München (dpa) - In den Aufsichtsräten der großen deutschen Konzerne sitzen immer mehr Frauen am Tisch. Bei zahlreichen Unternehmen der ersten Börsenliga von Daimler über die Metro bis zu Volkswagen zogen in den vergangenen Monaten Frauen in das Kontrollgremium ein. Im Aufsichtsrat der Deutschen Bank sind bereits sieben von 20 Aufsichtsräten weiblich. Während die Politik noch über eine verbindliche Frauenquote in der deutschen Wirtschaft streitet, haben viele DAX-Firmen damit längst Fakten geschaffen. „Ich glaube, dass die Welt in drei, vier Jahren ganz anders aussehen wird", sagt die Münchner Professorin Ann-Kristin Achleitner, die bei der Metro und Linde im Aufsichtsrat sitzt - bei dem Industriegase-Konzern als erste Frau überhaupt.
MAN/VW
Selbst in klassischen Männerdomänen wachen nun auch Frauen über die Arbeit des Vorstandes: Bei dem Lastwagenhersteller MAN gehört seit Ende Juni die Generalsekretärin der Internationalen Handelskammer Berlin, Angelika Pohlenz, zum Aufsichtsrat. VW hat mit der schwedischen Bankmanagerin Annika Falkengren erstmals seit 40 Jahren wieder eine Frau in dem Gremium, die die Interessen der Aktionäre bei Volkswagen vertritt. Für die Arbeitnehmerseite sitzt seit 2007 die Gewerkschafterin Babette Fröhlich in der Runde.
Siemens/ Telekom
Langsam aber sicher kann die zunehmende Präsenz der Frauen in den Aufsichtsräten auch dazu führen, dass mehr Frauen der Sprung in die Vorstandsspitzen gelingt. Noch sind sie dort Exoten, aber es werden mehr: Bei Siemens war Barbara Kux zwei Jahre lang die einzige Frau im Vorstand, dann kam im vergangenen Jahr Brigitte Ederer hinzu - und Siemens-Chef Peter Löscher kann sich noch mehr Frauen an der Spitze des Weltkonzerns mit seinen rund 400.000 Beschäftigten vorstellen. Auch Telekom-Chef René Obermann präsentierte vor einigen Wochen stolz seine beiden neuen Vorstandsfrauen Claudia Nemat und Marion Schick.
Eines ist allen Top-Frauen aber gemein: Sie sehen sich nicht als Quotenfrauen und wollen keine Vorzeigemanagerinnen sein - sondern einfach einen guten Job machen und damit dafür sorgen, dass mehr junge Frauen ihrem Vorbild folgen. Selbst dann, wenn sie sich nicht zwischen Kindern und Karriere entscheiden wollen wie die Telekom-Managerin Nemat, die zwei Kinder hat.
Linde/Metro
Auch Achleitner (45) kümmert sich neben ihrem Lehrauftrag und ihren Aufsichtsratsmandaten bei Linde und Metro um ihre drei Söhne. Während arbeitende Mütter bei der Geburt ihres ersten Sohnes vor 13 Jahren noch argwöhnisch beäugt wurden, sieht sie inzwischen eine deutlich größere Akzeptanz für Eltern, die Familie und Karriere vereinbaren wollen. „Es muss aber noch mehr geben, die Teilzeit vorleben - auch bei Männern."
Ihre rasante Karriere zu unterbrechen oder zu beenden, kam für Achleitner nie infrage. Nach dem Studium an der Universität in St. Gallen in der Schweiz promovierte sie in Jura und Betriebswirtschaft, arbeitete als Unternehmensberaterin bei McKinsey, schrieb mehrere Bücher und leitet heute als Professorin in Teilzeit einen wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstuhl an der Technischen Universität München. Mit Ausnahme der Vorlesungen kann sie sich ihre Arbeitszeit dort meist flexibel einteilen - und dadurch auch für ihre Söhne da sein.
Ihr Alltag zwischen Kindergarten, Schule, Universität, Vorträgen und neuerdings auch den Aufsichtsräten ist aber trotz Unterstützung durch Kindermädchen nicht immer einfach - und auch ihr Mann ist als Finanzvorstand der Allianz beruflich stark eingespannt. „Ich will nicht behaupten, dass ich immer flötend durchs Leben gehe."
Als Antriebsfeder für den Kraftakt sieht sie ihre Neugier. „Ich bin eine Lustarbeiterin. Mich haben immer neue Dinge interessiert." Nach vielen Jahren in der Wissenschaft und verschiedenen wirtschaftlichen Gremien reizte es sie deshalb auch, als Aufsichtsrätin das Innenleben eines Konzerns zu durchdringen. „Ich wollte die DNA der Unternehmen verstehen." Zeit für Hobbys bleibt ihr nicht. Trotzdem ist sie froh, dass sie überhaupt die Möglichkeit hat, anders als viele Frauen in früheren Generationen ihr Leben selbst zu gestalten und weder auf Beruf noch Familie verzichten zu müssen. Mein Grundgefühl ist Dankbarkeit. (dpa)