Moskau. Eine Woche vor dem Stichtag zur Aussetzung des seit über 30 Jahren praktizierten TIR-Carnet-Verfahrens in Russland ist keine Einigung zwischen dem russischen Zoll und dem bürgenden TIR-Verband ASMAP (Vereinigung der internationalen Spediteure Russlands) abzusehen. Der Zoll hatte angekündigt, die Gültigkeit von TIR-Carnets als einzige Garantie der späteren Verzollung ab dem 15. August nicht mehr anzuerkennen und von Transporteuren die Vorlage nationale Garantien zu verlangen. Später wurde die Frist auf den 15. September verlängert.
Wie die ASMAP mitteilte, platzte eine für letzte Woche angesetzte Verhandlungsrunde und blieb ohne Ergebnis. Beide Seiten werfen sich jetzt per Presseerklärungen vor, nicht konstruktiv an das Problem heranzugehen: Auf gegenseitig gestellte Fragen würde nicht reagiert und zur Prüfung nötige Materialien nicht bereitgestellt, heißt es fast gleichlautend bei ASMAP und Zoll. Der russische Zoll hatte zudem Ende August erklärt, dass das TIR-Abkommen mit der ASMAP unter Einhaltung der vorgesehenen Fristen zum 1. Dezember gekündigt worden sei. Nach Angaben des Zolls ist das gegenwärtige TIR-Verfahren nicht mit dem Kodex der Zollunion aus Russland, Weißrussland und Kasachstan vereinbar.
Außerdem wird der ASMAP vorgeworfen, einen gewaltigen Schuldenberg von 20 Milliarden Rubel (ca. 455 Millionen Euro) an offenen Zollforderungen aus dem TIR-Verfahren aufgehäuft zu haben. Einem Bericht der Zeitschrift „Sa ruljom“ zufolge handelt es sich dabei jedoch um verzinste und mit Bußgeldern belegte Altlasten aus der Zeit vor 2002: Schon damals habe der Zoll von der ASMAP – durchaus begründet – 90 Millionen Dollar nachgefordert. Da der russischen Wirtschaft damals der Ausschluss aus dem TIR-Verfahren drohte, wurde auf Druck von Präsident Wladimir Putin die Millionen-Forderung auf Eis gelegt.
Nach Darstellung der ASMAP gab es seit 2004 faktisch keine Probleme mehr, der Verband habe aktuell keine Schulden beim Zoll. Von 11,7 Millionen unter TIR-Regime abgewickelten Transporten nach Russland habe der Zoll in weniger als 1000 Fällen reklamiert. Davon sei ein Viertel als berechtigt anerkannt und vom Garanten beglichen wurden. Die restlichen Forderungsfälle seien größtenteils vor Gericht als unbegründet abgelehnt worden oder vom Zoll nach erneuter Prüfung selbst eingestellt worden.
Auch bei der Einschätzung des Konflikts gehen die Einschätzungen auseinander: Laut Zoll handelt es sich nur um einen Konflikt im Vertragsverhältnis zwischen zwei russischen Rechtsparteien. Die ASMAP betrachtet die Maßnahmen des Zolls hingegen als Bruch der TIR-Konvention von 1975 und damit einen Verstoß gegen geltende internationale Verträge.
Offenbar kann man jetzt wieder nur auf ein Machtwort aus dem Kreml hoffen. Andernfalls dürfte es ab Sonntag für Spediteure zu extremen Problemen mit der Frachtabfertigung an allen russischen Grenzübergängen kommen – und in der Folge zu erhöhten Kosten für andere Zollgarantieverfahren.(ld)