Berlin. Die deutsche Automobilindustrie sieht vor allem die großen Chancen, die mit Freihandel und TTIP verbunden sind - bei einem Scheitern drohe dagegen ein Dämpfer für neue Jobs und Exporte. „TTIP bietet Deutschland und Europa große Chancen: ein transatlantischer Markt ohne Grenzen, ohne Zölle, dafür mit gemeinsamen Standards und sicheren Investitionen“, sagte Verbandspräsident Matthias Wissmann am Mittwoch in Berlin.
Freier Handel zwischen der EU und den USA bringe beiden Seiten mehr Wohlstand und Jobs. Die USA seien für die deutschen Autobauer mit 800.000 Stammarbeitsplätzen im Inland - gemessen am absoluten Wert der Ausfuhren - der wichtigste Exportmarkt. Eine Streichung der Zölle könnte den Firmen pro Jahr mindestens eine Milliarde Euro ersparen. Bei Einschluss von anderen Hemmnissen wie unterschiedlichen Standards und Normen käme Schätzungen zufolge sogar das Fünffache dieser Kosten zusammen.
Unterschiedliche Normen verursachen Kosten
Auch mehrere Konzernchefs sprachen sich anlässlich einer gemeinsamen Pressekonferenz für ein Freihandelsabkommen aus. Nach Angaben von Daimler-Chef Dieter Zetsche gingen 2014 gut 14 Prozent aller deutschen Pkw-Ausfuhren in die Vereinigten Staaten, ihr Wert lag bei mehr als 20 Milliarden Euro. „Trotzdem haben wir mit zahlreichen Handelsschranken zu kämpfen.“ So machten etwa unterschiedliche Regeln für Crashtests 70 Prozent der Zusatzausgaben aus.
Beim Anspruch seien sich Europa und die USA einig: Strengere Vorgaben gebe es auf der ganzen Welt nicht. „Und trotzdem müssen wir doppelt entwickeln, doppelt beschaffen und doppelt zertifizieren“, sagte Zetsche. Denn im Detail lägen die Vorgaben häufig auseinander.
BMW-Chef Norbert Reithofer erklärte, von TTIP würden auch Werke in Nordamerika profitieren, weil von dort aus viele Fahrzeuge in andere Märkte geliefert werden. Zollkosten ließen sich anders investieren. „Wir könnten die hohe Zahl an Fabriken in Deutschland nicht halten, wenn wir uns nicht so stark für TTIP engagieren würden.“
Unterschiedliche Regeln für Produkte oder Tests passten „nicht mehr in die Zeit unseres weltweiten Handels“, meinte Audi-Chef Rupert Stadler, der auch im Namen des VW-Managements sprach. Riskiere man TTIP, könnten sich die USA nach Asien orientieren, warnte Ford-Deutschland-Chef Bernhard Mattes. Aus Sicht von Porsche-Chef Matthias Müller zeigt die schleppende Entwicklung der Elektromobilität, dass die Vielzahl technischer Normen in der Autobranche reduziert werden muss: „Damit diese Technologie alltagstauglich wird, brauchen wir globale Standards.“
Betriebsräte dämpfen Optimismus und halten Verbraucherschutz hoch
Skeptischer äußerten sich Auto-Betriebsräte und Gewerkschafter: „Wir werden keine Aufweichungen der Standards beim Umwelt- und Verbraucherschutz sowie keine Aushöhlung von Arbeitnehmer- und Mitbestimmungsrechten akzeptieren“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Belegschaftsvertretern und der IG Metall.
VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sagte, es spreche nichts dagegen, Zölle zu senken oder Technik-Standards zu harmonisieren. Für die Befürchtung, TTIP weiche Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Arbeitnehmerrechte auf und stärke die Rolle privater Schiedsgerichte, habe er jedoch Verständnis: „Bei diesem Vorstoß kann der Eindruck entstehen, dass die Automobilindustrie und ihre Vorstände bereit sind, für die eigenen Vorteile Nachteile für Verbraucher und Arbeitnehmer in Kauf zu nehmen. Hier geht es auch um Menschen, nicht nur um wirtschaftliche Interessen.“ (dpa/diwi)