VR: Laut dem letzten Entwurf der „Verordnung über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen“ im Straßenverkehr sollen die Lärmgrenzwerte von PKW und LKW in drei Schritten zwischen 2016 und 2026 sinken. Was bedeutet die neue EU-Vorgabe aus Sicht der LKW-Hersteller?
Stefan Heuer: Außer den Grenzwerten beinhaltet die neue Norm eine grundlegend geänderte Messprozedur für die Geräuschmessung beim LKW. Die Randbedingungen für die „Beschleunigte Vorbeifahrt“ bei der Messung bilden nach neuer Norm realistisch das Fahrverhalten im innerstädtischen Bereich ab. Die derzeit noch gültige Vorgängernorm wird den Verhältnissen beim modernen LKW nicht mehr gut gerecht: Dort wird ohne Beladung gemessen, die Fahrzeuge sind heute stärker motorisiert und erreichen relativ schnell die Abregeldrehzahl – so fährt kein LKW-Fahrer. Deshalb begrüßen wir die neue Norm.
Wird die Messung also strenger?
Ja. Mit den Grenzwerten der ersten Phase ab 2016 kommt es zu einer moderaten Verschärfung. Eine wichtige Neuerung bei der neuen Messung: Wir fahren mit 75 Prozent der maximalen Beladung, dadurch ist der Motor stärker gefordert. Es gelten also andere Messbedingungen: Ein alter Grenzwert von 80 dB(A) ist nicht vergleichbar mit 80 dB(A) nach neuem Messverfahren! Für schwere LKW über 12 Tonnen und mehr als 250 KW Leistung geht der Grenzwert sogar zunächst einmal von 80 auf 82 dB(A) hoch. Das mag auf den ersten Blick verwundern – nach der neuen Messprozedur wird es jedoch schwieriger, diesen Wert zu erreichen.
Welche Geräusche werden von der Messung erfasst?
Sowohl die alte als auch neue Norm erfassen immer das gesamte Fahrzeug. Mit dem Fahrzyklus, der den typischen innerstädtischen Lieferverkehr abbildet, ist das Geräusch des Motors meist der dominante Anteil. Die Reifen und Fahrbahngeräusche werden erst bei höheren Geschwindigkeiten, etwa bei Fahrten auf der Autobahn, zur lautesten Geräuschkomponente.
Wie anspruchsvoll sind die vorgegebenen Grenzwerte?
Die Norm gibt neue Grenzwerte in drei Phasen vor: Die erste Phase gilt voraussichtlich ab 01. Juli 2016 und ist aus heutiger Sicht eine moderate Verschärfung. Die Stufe zwei senkt den Grenzwert beim LKW dann zusätzlich um 1-2 Dezibel, je nach LKW-Typ, und in der letzten Stufe kommt eine Reduzierung um insgesamt 3 Dezibel. 3 Dezibel sind gleichbedeutend mit einer Reduzierung des Schalldrucks um die Hälfte. Das ist schon anspruchsvoll.
Wird es schwer sein, die Grenzwerte zu erreichen?
Ich würde sagen, es ist eine Herausforderung, den Grenzwert mit vertretbarem Aufwand zu schaffen. Um die Vorgaben auch unter Kosten- und Gewichtsaspekten zu lösen, müssen wir noch einiges an Arbeit leisten. Das steht in den Lastenheften für künftige Fahrzeuggenerationen.
Wo setzen Sie an?
Unser Wunsch ist es immer, direkt an der Quelle, insbesondere also am Motor, anzugreifen. Man muss die Motorstruktur so optimieren, dass sie weniger Geräusche abstrahlt, die Nebenaggregate leiser machen und die Einspritzung so gestalten, dass sie akustisch günstig ist. Bei den heutigen Common-Rail-Motoren ist das beispielsweise mit ein oder mehreren Voreinspritzungen und hohen Einspritzdrücken möglich. Aber: Alleine mit motorischen Maßnehmen wird es nicht gehen. Wir werden auch die Dämmung noch weiter verbessern und intensivieren müssen.
Das Interview führte VR-Redakteur Dietmar Winkler
Die VerkehrsRundschau behandelt das Thema Verkehrslärm ab Ausgabe 6/2014 in einer dreiteiligen Serie. Abonnenten haben die Möglichkeit, die Beiträge direkt als E-Paper zu lesen.