Die leichte Stimmungsaufhellung im Mittelstand setzt sich im Mai den zweiten Monat in Folge fort, nachdem das Geschäftslima im März wegen des russischen Kriegsüberfalls auf die Ukraine kollabiert war. Aktuell steigt es um 1,2 Zähler auf -5,9 Saldenpunkte, bleibt damit jedoch noch immer weit hinter dem Vorkriegsniveau zurück, wie das KfW-ifo-Mittelstandsbarometer zeigt. Es verbessern sich diesmal ausschließlich die Lageurteile, diese allerdings deutlich um 3,6 Zähler auf jetzt 11,0 Saldenpunkte. Günstiger bewertete der Mittelstand seine aktuellen Geschäfte zuletzt vor dem Auftürmen der Omikron-Welle im Oktober vergangenen Jahres. Die bereits sehr pessimistischen Geschäftserwartungen sinken hingegen um 0,7 Zähler auf -21,0 Saldenpunkte. Für neue Zuversicht sind schlicht die Unwägbarkeiten zu groß. So treibt der Krieg die Preise, verknappt die Rohstoffe und vermindert die Energiesicherheit, während in China selbst kleine Corona-Ausbrüche strickte Lockdowns auslösen und die globalen Lieferketten zusätzlich stressen.
Unter den kleinen und mittleren Unternehmen berichtet der Bau im Mai den stärksten Geschäftsklimaanstieg (+4,7 Zähler auf -8,2 Saldenpunkte), nachdem die Stimmung dort im April stark rückläufig gewesen war. Die Nachfrage nach Bauleistungen trifft gegenwärtig auf erhebliche angebotsseitige Probleme wie Materialmangel, stark steigende Kosten bei Energie und Baustoffen sowie fehlende Fachkräfte. Höhere Zinsen verteuern neue Bauvorhaben zusätzlich bei grundsätzlich weiter hohem Baubedarf. Folglich durchlebt der Bau zurzeit ein Wechselbad der Gefühle, wie sich in den starken monatlichen Stimmungsschwankungen zeigt. Bei den Dienstleistern steigt das Geschäftsklima um
4,4 Zähler auf -1,4 Saldenpunkte und liegt damit nur noch knapp unter der Nulllinie, die für den langfristigen Durchschnitt steht. Damit sind die Dienstleister unter allen Mittelständlern derzeit der am besten gelaunte Wirtschaftsbereich. Der nach Aufhebung der Corona-Einschränkungen erhofften durchgreifenden Erholung im Handel machte der Krieg dagegen einen Strich durch die Rechnung, denn er sorgt für Verunsicherung und schmälert über stark steigende Energie- und Lebenshaltungskosten die reale Kaufkraft. Nach dem unmittelbaren kriegsbedingten Einbruch im März hat sich die Stimmung hier kaum verbessert und gibt im Mai nun sogar wieder leicht nach (Einzelhandel: -0,1 auf -4,6 Saldenpunkte; Großhandel: -1,7 Zähler auf -7,1 Saldenpunkte). In der mittelständischen Industrie erholt sich das Geschäftsklima nach dem Kollaps im März erneut nur wenig (+0,7 Zähler auf -9,5 Saldenpunkte).
Die fast unverändert schlechte Stimmung in den mittelständischen Industrieunternehmen kontrastiert auffällig mit der kräftigen Stimmungsaufhellung in der Großindustrie. Hier steigt das Geschäftsklima um mehr als das Zweieinhalbfache einer üblichen Monatsveränderung beziehungsweise 9,6 Zähler auf 1,1 Saldenpunkte. Damit ist die Stimmung dort zurzeit praktisch wieder so gut wie im historischen Durchschnitt, wenngleich noch erheblich schlechter als unmittelbar vor Kriegsausbruch im Februar (15,6 Saldenpunkte). Ob es sich hierbei angesichts der vielen derzeitigen Unsicherheiten um mehr als eine Eintagsfliege handelt, bleibt abzuwarten. Auch in den großen Unternehmen der anderen Hauptwirtschaftsbereiche verbesserte sich im Mai sich die Stimmung, wenngleich geringer als in der Großindustrie. Insgesamt hellt das Geschäftsklima der großen Unternehmen im Mai mit +3,7 Zählern auf -11,1 Saldenpunkte etwas stärker auf als im Mittelstand, bleibt im Niveau aber immer noch recht deutlich hinter dem mittelständischen Vergleichswert zurück. Die Lageurteile der Großunternehmen (+2,3 Zähler auf 3,3 Saldenpunkte) sind nur leicht positiv und die Erwartungen (+4,7 Zähler auf -23,7 Saldenpunkte) bleiben trotz eines deutlichen Anstiegs gegenüber April pessimistischer als bei den kleinen und mittleren Unternehmen.
"Die Geschäfte laufen allen Belastungen aus Krieg und Pandemie zum Trotz noch immer vergleichsweise gut, doch die Angst der Unternehmen vor einem Absturz ist riesig", fasst Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW, die zentrale Botschaft des KfW-ifo-Mittelstandsbarometers im Mai zusammen.
"Nie zuvor war der Abstand zwischen der weiterhin positiven Beurteilung der aktuellen Geschäftslage und den seit Kriegsausbruch sehr düsteren Geschäftsaussichten so groß wie jetzt, sowohl im Mittelstand als auch bei den Großunternehmen. Das zeigt den Abgrund, in den die Unternehmen blicken.
Wie tief sie wirklich hineinfallen, hängt davon ab, wie weit sich die Sanktions- und Eskalationsspirale noch dreht, aber auch von der Dauer des Krieges." Wirtschaftlich sei dabei besonders relevant, ob es zu einem Stopp der Gasimporte aus Russland kommt. Grundsätzlich wirken zurzeit zwei gegensätzliche Kräfte auf die Konjunktur: "Während die Bremseffekte der Corona-Pandemie nachlassen, verlängert und verstärkt der russische Angriffskrieg die globalen Lieferkettenprobleme, treibt die Energiekosten in die Höhe und belastet die Kaufkraft. Der Konsum wird deshalb im Sommerhalbjahr zwar anziehen, aber wohl eher schwach. Im Winterhalbjahr 2022/2023 dürfte die Wirtschaft dann sogar nahezu stagnieren. Unter der Annahme, dass ein Lieferstopp für russisches Gas vermieden wird, gehe ich davon aus, dass die deutsche Wirtschaft 2022 noch um 1,6 % wachsen kann.", so Köhler-Geib.
>>Das aktuelle KfW-ifo-Mittelstandsbarometer ist hier abrufbar. (ste)