München. Das Mautkonzept von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) löst bei den EU-Nachbarn Empörung aus. Sollte das Gesetz eingebracht werden, wollen Österreich und die Niederlande klagen. Europarechtler Walther Michl von der Ludwig-Maximilians-Uni München sieht für die Kläger gute Erfolgschancen, wie er in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa erklärt.
Frage: Verkehrsminister Dobrindt hat das neue Mautkonzept vorgestellt. Wie beurteilen Sie das europarechtlich?
Walther Michl: So wie das Konzept vorgestellt wurde, stellt es einen Verstoß gegen gleich zwei Vorschriften der EU-Verträge dar: Einerseits das Diskriminierungsverbot auf Grundlage der Staatsangehörigkeit. Das ist hier eindeutig der Fall, weil eine Entlastung nur möglich ist, wenn man die KFZ-Steuer in Deutschland zahlt. Andererseits gibt es eine spezielle Stillhalteverpflichtung, die Mitgliedsstaaten dürfen die Rechtsstellung anderer EU-Bürger so lange nicht verschlechtern, bis es eine einheitliche europäische Regelung gibt.
Trotzdem scheint sich der Verkehrsminister recht sicher zu sein. Warum?
Das ist eine politische Frage, die ich nur vorsichtig beantworten kann. Die Maut war eine Idee, die man im Wahlkampf gut verkaufen konnte. Entweder haben die Verantwortlichen die rechtlichen Probleme unterschätzt oder sie waren ihnen egal. So, wie es bisher dargestellt ist, würde das Vorhaben scheitern.
Aber wenn der Verkehrsminister die Maut durchbringen will, welche Optionen gibt es dann noch?
Es kann im Prinzip nur zwei Möglichkeiten geben: Entweder wird für die Fahrzeughalter nicht die volle Entlastung kommen, so dass man nicht die Kosten für die Vignette eins zu eins von der KFZ-Steuer abziehen kann. Das hätte dann zur Folge, dass einige KFZ-Halter mehr zahlen als jetzt - oder die Maut wird es nicht geben.
Und die zweite Möglichkeit?
Oder es gibt eine grundlegende Veränderung der Kfz-Steuer. Die dürfte aber dann nicht der Logik folgen, dass kein Deutscher mehr zahlen darf. Sondern man stellt zum Beispiel auf ökologische Kriterien um. Dass der Freibetrag genau die Kosten der Vignette abdeckt, ist rechtlich definitiv nicht möglich. Aber der Verkehrsminister muss das jetzt bis zum Ende durchziehen. Wenn er jetzt schon einen Rückzieher macht, wäre das ein wahnsinniger Gesichtsverlust.
Wenn Länder wie Österreich oder die Niederlande beim Europäischen Gerichtshof wegen Diskriminierung klagen, werden sie also recht bekommen?
Wenn tatsächlich das Konzept so übernommen und so vom Bundestag verabschiedet wird, sehe ich sehr gute Erfolgsaussichten für derartige Klagen. Mit Sicherheit wird aber die Kommission schon vorher einschreiten. Auch die SPD hat angemeldet, wenn die Kommission Einspruch erheben wird, trägt sie es nicht mit. (dpa)