3-D-Streckenscan bei voller Fahrt

Wenn Rotorblätter einer Windkraftanlage oder überdimensionale Turbinen über die Straße rollen sollen, geht nichts ohne Genehmigung. Durch die Energiewende ist die Zahl der Anträge für die Durchführung von Großraum- und Schwertransporten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Die Genehmigungen von Schwertransporten sind dabei in den seltensten Fällen in wenigen Tagen zu bekommen, wie bereits im vergangenen Jahr diverse Verbände in einem Brandbrief an die Landesverkehrsminister und auch an das Bundesverkehrs- und Bundeswirtschaftsministerium beklagten. Damit die vielerorts ohnehin schon langen Genehmigungsverfahren nicht noch länger dauern, können auch Antragsteller selbst ihren Teil beitragen. Genau genommen müssen sie es sogar, denn mit Veröffentlichung der Verwaltungsvorschriften zu Paragraf 29 Abs. 3 StVO zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten zum 29. Mai 2017 werden Antragsteller bei der Planung stärker in die Pflicht genommen. Wie Rudolf Saller, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht aus Altötting, erklärt, ist der Antragsteller nunmehr verpflichtet, im Antragsformular den beabsichtigten Fahrtweg, den er bei Leer- und Lastfahrt benutzen will, anzugeben. Im betreffenden Passus zur Fahrstreckenfestlegung heißt es: "Der Fahrtweg ist in allen den Fällen festzulegen, wenn ein Anhörverfahren vorgeschrieben ist. Dabei müssen sämtliche Möglichkeiten des Straßennetzes bedacht werden. Eine Beeinträchtigung des Verkehrsflusses in den Hauptverkehrszeiten muss vermieden werden. Auch sollte der Fahrtweg so festgelegt werden, dass eine Verkehrsregelung nicht erforderlich ist." Diese Grundsätze sollten Transporteure bereits bei der Auswahl der gewünschten Route beherzigen, da es sonst zu Änderungen durch die Erlaubnisbehörde und einer entsprechenden Verzögerung des Erlaubnisverfahrens kommen könne, kommentiert Saller die neuen Vorschriften. "Für den Antragsteller ist es daher unverzichtbar, über detailliertes Kartenmaterial zu verfügen, um eine Erstprüfung des möglicherweise in Betracht kommenden Fahrtweges durchführen zu können", rät der Anwalt. Dabei seien Abmessungen und Tragfähigkeit der einzelnen Straßen oder Straßenabschnitte, topografische Beschaffenheit, Randbebauung, Durchfahrtsprofile, Fahrbahnbreiten und Kurvenradien ebenso zu beachten wie die zeitweise Sperrung einzelner Teilstrecken, etwa durch Bauarbeiten. Scanner-Abdeckung optimiert Ein ganz schön komplexer Anforderungskatalog, der durch simples Abfahren der Strecke mit manueller Messung kaum zu stemmen sein dürfte. Abhilfe sollen Messfahrzeuge schaffen, die mit hochauflösenden Laserscannern auf dem Dach während der Fahrt die Umgebungswirklichkeit detailgetreu vermessen, protokollieren sowie auswerten. Die Idee ist nicht ganz neu. So hatte das Unternehmen 3-D-Route-Scan bereits vor einigen Jahren in Kooperation mit der TU Hamburg-Harburg eine Methode zur Vermessung via 3-D-Scannerfahrzeug entwickelt. Im vergangenen Jahr kaufte die Firma Sommer, die seit Anfang der Neunzigerjahre Dienstleistungen rund um Schwertransporte aus einer Hand anbietet, die Vermessungstechnologie und hat sie seitdem weiter optimiert. Das Fahrzeug der Tochter Sommer Digital Transport Solutions ist nun mit vier Laserscannern mit je einer Abdeckung von 270° ausgestattet, die für eine exakte Vermessung auch von Kurvenradien und -Diagonalen bei Abbiegungen oder Kreisverkehren sorgen sollen. Zwei zusätzliche Laser messen jeweils im Winkel von 45° nach oben und nach unten, um in Kurven optimale Aufzeichnungswerte zu erzielen. Zusammengenommen werde damit ein auf den Zentimeter genaues Lichtraumprofil erzielt, verspricht das Unternehmen mit Sitz in Dreierwalde bei Rheine. Und so läuft eine typische Messfahrt ab: Die Laserscanner auf dem Dach des Messfahrzeugs zeichnen während der Fahrt alles dynamisch auf. Die Vermessung der Engstellen kann dann durch Auslesen der Daten am PC später vorgenommen werden. Der Beifahrer kann aber auch schon während der Fahrt am Laptop grob erkennen, ob die Durchfahrtshöhe einer Brücke oder die Durchfahrtsbreite einer Baustelle für den vorgesehenen Transport ausreicht. Sicherheitsrisiken minimieren Heutzutage seien die Transportaufträge viel komplexer und die Infrastruktur schlechter als früher, weiß Marcus Wübbelmann, seit 30 Jahren im Schwertransportgewerbe tätig und seit Mitte vergangenen Jahres Geschäftsführer bei Sommer Digital Transport Solutions. Vor seinem Wechsel zu Sommer war der gelernte Berufskraftfahrer und Verkehrsfachwirt 15 Jahre lang bei GE Wind Energy als Crane & Logistics Manager Wind EMEA tätig. "Das Equipment für Transporte von beispielsweise über 70 Meter langen Windblättern steht zwar zur Verfügung, die Infrastruktur aber ist einfach nicht auf die Größenordnungen dieser Transporte ausgelegt", beschreibt der Schwertransport-Experte die Ausgangslage. Umso akribischer muss ein Schwertransport heutzutage geplant werden. Die für die Anträge benötigten Daten manuell mit dem Lasermessgerät zu ermitteln, ist nach Einschätzung von Wübbelmann aber nicht nur zeitintensiv und fehleranfällig, sondern stelle auch ein Sicherheitsrisiko dar: Man denke nur an Autobahnen, wo bei der heutigen Verkehrsdichte wohl niemand aussteigen möchte, um etwa eine Brücke auszumessen. Auch die Streckenplanung via Google Earth habe einen gewaltigen Haken: "Die Abweichung kann hier schon einmal ein bis zwei Meter betragen, auch der aus der Vogelperspektive aufgenommene Kurvenverlauf von Straßen entspricht nicht unbedingt den realen Gegebenheiten." Das Aufnehmen der Lichtraumprofile per 3-D-Route-Scan habe dagegen den zentralen Vorteil, dass echte Umgebungsdaten ermittelt werden, die dann für eine realitätsgetreue Simulation herangezogen werden. "Unsere Mitarbeiter wissen zudem ganz genau, auf welche Details es bei Schwertransporten ankommt", betont Wübbelmann. Deutliche Kosteneinsparungen möglich Die Kosten für die Streckenplanung via 3-D-Scanfahrzeug richten sich jeweils nach dem Aufwand des Transportauftrags. "In vielen Fällen dürfte der Kunde aber unterm Strich günstiger wegkommen, da durch die Identifikation der kürzesten machbaren Route oft teure, verkehrslenkende Maßnahmen wegfallen", so Wübbelmann. Bei dem Transport eines Rotors von Waidhaus an der tschechischen Grenze nach Regensburg seien etwa über 40.000 Euro eingespart worden (siehe Kasten).Für Wübbelmann ist das 3D-Route-Scan-System nicht nur wegen der Kombination aus vier 270°-Laserscannern und der Höhenmessung im Stand einzigartig. Dank einer sogenannten Inertial Measurement Unit (IMU), die die GPS- und Laserdaten verarbeitet, würde zudem die Position des Fahrzeugs im Raum stets exakt abgebildet. "Auch bei platten Reifen oder wenn ein Auto fliegen könnte, würden die Messergebnisse nicht verwässert", erklärt Wübbelmann. Durch die IMU-Sensorik in Kombination mit Mobilfunk könnten auch Tunnel vermessen werden, in denen das GPS bekanntlich gerne aussetzt. Das Einsatzfeld der Technologie sei groß: So wurden auf Kundenanfrage bereits erfolgreich Oberlandleitungen sowie Oberleitungen an Bahnübergängen ausgemessen. "Mit dem Laserpointer wäre so eine Vermessung schwierig, weil man nachts die Leitung nicht sieht, tagsüber den Laserpointer nicht sieht und sich mit der einfachen Messlatte in Lebensgefahr begeben würde", sagt Wübbelmann. Gute Entscheidungsbasis schaffen Nicht zuletzt helfe die Fahrtwegplanung via 3-D-Scan aber auch den Behörden. "In vielen Fällen wird den Behörden im Antrag keine wirklich belastbare Grundlage geliefert, auf deren Basis sie dann eine Genehmigung erteilen können", weiß der Schwertransportexperte. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller nun dazu verpflichtet ist, eine funktionierende Route anzugeben, sei es umso wichtiger, den Sachbearbeitern so viele Informationen wie möglich an die Hand zu geben. "Nicht zuletzt damit auch das im Zuge des Generationenwechsels nachrückende Personal eine ordentliche Entscheidungsbasis hat. Die Behörde hat schließlich die Amtshaftung", so Wübbelmann. Mehr zum Thema im Dossier Schwertransporte www.verkehrsrundschau.de/dossiers 3-D-Route-Scan in der Praxis Brückenvermessung bei 80 Kilometern pro Stunde Die Spedition Dan-Czech Special Transport aus dem tschechischen Melník hatte eine Anfrage mit folgenden Transportdaten: Ein Rotor mit einer Länge von 30,80 Metern, einer Breite von 4,75 Metern und einer Höhe von 4,80 Metern (abgesenkt 4,75 Meter), das Gewicht betrug 128,6 Tonnen. So weit nichts Außergewöhnliches, jedoch sollte der Transport über die Autobahn gehen, da eine Strecke über Bundes- und Landstraßen nicht nur äußerst kompliziert zu planen war, sondern sich auch durch die nötigen verkehrslenkenden Maßnahmen teuer und zeitaufwendig gestaltet hätte.Nun verhielt es sich so, dass die Brückendaten entlang der Autobahn bei der zuständigen Anhörungsbehörde mit nur maximal 4,60 Metern im System gelistet waren, die Höhe des Transports diesen Wert also übertraf. Die Brückenbauwerke manuell zu vermessen kam nicht infrage. Mit dem 3-D-Route-Scan- Fahrzeug wurde der betreffende Autobahnabschnitt bei einer Geschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde lichtraumtechnisch aufgenommen und am PC ausgewertet. Dabei stellte sich heraus, dass einige Brückenbauwerke tatsächliche Durchfahrtshöhen von über zwölf Metern aufwiesen. Die niedrigste Brücke hatte dagegen eine gemessene Durchfahrtshöhe von 4,88 Metern. Der Transport wurde anschließend in diesem Bereich mit einer abgesenkten Gesamthöhe von 4,75 Metern simuliert."Die Behörde von der Korrektheit der aufgenommenen Daten zu überzeugen, war anfangs nicht so einfach, da die Nutzung der Messtechnik nicht alltäglich ist", erklärt Marcus Wübbelmann von Sommer Digital Transport Solutions. Nach Zusendung der Protokolle mit den Messanalysen, die der zuständigen Behörde die entsprechende Entscheidungsgrundlage geliefert hatten, sei dann aber doch recht schnell die Zusage erteilt worden, den Transport mit dieser außergewöhnlichen Höhe komplett über den Autobahnabschnitt abwickeln zu dürfen. Ein weiterer Vorteil: Die damit verbundenen Einsparungen betrugen über 40.000 Euro, die Transportdauer konnte um einen Tag verkürzt werden. mh

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