Luxemburg. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat das Verbringen der regelmäßigen Wochenruhezeit von Lkw-Fahrern in ihren Fahrzeugen als rechtswidrig bewertet. Das EU-Recht erlaube solche Praktiken nicht, schreibt der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zu einer Klage eines belgischen Transportunternehmens gegen den belgischen Staat. Maßnahmen, die einzelne Staaten gegen das Verbringen der regelmäßigen Wochenruhezeit in den Fahrzeugen ergriffen hätten oder ergreifen könnten, seien laut des Generalanwalts vollkommen gerechtfertigt. Die Schlussanträge der Generalanwälte am EuGh sind noch keine Urteile, gelten aber als richtungsweisend. In den meisten Fällen folgen die EuGh-Richter den Empfehlungen der Schlussanträge. Wann die Richter in Luxemburg über den Fall der Ruhezeiten in Fahrerkabinen entscheiden werden, ist offen.
Im August 2014 hatte das belgische Transportunternehmen Vaditrans BVBA den belgischen Staat wegen der Einführung von Strafen für das Verbringen der regelmäßigen Wochenruhezeit im Lkw verklagt. Ein damals neues belgisches Gesetz sieht Geldbußen von bis zu 1800 Euro vor, wenn ein Lkw-Fahrer seine wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug verbringt. Der Generalanwalt legt nun den EuGh-Richtern nahe, die Klage von Vaditrans zurückzuweisen. „Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass Art. 8 Abs. 6 und 8 der (EU-) Verordnung Nr. 561/2006 (1) dahin auszulegen ist, dass Fahrer ihre in dieser Verordnung geregelten wöchentlichen Ruhezeiten nicht im Fahrzeug verbringen dürfen”, schreibt er in seinen Schlussanträgen.
Streit mit der EU über Gesetzesauslegung
Über die Auslegung des genannten EU-Gesetzes gibt es seit langem Streit in der EU. Aufgrund der bisherigen Untätigkeit der EU-Einrichtungen, den Streit durch klare Formulierungen zu beenden, haben mittlerweile Frankreich, Deutschland und Belgien nationale Gesetze verabschiedet, die das Verbringen der regelmäßigen Wochenruhezeit im Lkw unter Strafe verbieten. Diese Maßnahmen waren von anderen Mitgliedsstaaten kritisiert worden, im laufenden EuGh-Verfahren von Spanien, Estland und der EU-Kommission.
Der EuGh-Generalanwalt sieht jedoch die Rechtmäßigkeit dieser nationalen Maßnahmen gegeben, da seiner Meinung nach das Verbringen der regelmäßigen Wochenruhezeit im Lkw ja grundsätzlich verboten sei. Durch die nationalen Maßnahmen würden die jeweiligen Regierungen nur ein Versäumnis der EU nachholen. Sollten die EuGh-Richter allerdings der Auffassung sein, dass das Verbringen der Ruhezeit im Lkw rechtmäßig sei, seien entsprechend die nationalen Verbote unrechtmäßig, stellt der Generalanwalt fest.
EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc will im Mai Vorschläge veröffentlichen, wie der Streit um das Verbringen der regelmäßigen Wochenruhezeit in Fahrerkabinen eindeutig gelöst werden soll. Das EuGh-Urteil könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. (kw)
Der Schlussantrag des EuGh-Generalanwalts ist in deutscher Sprache zu lesen unter:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text&docid=187381&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir&occ=first&part=1
ACHTUNG: Übersetzungsfehler in Punkt 82. Im englischen Text heißt es "… this question should be answered in the affirmative". Im deutschen Text müsste es also heißen: "… ist diese Frage zu bejahen".
Joachim Griener