Lassen sich E-Lkw trotz Reichweitenbegrenzung auch im Fernverkehr einsetzen und was für Einsparungen sind möglich? Dieser Frage ging die Initiative European Clean Transport Network (ECTN) in einem Demonstrationsprojekt nach, das sich mit seiner Idee historisch an das Pony-Express-Postsystem anlehnt. Nun liegen erste Ergebnisse vor.
Gegründet haben die Intitative das Unternehmen Ceva Logistics als Teil der CMA CGM-Gruppe, der Energieversorger Engie und der Autobahnbetreiber Sanef im Jahr 2023 in Frankreich. Das Pilotprojekt startete vor 16 Monaten und soll gut zwei Jahre dauern.
Auf einer 900 Kilometer langen Strecke zwischen den beiden französischen Städten Avignon und Lille werden Güter mithilfe von E-Lkw transportiert. Der Korridor ist in vier Autobahnabschnitte unterteilt und umfasst fünf sogenannte Relaisstationen oder Terminals in Avignon, Lyon, Dijon, Sommesous und Lille.
An diesen Relaisstationen wechseln – ähnlich wie beim historischen Pony-Express-Postsystem in den USA – die Lkw ihre Anhänger und geben sie wie bei einer Staffelstabübergabe an ein weiteres Fahrzeug weiter. Bei der Ankunft an der Relaisstation stellen die Fahrer ihre Anhänger ab, die dann an einen Lkw angehängt werden, der die nächste Abschnittsstrecke übernimmt. Elektrische Lkws werden an den Stationen während des Anhängertransfers aufgeladen.
Verbesserte Standardtransitzeit und verdoppelte Kilometerleistung im Vergleich zum Diesel-Lkw
Der Einsatz von Elektro-Lkws auf Autobahnabschnitten von etwa 300 Kilometern ermöglicht es laut der Initiative, betriebliche Reichweitenbeschränkungen zu umgehen. Die Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur würden optimal genutzt. Die jährlich zurückgelegte Kilometerleistung der Lkw sei dabei fast doppelt so hoch wie bei Dieselfahrzeugen.
Nach sechzehn Monaten Erprobung unter realen Bedingungen haben die Lkw mehr als eine Million Kilometer zurückgelegt, teilt die Initiative weiter mit. Auf dem Autobahnabschnitt zwischen Lille und Avignon habe man so die Treibhausgasemissionen um das Vierfache reduzieren können.
Auf der Hauptschleife zwischen zwei Relaisstationen könne ein einziger Lkw mit geringem CO2-Ausstoß zwei herkömmliche Diesel-Lkw ersetzen.
Außerdem konnten die Standardtransitzeit zwischen Avignon und Lille von 23 Stunden auf 17 Stunden reduziert werden. Das entspricht einer Fahrtzeitverkürzung von 25 Prozent, wie es weiter heißt.
Das Prinzip der festen täglichen Hin- und Rückfahrten von nur wenigen hundert Kilometern mit regelmäßigen Fahrplänen verbessere die Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer. Es würden keine zusätzlichen Flächen benötigt, da die Stationen auf bestehenden, von Schwerlastfahrzeugen frequentierten Raststätten errichtet würden.
Die Teststandorte des Pilotprojektes befinden sich an bestehenden Ceva-Logistics-Standorten in Autobahnnähe. Nun haben die Partner die erste Autobahn-Relaisstation zur Dekarbonisierung des Straßengüterfernverkehrs an der Raststätte Sommesous (A26) am 25. April eingeweiht.
Machbarkeitsstudie für Umsetzung auf europäischer Ebene
Außerdem hat die Initiative eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen. Diese hebt demnach hervor, dass ein europäisches Netz von 190 Terminals an oder in der Nähe von Autobahnen zu einem Netz von Ladestationen alle 300 Kilometer führen würde.
Das Projekt würde laut Studie den Umstieg von Diesel- auf Elektrofahrzeuge beschleunigen und einen Beitrag leisten, um die Treibhausgasreduktionsziele der Europäischen Union zu erreichen.
Aber: Eine Einführung in größerem Maßstab erfordere die Elektrifizierung der Fahrzeugflotten und die Einrichtung einer Ladeinfrastruktur entlang der Hauptverkehrsachsen, so die Initiative weiter. Für die Finanzierung und den Bau der erforderlichen Relaisstationen sei die Unterstützung der öffentlichen Hand erforderlich.
Die Initiative beweise, dass es möglich ist, den Straßengüterfernverkehr auf einfache und effiziente Weise zu dekarbonisieren, so Arnaud Quémard, Chief Executive Officer von Sanef. „Indem wir auf die bestehende Autobahninfrastruktur zurückgreifen, ohne zusätzliche Flächen zu mobilisieren oder hohe Investitionen zu tätigen, ergreifen wir konkrete Maßnahmen, um auf den Klimanotstand zu reagieren.“
70 Prozent der Fahrten von Lastkraftwagen würden auf Autobahnen durchgeführt. Hier müsse die Dekarbonisierung beschleunigt werden.
„Dieses pragmatische Modell, das schnell und effizient umgesetzt werden kann, ebnet den Weg für eine nachhaltige Energiewende, erfordert aber die Unterstützung der öffentlichen Hand, um noch weiter zu gehen.“