Nicht immer reicht eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Falle einer Kündigung als Beweis, dass der Arbeitnehmer während des gesamten Zeitraums bis Ende der Kündigungsfrist wirklich krank war. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat nun in einem Fall den Beweiswert als erschüttert angesehen. Sein Urteil: Das Einbehalten des Lohns durch den Arbeitgeber war rechtens, die als Pflegeassistentin beschäftigte Mitarbeiterin hatte keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Fortlaufende AU und Formulierungen im Kündigungsschreiben
Entscheidend sei die Gesamtbetrachtung aller Indizien gewesen, wie das Gericht weiter mitteilt. So hatte sich die Mitarbeiterin im Kündigungsschreiben für die gute Zusammenarbeit bedankt und dem Unternehmen alles Gute gewünscht. Sie bat zudem darum ihr unter anderem eine Kündigungsbestätigung und die Arbeitspapiere an ihre Wohnanschrift zu senden. Sie reichte mit Kündigung und bis zum Ende der sechswöchigen Kündigungsfrist fortlaufend mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein.
Laut den Richtern habe die Mitarbeiterin zum Zeitpunkt der Kündigung aufgrund ihrer Beschwerden nicht davon ausgehen können, bis zum Ende der Kündigungsfrist krankgeschrieben zu werden. Die Formulierungen im Kündigungsschreiben würden aber darauf hindeuten, dass die Angestellte nicht mehr damit gerechnet hatte, noch einmal beim Arbeitgeber erscheinen zu müssen.
Nach Überzeugung des Gerichtes hat die Mitarbeiterin dem Arzt Beschwerden vorgetragen, die tatsächlich nicht bestanden haben.
Zuerst Beweislast beim Arbeitgeber
Es weist trotzdem darauf hin, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein hoher Beweiswert vor Gericht zukomme. Ein Arbeitgeber könne diesen Beweiswert nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben.
Das käme nicht nur dann in Betracht, wenn sich ein Arbeitnehmer in Zusammenhang mit seiner Kündigung einmal zeitlich passgenau bis zum Ablauf der Kündigungsfrist krankschreiben lässt.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist der Beweiswert laut den Richtern auch erschüttert, wenn die Krankschreibung aufgrund mehrerer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durchgehend bis zum Ende der Kündigungsfrist andauert. Außerdem kann es eine Rolle spielen, wenn diese punktgenau den maximalen Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen umfasst. Drittens kann entscheidend sein, wenn sich zudem aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass der Verfasser von vornherein nicht mehr mit seiner Anwesenheit rechnet.
Eine Revision hat das Gericht nicht zugelassen. Allerdings ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig, da die Mitarbeiterin über ihren Anwalt eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat (Aktenzeichen 5 AZN 389/23).
(Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 2. Mai 2023, Aktenzeichen 2 Sa 203/22)
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