München. Der Bundesfinanzhof in München hat am Mittwoch das Erbschaftsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt. Die obersten Steuerrichter halten es für falsch, dass Unternehmen Betriebsvermögen sowie Anteile an Kapitalgesellschaften steuerfrei vererben oder verschenken können. Ein solches Privileg könnten die übrigen Steuerpflichtigen nicht beanspruchen. Deshalb legen die Bundesfinanzrichter das Erbschaftssteuergesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vor.
Die beanstandeten Regeln gehen im Wesentlichen auf eine Reform des Gesetzes durch die große Koalition im Jahr 2008 zurück. Danach ist es möglich, Teile des Unternehmensvermögens weitgehend oder sogar völlig steuerfrei auf die nächste Generation zu übertragen. Begünstigt werden die Betriebswerte, die der Produktion dienen, also land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Maschinen oder Anteile an anderen Firmen, wenn sie über 25 Prozent liegen.
Damit ein Unternehmen nicht nachträglich besteuert wird, muss es die Arbeitsplätze erhalten. Laut Gesetz müssen die Lohnsumme fünf Jahre lang weitgehend stabil bleiben und der Betrieb in seinen wesentlichen Teilen fortgeführt werden. Bei weniger als 20 Angestellten gilt die Arbeitsplatzklausel nicht. Dies kritisiert der Bundesfinanzhof, denn über 90 Prozent der Unternehmen hätten weniger als 20 Mitarbeiter. Ohne ein solches triftiges Gemeinwohlinteresse dürften nicht die einen Steuerzahler vor den anderen bevorzugt werden.
Außerdem wird bemängelt, dass Firmeninhaber dank weiterer Schlupflöcher privates Vermögen in unbegrenzter Höhe dem Betriebsvermögen zuschlagen und es steuerfrei oder nur gering versteuert ihren Erben überlassen können. Der Bundesfinanzhof bat die Karlsruher Verfassungsrichter um eine Klärung, ob das Erbschaftssteuerrecht gegen das Grundgesetz verstößt. Eine Novellierung könnte für mittelständische Unternehmen erhebliche Nachteile bringen. Bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts ändert sich aber erst einmal nichts. (ag)