behörde zusammengelegt, was zu einer besseren Koordination der Abteilungen führt. Pläne für den Ausbau von Rosersberg zum Gateway nach Nordschweden oder auch Norwegen haben Yilport und Bode in der Schublade. Mit CargoNet gibt es einen möglichen Partner für Norwegen-Verkehre. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen, das sich auf grenzüberschreitende Verkehre zwischen beiden skandinavischen Ländern spezialisiert hat, weitet seinen KV-Markt massiv aus. Anfang September 2016 wurde eine Verbindung vom südschwedischen Trelleborg zum Osloer Terminal Alnabru aufgenommen, ein weiterer Shuttle ab Malmö ist geplant. Auch die skandinavische Logistikwirtschaft sieht in grenzüberschreitenden KV-Verkehren offenbar die größten Wachstumschancen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Kombinierter Verkehr" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Familienunternehmen Orientierung gen Norden Die 1949 gegründete Spedition Bode beschäftigt rund 180 Mitarbeiter und hat Standorte in Reinfeld, Lübeck und Mölln. Geschäftsführer sind Kai Jörg Bode und Nils Grube. Außer Logistik, KV- und Straßengüterverkehren bietet das Familienunternehmen in dritter Generation Short-Sea- Verkehre nach Finnland an, wo in der Skisport-Hochburg Lahti eine weitere Niederlassung existiert. bot Expansion Vom Mittelmeer an die Ostsee Bode-Partner Yilport wurde erst 2005 von der Yildrim Group gegründet. Der Istanbuler Mischkonzern, der unter anderem im Bergbau, Rohstoffhandel, Schiffsbau und in der Düngerproduktion tätig ist, wollte die Privatisierungspolitik der damaligen türkischen Regierung für den Aufbau einer eigenen Hafenbetriebsgesellschaft nutzen. Yilport fasste schnell Fuß im Markt: 2006 übernahm das Tochterunternehmen den Hafen Gebze bei Istanbul und baute diesen Standort mit seinen guten Hinterlandverbindungen zur Containerhochburg mit einer Jahreskapazität von einer Million TEU aus. Auch Gemlik und Yarimca, zwei weitere Häfen am Marmarameer für Container bzw. Massengut, wurden übernommen. 2014 fasste das Unternehmen in Skandinavien Fuß und übernahm Containerterminals in Gävle und Oslo. Außerdem wurde das Terminal Rosersberg bei Stockholm gebaut. Im Mai 2016 folge die bislang größte Auslandsakquisition: Yilport erwarb den für die Versorgung des mittelschwedischen Industriegebiets wichtigen Hafen Gävle. bot

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