App-gesichert

Knapp 100 Apps hatte ein deutscher Nutzer nach Erhebungen des US-Marktforschers App Annie im ersten Quartal durchschnittlich auf seinem Smartphone installiert, wenngleich er noch nicht einmal die Hälfte davon regelmäßig nutzt. Auch in den meisten Fahrerhäusern dürften Smartphone und Tablet alleine zum Zeitvertreib auf dem Rastplatz ein gern genutztes Gadget sein. Apps dienen aber nicht nur der Unterhaltung, sondern können auch im Berufsalltag eine wertvolle Hilfe darstellen. Dies haben sich auch Hersteller von Ladungssicherungsmitteln gedacht und digitale Helfer für die Hosentasche entwickelt. Wie viele Zurrmittel bei der korrekten Ladungssicherung benötigt werden, fußt schließlich auf komplexen Berechnungen, die wohl die wenigsten Anwender ständig parat haben dürften. Berechnung nach der Wunschnorm Eine der am weitesten verbreiteten Ladungssicherungs-Apps ist der Zurrgurt-Rechner von Spanset, der sowohl für die I-OS- als auch Android-Plattform verfügbar ist. Beide Versionen bringen die Anwendung in Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Portugiesisch und Spanisch mit, wobei die Android-Version auf die Sprache der jeweiligen Landeskonfiguration eines Smartphones zurückgreift. Als Grundlage für die Berechnung können verschiedene Normen herangezogen werden. "Zuletzt wurde im vergangenen Jahr auf die aktuell gültige DIN EN 12195-1 von 2011 aktualisiert. Die App lässt sich aber auch nach den Vorgaben der VDI-Richtlinie 2700 2 von 2014 voreinstellen", erklärt Ralf Schmitz aus dem Produktmanagement von Spanset. Wie hoch die Anzahl der benötigten Gurte beim Niederzurren ausfallen muss, ermittelt die App anhand verschiedener Parameter. Grundsätzlich ausschlaggebend sind das Ladungsgewicht, der Gleitreibbeiwert, die Vorspannfähigkeit (STF, Standard Tension Force) der zur Verfügung stehenden Zurrsysteme und der Zurrwinkel. Eingaben wie der sogenannte K-Faktor sowie der Faktor Beschleunigung in Fahrtrichtung sind basierend auf der jeweils für die Berechnung herangezogenen Norm voreingestellt. Den Gleitreibbeiwert der jeweils vorliegenden Materialpaarung muss der Nutzer im Vorfeld recherchieren, beispielsweise in der DIN EN 12195-1. Grundsätzlich sollte man in der Praxis den Gleitreibbeiwert durch den Einsatz von Antirutschmatten zu erhöhen, empfiehlt Schmitz. Denn so könne die notwendige Sicherungskraft mit wenigen Zurrsystemen erreicht werden. "Hier gilt die Faustregel: Wird die Ladung zusätzlich durch Antirutschmatten gesichert, kann ein Gleitreibbeiwert von 0,6 µ angesetzt werden." Um schließlich den Winkel beim Niederzurren exakt zu bestimmen, bringt die App einen Winkelmesser mit. Ein weiteres Feature: Lastverteilungspläne und Fotos hinterlegen. Parallele Maßnahmen zur Formschlusssicherung berücksichtigt Spansets Zurrgurt-Rechner nicht. "Unser Ziel ist, dem Nutzer eine möglichst einfache und übersichtliche Art der Zurrgurte-Ermittlung anzubieten. Ich denke, dass ist uns mit der App gelungen, was die 25.000 Installationen der App belegen", resümiert Schmitz. Fleetboard-Integration Auch die Ladungssicherungs-App des Schweizer Herstellers Brugg Lifting kann über 20.000 Downloads für mobile Geräte mit Android- oder I-OS-Betriebssystemen vorweisen. Die Lashing-App ist zudem über den Fleet-Board-Store von Daimler FleetBoard erhältlich. "Die App hilft dem Nutzer über den gesamten Berechnungsvorgang hinweg, die Angaben zur Beschaffenheit seiner Ladung korrekt einzugeben. So wurden Hilfeseiten in die App integriert, die direkt neben den Eingabefeldern ansteuerbar sind", erläutert Walter Schaefer, Inhaber des Entwicklers Schaefer Design. Fragt sich der Nutzer beispielsweise, welcher Gleitreibbeiwert herangezogen werden soll, kann er mit nur einem Klick eine Übersicht zu allen relevanten Materialpaarungen abrufen. Die App sei darüber hinaus sehr intuitiv zu bedienen. "Uns und der Firma Brugg Lifting war bei der Entwicklung vor allem eines wichtig: Dass der User kein Studium braucht, um die App nutzen zu können. Mit der Brugg Lashing App kann auch ein Lkw-Fahrer ohne hohes technisches Vorwissen seine Ladungssicherung auf einfachem Wege schnell und verlässlich überprüfen", betont Schaefer. Brugg Lashing ist demnach auch als Offline-Variante erhältlich und werde gerne zu Schulungszwecken herangezogen. Eine lange Tradition hat Ladungssicherungssoftware beim Dortmunder Hersteller Dolezych. Die für Android und I-OS erhältliche App Dolores 3 basiert auf einer etablierten Software für den Desktop-PC. "Der Nutzer will die Berechnungen zur Ladungssicherung heutzutage auch auf seinem Smartphone oder Tablet an der Laderampe durchführen. Für uns bedeutete dies die Herausforderung, eine App zu kreieren, die nicht mit Eingabemöglichkeiten überfrachtet ist, sondern basierend auf den wichtigsten Daten und mittels einer einfach zu bedienenden Oberfläche zum Ziel führt", erklärt Walter Eckstein, stellvertretender Vertriebsleiter Ladungssicherung bei Dolezych. Wurden frühere Versionen der Dolezych-App noch kostenpflichtig vermarktet, steht die aktuelle Variante seit Herbst 2016 gratis zur Verfügung. Dabei bietet Dolores 3 Berechnungsverfahren für gleich mehrere Transportwege. Bei Start der App wird bestimmt, nach welcher Norm und nach welchem Stand der Norm, sei es VDI-Richtlinie oder Europanorm, die Berechnung erfolgen soll. Neben Niederzurren, Diagonalzurren, Schrägzurren längs oder quer kann auch eine Kombination von Nieder- und Diagonalzurren gewählt werden. Darüber hinaus wird die Sicherung von hartgewickelten Papierrollen berechnet. Vorrecherchen hinsichtlich der für die Berechnung herangezogenen Werte sind nicht notwendig. Beschleunigungsbeiwerte werden nach Auswahl des Transportwegs vorgegeben, können aber nach Wunsch auch manuell eingetragen werden. Den Gleitreibbeiwert ermittelt die App auf Grundlage der bei Ladegut und Ladefläche bestehenden Materialkombination, die der Nutzer innerhalb der App auswählen kann. Dolores 3 berechnet anhand der Längen- und Breitenangaben darüber hinaus, ob die Ladung kippgefährdet ist, zudem werden bei der Ermittlung der Zurrgurtanzahl Formschluss und Blockierung berücksichtigt. Ein integrierter Winkelmesser ist ebenfalls an Bord. Zurrmittel-Infos via Code-Scannung Eine Dolores-eigene Besonderheit ist die Möglichkeit, den bei Dolezych-Produkten am Zurrmittel-Etikett angebrachten, sogenannten Datamatrix-Code zu scannen und sich auf diese Weise tief gehender mit dem verwendeten Zurrmittel vertraut zu machen. "Mit dem Datamatrix-Code geben wir dem Anwender umfangreiche Informationen über unsere Ladungssicherungsmittel an die Hand, die weit über die Pflichtangaben auf dem Etikett hinausgehen", so Eckstein. Scannt der Anwender den Datamatrix-Code über die App ein, habe er nicht nur Zugriff auf alle für die Nutzung des Zurrmittels relevanten Daten, sondern auf eine ausführliche Bedienungsanleitung und in manchen Fällen sogar ein Anwendervideo. Darüber hinaus sind GS-Zeichen und Zertifikate hinterlegt. Mit Dolores 3 nehmen die Dortmunder nicht nur den Fahrer ins Visier. "Wir wollten grundsätzlich eine App, mit der alle glücklich werden. Dolores 3 richtet sich an die Bedürfnisse aller Anwender im Bereich Ladungssicherung, vom Verlader über den einfachen Anwender bis hin zum Spezialisten", betont Eckstein. So könnten Verlader Verladeempfehlungen erstellen. Dank der verschiedenen Normvarianten und Berechnungswege, die die App biete, sei sie zudem für fortgeschrittene Anwender wie Sachverständige oder Vertreter der Kontrollinstanzen interessant. Und warum für so viel App keinen Obolus verlangen? "Wir wollen den Kunden mit unseren Produkten nicht alleinelassen und ihm die bestmögliche Hilfestellung für die Anwendung unserer Zurrmittel zur Seite stellen. Letztendlich ist unsere Hauptmotivation aber in dem Wunsch begründet, die Welt ein wenig sicherer zu machen", sagt Eckstein. So bequem, intuitiv bedienbar und bei korrekter Bedienung letztendlich verlässlich Ladungssicherungs-Apps auch sein mögen - mit den physikalischen Grundlagen der Ladungssicherung sollte ein Anwender jedoch vertraut sein. Dies gibt jedenfalls Markus Otremba, Leitung Fachgruppe Ladungssicherung, TÜV Süd, zu bedenken (siehe Interview). Zudem stellt sich die Frage, ob die zunehmend international zusammengesetzte Fahrerzunft überhaupt mit den Apps umgehen kann. "Wir planen noch in diesem Jahr, die App mehrsprachig auszubauen", kündigt Dolezych-Mann Eckstein an. So werde Dolores3 demnächst auch für Anwender aus Polen, Russland, der Ukraine oder auch Spanien und der Türkei barrierefrei zugänglich gemacht. Den Spieltrieb wecken Wie oft Ladungssicherungs-Apps an der Rampe schlussendlich zum Einsatz kommen, darüber gibt es keine verlässlichen Angaben - man erinnere sich an die eingangs erwähnte Inkongruenz zwischen installierten Apps und der tatsächlichen Nutzung. Vertreter der Hersteller zeigen sich dennoch zuversichtlich, dass Apps den Fahrer für das laut Experten nach wie vor zu häufig vernachlässigte Thema Ladungssicherung sensibilisieren können. "Das Smartphone oder Tablet ist für den Fahrer schon jetzt auf dem Rastplatz die Kommunikationszentrale schlechthin", so Eckstein. Die nächste Generation werde noch eine viel höhere Affinität zum Smartphone mitbringen. "Daher wird sich ein Fahrer vermutlich eher über das Medium Smartphone oder Tablet mit dem Thema Ladungssicherung beschäftigen, als dass er ein Buch oder eine VDI-Richtlinie in die Hand nimmt." Ähnlicher Ansicht ist auch Ralf Schmitz von Spanset: "Ich hege die berechtigte Hoffnung, dass die genaue Berechnung der benötigten Ladungssicherungsmittel im Fahreralltag durch die App einen höheren Stellenwert erhält. In dem Moment, in dem wir den Spieltrieb des Fahrers ansprechen, haben wir gewonnen." Mehr zum Thema im Dossier Ladungssicherung www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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