Lkw-Gebrauchtkauf: Kein Schnäppchen mehr

Rohstoffengpässe, unterbrochene Lieferketten und nicht zuletzt die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine: Wer sich aktuell aufmacht, neue Lkw zu kaufen, dürfte derzeit in die Röhre gucken. Auch Unternehmer, die bereits bestellt haben, werden immer öfter vom Hersteller vertröstet oder sogar in manchen Fällen vor die Entscheidung gestellt, bislang nicht bediente Lieferverträge zu stornieren und stattdessen schneller lieferbare, aber teurere Fahrzeuge zu ordern (siehe VR 10). Nachfrage übertrifft Angebot Wenn es schon kaum neue Lkw gibt - lohnt ein Blick auf Second-Hand-Angebote? "Für Transportlogistiker oder Werkverkehre, die von jetzt auf gleich Fahrzeuge brauchen, kann der Gebrauchtkauf sicher eine Alternative sein", sagt Christian Reiter, Geschäftsführer R-Gruppe Coaching & Consulting. Mit einem Wermutstropfen: Das Angebot ist deutlich geschrumpft, entsprechend teuer sind auch Gebrauchte (siehe Interview). Eine sehr hohe Nachfrage nach gebrauchten Nutzfahrzeugen verzeichnet denn auch der Online-Marktplatz TruckScout24. "Speziell im Bereich der gebrauchten Lkw sowie auch bei Transportern ist die Nachfrage derzeit teils größer als das Angebot. Wir sehen aktuell 70 Prozent mehr Kaufanfragen als im Vorjahreszeitraum", berichtet Patrick Ratzke, Managing Director TruckScout24. Verteuerung um rund 15 Prozent Dass aktuell die Nachfrage das Angebot übersteigt, bestätigt auch Sebastian Winkler, Manager OK Trucks Germany der Used-Sparte von Iveco. "Durch die längeren Lieferzeiten oder teilweise auch gar keine Verfügbarkeiten bestimmter Modelle aus dem Neufahrzeugbereich steigt natürlich der Druck auf gut gepflegte junge Gebrauchte", sagt Winkler. Entsprechend habe sich der Durchschnittspreis für jüngere Euro-6-Lkw im Laufe des letzten Jahres entwickelt: Wenngleich stark abhängig vom nachgefragten Modell, sehe man Preisentwicklungen nach oben in allen Modellreihen. Tendenziell um circa 15 Prozent. "Besonders auffällig ist allerdings, dass die Nachfrage nach Modellen, die vorher schwer absetzbar waren, wie beispielsweise Fahrzeuge mit größeren Schäden oder hoher Laufleistung, ebenfalls gestiegen ist", berichtet Winkler. Zudem sieht er einen zunehmend stärker werdenden Markt bei Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. "Hier können wir mit unseren CNG- und LNG-Modellen die steigende Nachfrage bedienen." Ein Aspekt, den Fuhrparkexperte Reiter übrigens skeptisch sieht. Alternative Antriebe würden schließlich durch Anreize wie Mautbefreiung interessant, allerdings wisse niemand, wie lange man davon profitiert. "Auch beim Gebrauchtkauf müssen sich Fuhrparkbetreiber fragen: Hilft mir der Fahrzeugtyp, den ich mir jetzt zulege, auch morgen und übermorgen weiter?", betont Reiter. Zudem habe er noch keinen getroffen, der sich jetzt alternativen Antrieben zuwendet, weil er kurzfristig keine Dieselfahrzeuge bekommt. "Dafür ist das ganze Thema noch viel zu unsicher." Lkw-Käufer werden genügsamer Wer sich bei den Used-Töchtern der Hersteller einen Second-Hand-Lkw besorgt, kann in der Regel zwischen verschiedenen Klassifizierungen und/oder Garantiepaketen wählen. Bei OK Trucks beispielsweise wird in Premium, Comfort und Standard unterschieden. Während es sich bei der Premiumklasse um höchstens vier Jahre alte, komplett renovierte Fahrzeuge mit geringer Laufleistung und Garantie handelt, werden Lkw der Standardklasse als technisch geprüft und instand gesetzt, gereinigt und fahrbereit beschrieben. Auch bei den Klassifizierungen hat sich die Nachfrage offenbar verschoben. Zwar sei laut Winkler die Premium-Klasse hoch im Kurs, da man hier fast ein Neufahrzeug erwerbe. Kunden seien mittlerweile aber auch durchaus bereit, Abstriche zu machen: Auch bei Modellen mit Comfort und Standardklassifizierung sieht OK Trucks daher eine hohe Nachfrage. "Derzeit gewinnt derjenige das Spiel, der liefern kann - egal in welcher Klassifizierung", resümiert Winkler. "Nur des Preises wegen solle man keine älteren Lkw kaufen" Interview mit Christian Reiter, Geschäftsführer R-Gruppe Coaching & Consulting Wie ist es um das Angebot für jüngere Euro-6-Lkw bestellt - geht da was oder ist der Markt leergefegt? Leergefegt würde ich nicht sagen, aber volumenmäßig ist er deutlich geschrumpft. Man findet am Gebrauchtmarkt durchaus noch jüngere Euro-6-Lkw, allerdings viel weniger als noch vor zwei, drei Jahren. Das liegt vor allem daran, dass Halter von eigenen Lkw angesichts der langen Lieferzeiten für Neufahrzeuge die Nutzungsdauer ihrer Bestandsflotte verlängern. Diese Fahrzeuge fehlen dem Gebrauchtmarkt. Ähnliches gilt für Leasingrückläufer. Hier nehmen wir die Tendenz wahr, dass viele Leasingnehmer versuchen, ihre Verträge zu verlängern.Wie haben sich die Preise entwickelt?Hier greift wie überall das Prinzip der freien Marktwirtschaft, das Preisniveau jüngerer gebrauchter Nutzfahrzeuge ist also sehr hoch. Aktuell müssen Kunden für eine ein bis zwei Jahre alte Sattelzugmaschine mit geringer Laufleistung so viel bezahlen wie vor zwei Jahren für die gleiche Konfiguration als Neufahrzeug. Auch vom Hersteller aufgearbeitete Lkw sind ziemlich teuer. Was raten Sie Fuhrparkbetreibern?Sie sollten im Bedarfsfall versuchen, die Nutzungsdauer ihres Bestands zu verlängern. Wer jetzt die Flotte aufstocken muss, etwa, um neue Kunden zu bedienen, kommt aber am Gebrauchtmarkt nicht vorbei. Immerhin Transportunternehmen mit eigener Werkstatt können sich oft den Full-Service-Vertrag sparen. Man sollte unbedingt darauf achten, dass man junge Euro-6-Fahrzeuge kauft. Sattelzugmaschinen für den Fernverkehr sollten idealerweise nicht mehr als 250.000 Kilometer auf dem Tacho haben, bei Zwölftonnern für den Verteilerverkehr sollte die Laufleistung unter 100.000 Kilometer liegen. So sollte man einigermaßen sichergehen können, dass diese Fahrzeuge auch noch in zwei oder drei Jahren gefahren oder auch weiterverwertet werden können. Nur des Preises wegen sollte man jedenfalls keine älteren Fahrzeuge mehr kaufen. mh Mehr zum Thema finden Sie unter #MarktfürLkw www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Wo man auch hinschaut - der Lkw-Markt macht anschaffungswilligen Fuhrparkbetreibern gerade wenig Freude. Das Prinzip"Nachfrage übertrifft Angebot" greift auch auf den Second-Hand-Markt über. Wo Käufer noch fündig werden und worauf sie sich beim Gebrauchtkauf einstellen müssen.

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