Zwei Zankhähne und die Infrastruktur

Ende gut, alles gut? Nach einem Schlagabtausch zwischen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und seinem nordrhein-westfälischen Kollegen Michael Groschek (SPD) über die Verteilung der Mittel für die Sanierung der Bundesfernstraßen scheint eine Einigung in Sicht. Rückblick: Ende Juli war bekannt geworden, dass nur 128 Millionen von 2,7 Milliarden Euro für den Straßenbau in das größte Bundesland fließen. Doch hier gilt das Straßennetz als besonders marode. Dementsprechend groß war die Empörung, zumal Bayern, Dobrindts Heimatland, besonders gut bedacht worden war. Hausaufgaben nicht gemacht "Die Wahrheit ist, dass Verkehrsminister Michael Groschek seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Trotz mehrfacher Aufforderung von mir schon vor über einem Jahr hat er die Baureife für wichtige Projekte nicht hergestellt", rechtfertigte Dobrindt die Mittelverteilung. Die Baureife sei aber Voraussetzung für den sogenannten "Sofortvollzug". Konkret ging es um etwa 242 Millionen Euro für den Ausbau von drei Bundesstraßen, darunter die A 1 zwischen Lengerich und Lotte/Osnabrück, die im Rahmen einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft (ÖPP) finanziert werden soll. Groschek wiederum belehrte seinen CSU-Kollegen mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster (siehe Kasten). Demnach könne nur die Planfeststellungsbehörde den Sofortvollzug herstellen. Dafür müsse Eilbedürftigkeit nachgewiesen werden, die aber die Finanzierungszusage des Bundes voraussetze. Im Klartext: Der Sofortvollzug und damit die Ausschreibung des Ausbaus scheiterten an Dobrindt. Und so wechselten zahlreiche Briefe zwischen Düsseldorf und Berlin, begleitet von polemischen Interviews, in denen sich die Amtskollegen die Kompetenz absprachen. "Die Infrastruktur in NRW leidet unter Groscheks Schlamperei", der den Überblick verloren habe, teilte Dobrindt in bekannter Partei-Generalsekretärs-Manier aus. Groschek wiederum beurteilte Dobrindts Arbeitsstil knapp mit "Sechs, Setzen". Schützenhilfe erhielt Dobrindt von FDP-Chef Christian Lindner. "In diesem Fall hat der Bundesverkehrsminister einmal recht: NRW verschläft den dringend notwendigen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur", sagte das Mitglied des Düsseldorfer Landtags. Von dem Scharmützel verdeckt wurden Signale eines Kompromisses. "Es gibt noch Luft", hatte Dobrindt über die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post" seinen Gegenspieler wissen lassen. Dobrindt gibt nach Inzwischen haben sich die (parteipolitischen) Gemüter offenbar beruhigt. Groscheks Pressesprecher Bernhard Meier spricht von einer "neuen Entwicklung", da Dobrindt schriftlich die Finanzierung weiterer Maßnahmen in NRW zugesagt habe. "Mit Bezug auf dieses Schreiben hat der Landesbetrieb Straßenbau unverzüglich die zuständigen Bezirksregierungen aufgefordert, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zu geben". Dabei handelt es sich um die drei in Rede stehenden Bundesstraßen, die A 1 soll demnach weiter als Teil eines ÖPP-Projekts finanziert werden. Dass es zwischen den Verkehrsministern aber weiter brodelt, zeigte sich bald darauf. Das von Dobrindt vergangene Woche gestartete Testfeld "Digitale Autobahn" befindet sich ausgerechnet auf der bayrischen A 9 zwischen München und Nürnberg. "Wer ein solches System effektiv einsetzen will, der muss da hingehen, wo der Verkehr am dichtesten ist", befand Groschek und verwies auf das Ruhrgebiet. Groscheks Argument In dem vom Oberverwaltungsgericht NRW entschiedenen Fall ging es um die Klage eines Anwohners gegen den Neubau der Bundesstraße 56n im Raum Aachen. Dieser wehrte sich erfolgreich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Behörde, die "keine konkreten Angaben zu der Frage gemacht hat, wann Haushaltsmittel für die bauliche Realisierung des Vorhabens zur Verfügung stehen werden. Dass Mittel erwartet werden, reicht hierfür nicht aus". Die Richter lehnten deshalb einen Sofortvollzug ab. jökUrteil vom 10.8.2011 Aktenzeichen: 11 B 189/11 AK

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