Hilfspolizisten gesucht

Wer hat schon gerne die Polizei im Haus? Niemand, es sei denn, man ist in Bedrängnis. Genau das trifft auf viele Unternehmen zu, die in Deutschland Großraum- und Schwertransporte (GST) abwickeln. Zwar müssen sie nicht um Hab und Gut fürchten, sind aber dennoch in Not, weil es nicht genügend Polizeibeamte gibt, die ihre Lkw begleiten. Bei Universal Transport kann man ein Lied davon singen. Denn die zunehmende Beanspruchung der Polizei trifft auf eine steigende Zahl an Schwertransporten, sodass die Abwicklung dieser Verkehre sich in den letzten Jahren immer komplizierter wird. "Für die Zunahme an Schwertransporten gibt es verschiedene Gründe, dazu gehört aber die florierende Lage in der Bauwirtschaft und Windkraft mit immer größeren Einheiten", sagt Frank Schütt, Geschäftsleiter bei Universal Transport. Größter Vorteil: mehr Flexibilität Universal Transport erlebt es immer wieder, dass ein Transport ordnungsgemäß angemeldet und die Begleitung mit der Polizei abgestimmt wird, dann aber aufgrund eines dringenden Einsatzes kurzfristig doch keine Beamten zur Verfügung stehen. Vor gut zwei Jahren hat sich dann zumindest in Niedersachsen die Lage geändert. "Die Einführung von Hilfspolizisten hat zu einer deutlichen Verbesserung geführt", sagt Schütt. Im Rahmen eines Pilotprojekts hatte das Land Niedersachsen 69 Personen zu Hilfspolizisten ausgebildet. Universal Transport hat gleich 18 Mitarbeiter zum viertägigen Lehrgang geschickt und somit seit 2016 eigene Hilfspolizisten im Haus. "Wir sind jetzt viel flexibler", nennt Schütt einen Vorteil. Denn die Hilfspolizisten sind bei dem jeweiligen Unternehmen angestellt und daher besser einzuplanen. Häufig wird zudem von den Polizeidienststellen die Nachtschicht zum Übernahmeort geschickt und nicht die Spezialisten des jeweiligen Verkehrsdienstes. Im Vergleich kennt sich der Hilfspolizist tendenziell folglich besser im Schwertransportbereich aus, was im Großen und Ganzen als Vorteil für alle Beteiligten zu sehen ist. Auch Volker Höhmann, Abteilungsleiter Transportbegleitung bei dem auf die Begleitung und Genehmigung spezialisierten Unternehmen Sommer in Hörstel, hat ausschließlich positive Erfahrungen mit den Hilfspolizisten gemacht. Das Unternehmen erhöht die Zahl seiner Begleitfahrzeuge um 20 auf 100 - ein Indiz für die große Nachfrage. "Anders als bei den Verwaltungshelfern, die in anderen Bundesländern zum Einsatz kommen und für jede Strecke neu geschult werden müssen, können die Hilfspolizisten selbstständig agieren", nennt Höhmann einen Vorteil. Bislang noch keine Hilfspolizisten hat die Wocken Spedition in Haren/Ems, die sich mit ihren 44 eigenen Fahrzeugen ebenfalls auf Schwertransporte spezialisiert hat. Aber deren geschäftsführender Gesellschafter Anton Wocken hat sich für den Start der zweiten Ausbildungswelle von Hilfspolizisten beworben. "Wenn man eine Genehmigung einholt, den Transport mit der Polizei abstimmt und dann doch kurzfristig kein Polizeibeamter verfügbar ist, ist das nicht nur ärgerlich, sondern auch mit einem erheblichen Zusatzaufwand verbunden", sagt Wocken. Er kritisiert, dass es in jedem Bundesland andere Regelungen gibt und zum Teil gleich drei Begleitfahrzeuge (BF) der hohen Kategorie BF4 notwendig sind, während in Niedersachsen BF3-Autos ausreichen. Lob aus dem Ministerium für die "Hipos" Im niedersächsischen Innenministerium ist man sehr zufrieden mit dem Verlauf des Projekts. "Uns ist kein schwerer Unfall bekannt, keine Beschwerde, kein Missbrauch der Kompetenz. Nur einmal ist im Begegnungsverkehr ein Spiegel abgebrochen", lobt Carmen Buse die Arbeit der Hilfspolizisten. Buse ist im Innenministerium als Verkehrsreferentin zuständig für die Hilfspolizisten. Sie schildert rückblickend, warum sich das Land für das Forschungsprojekt entschieden hatte: "2014 war die Anzahl der Großraum- und Schwertransporte gegenüber dem Vorjahr nochmals um 13 Prozent auf 19.563 gestiegen. Damit waren etwa 50 Streifenwagen pro Tag für die Begleitung im Einsatz." Diese Beamten fehlten in dem Zeitraum für die Erfüllung ihrer originären Aufgaben. Die Hilfspolizisten hätten zu einer spürbaren Entlastung beigetragen, wie Buse verdeutlicht: "In den ersten drei Quartalen 2017 ist die Zahl der Großraumund Schwertransporte in Niedersachsen noch einmal deutlich auf 22.023 gestiegen. Die Begleitung erfolgte jedoch bei 63 Prozent der Transporte durch Hilfspolizisten." Die gestiegene Anzahl an begleitungspflichtigen Transporten war ein wesentlicher Grund, warum Niedersachsen das "Hipo"-Projekt, das eigentlich zum Jahresende ausgelaufen wäre, um ein halbes Jahr verlängert hat. Im Juli wird ein neu erstelltes Konzept mit einer erneuten Qualifizierungswelle umgesetzt. Nach derzeitigem Planungsstand gibt es dann 150 Qualifizierungsplätze für Hilfspolizisten. Nun stellt sich die Frage, warum nicht auch andere Bundesländer dem Beispiel Niedersachsens folgen. Das hängt vor allem mit den Gesetzen in Niedersachsen zusammen, die die Qualifizierung von Hilfspolizisten ausdrücklich erlauben. In anderen Ländern wären teilweise langwierige Gesetzesänderungen notwendig. "Der Hilfspolizist muss in den 'Beliehenen' übergehen, der bundesweit tätig ist", lautet daher die Forderung des Praktikers Höhmann. Der "Beliehene" entspricht dem Hilfspolizisten in Niedersachsen, nur dass er bundesweit tätig sein kann. Dazu muss der Bund aktiv werden. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sieht die neue Bundesregierung in der Pflicht. "Wir erwarten vom Bundesverkehrsminister, genauso wie von einer zukünftigen Bundesregierung, schnell eine tragfähige gesetzliche Grundlage. Das Problem wird seit Jahren in Berlin ausgesessen, jetzt brauchen wir endlich eine Lösung", so der Minister im Dezember. Eine Forderung, die nicht nur Höhmann, Schütt und Wocken sofort unterschreiben würden, sondern sicher alle, die in Deutschland mit Schwertransporten zu tun haben. Mehr zum Thema im Dossier Schwertransporte www.verkehrsrundschau.de/dossiers Der Hilfspolizist in Niedersachen Was den Unternehmen die Ausbildung kostet Um Hilfspolizist zu werden, sind einige Voraussetzungen zu erfüllen (Auswahl):- Mindestalter 21 Jahre- Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift- Nachweis über ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis bei einem Begleit- oder Transportunternehmen- Fahrerlaubnis der Klasse B- maximal zwei Punkte in Flensburg- dreijährige praktische Erfahrung bei der Begleitung von Großraum- oder Schwertransporten (GST)- Nachweis einer Haftpflichtversicherung; Mindestdeckungssumme: 20 Millionen Euro.Die Ausbildung erstreckt sich über vier Tage. Am fünften Tag erfolgt die Prüfung. Die Ausbildung selbst kostet 600 Euro. Hinzu kommen noch Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Zudem muss das Unternehmen noch eine Haftpflichtversicherung abschließen. Wie hoch diese Versicherungskosten sind, war noch nicht geklärt, weil die Mindestdeckungssumme angehoben wurde. Die Rede war von einer Pauschalsumme im vierstelligen Bereich sowie pro Hilfspolizist jährlich 35 Euro. Den Unternehmen steht es dann aber auch frei, die Hilfspolizisten für andere Unternehmen anzubieten. cd